Leitsatz (amtlich)

a) Bei einem dinglichen Arrest nach § 111b Abs. 2, 5 StPO a.F. ist der Gegenstandswert für eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 RVG-VV a.F. ausgehend von dem zu sichernden Anspruch gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen. Maßgebend ist dabei das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Arrestforderung, wobei die konkrete wirtschaftliche Situation in den Blick zu nehmen ist. Beträge, deren Durchsetzbarkeit nicht ernstlich in Betracht kommt und die deshalb eher fiktiven Charakter haben, bleiben unberücksichtigt.

b) Das für die Wertberechnung gem. § 2 Abs. 1 RVG maßgebliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr des Arrests geht nicht weiter, als Vermögenswerte vorhanden sind, auf die im Wege der Arrestvollziehung zugegriffen werden kann. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem der Anwalt - ggf. auch nur beratend - tätig wird.

 

Normenkette

StPO § 111b Abs. 2 Fassung: 1998-05-04, Abs. 5 Fassung: 1998-05-04; RVG-VV Nr. 4142

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.05.2017; Aktenzeichen 1 U 203/15)

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.10.2015; Aktenzeichen 2-4 O 131/15)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 11.5.2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger nimmt das beklagte Land nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Anspruch, die im Zusammenhang mit dem Vollzug eines dinglichen Arrests entstanden sind.

Rz. 2

Er war Beschuldigter in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Mit Beschluss vom 8.4.2010 ordnete das AG zur Sicherung der dem Verletzten aus der Straftat erwachsenen Ansprüche sowie zur Sicherung staatlicher Ansprüche auf Verfall des Wertersatzes den dinglichen Arrest i.H.v. 10.835.791 EUR in das Vermögen des Klägers an (§§ 111b Abs. 2, 5, 111d, 111e Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 3, 73a StGB jeweils in der bis zum 30.6.2017 geltenden Fassung; im Folgenden: a.F.). Der Arrest wurde vom 28.4.2010 an vollzogen, und zwar bis zum 11.8.2010 durch Kontenpfändung i.H.v. 5.374,68 EUR und bis zum 26.8.2010 durch Pfändung beweglicher Sachen i.H.v. 1.650 EUR.

Rz. 3

Unter dem 29.4.2010 legte der Verteidiger des Klägers Beschwerde gegen den Arrestbeschluss ein, die er u.a. damit begründete, dass die Maßnahme unverhältnismäßig sei, weil die Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet worden seien und der Kläger vermögenslos sei.

Rz. 4

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hob das AG den Arrestbeschluss am 16.8.2010 auf. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde unter dem 11.3.2014 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Mit Beschluss vom 10.6.2014 stellte das AG fest, dass der Kläger für den vollzogenen dinglichen Arrest vom 8.4.2010 in der Zeit vom 28.4.2010 bis zum 26.8.2010 zu entschädigen ist.

Rz. 5

Auf den Antrag des Klägers, ihm auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 10.835.791 EUR für das Arrestverfahren und von 34.046 EUR für das Entschädigungsverfahren jeweils eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 RVG-VV (in der bis zum 30.6.2017 geltenden Fassung; im Folgenden: a.F.) zu erstatten (insgesamt 41.550,04 EUR), bewilligte die Generalstaatsanwaltschaft mit Bescheid vom 16.2.2015 eine Strafverfolgungsentschädigung von 714 EUR.

Rz. 6

Mit seiner auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten i.H.v. 14.526,33 EUR für das Arrestverfahren und von 1.024,11 EUR für das Entschädigungsverfahren gerichteten Klage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Bemessung des Gegenstandswerts für das Arrestverfahren sei von dem zu sichernden Hauptanspruch i.H.v. 10.835.791 EUR auszugehen, von welchem ein Abschlag von zwei Dritteln vorzunehmen sei, so dass sich ein Wert von 3.621.930 EUR ergebe. Gemäß Nr. 4142 RVG-VV a.F. betrage der Gebührenanspruch 12.663 EUR (zzgl. Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer: 15.092,77 EUR), auf den der Beklagte 566,44 EUR bezahlt habe. Bei einem Gegenstandswert für das Entschädigungsverfahren von 15.092,77 EUR belaufe sich eine 1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV auf 845 EUR (zzgl. Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer: 1.029,35 EUR). Hierauf habe der Beklagte 147,56 EUR bezahlt.

Rz. 7

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Revision werde gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassen, weil es bei der Frage der Festsetzung des Gegenstandswerts für eine Gebühr aus Nr. 4142 RVG-VV a.F. von der Rechtsprechung der OLG Hamm, München und Stuttgart abweiche.

Rz. 8

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren unter korrigierter Berücksichtigung der erhaltenen Zahlungen weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 9

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 10

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger aus § 7 Abs. 1 StrEG über die bereits gezahlten 714 EUR hinaus kein weitergehender Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten zu.

Rz. 11

Die nach § 9 StrEG getroffene Grundentscheidung des AG vom 10.6.2014 stelle eine hinreichende Grundlage für die Erstattung von Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Abwehr des Arrests dar. Die Entscheidung nehme Bezug auf den vollzogenen dinglichen Arrest und beschränke den Ersatz für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen nicht auf die Kosten, die dem Kläger allein aus dem Vollzug des Arrests entstanden seien. Die im Entschädigungsverfahren nach § 10 StrEG anfallenden Rechtsanwaltsgebühren seien gleichfalls Teil des erstattungsfähigen Vermögensschadens. Eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 RVG-VV a.F. sei angefallen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Arrest nicht nur gem. § 111b Abs. 2 StPO a.F. zur Sicherung staatlicher Ansprüche auf Verfall des Wertersatzes, sondern auch gem. § 111b Abs. 5 StPO a.F. zur Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen des Verletzten angeordnet worden sei.

Rz. 12

Die Tätigkeit des Verteidigers des Klägers sei jedoch durch die bereits gezahlte Vergütung aus einem Gegenstandswert, der sich nach den gepfändeten Werten bemesse, abgegolten. Die Gebühr aus Nr. 4142 RVG-VV a.F. entstehe für eine Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf Einziehung oder verwandte Maßnahmen (§ 442 Abs. 1 StPO aF: Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung und Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands) beziehe. Es handele sich hierbei um Maßnahmen, die dem Betroffenen den Vermögensgegenstand endgültig entzögen. Dementsprechend bestimme sich der Gegenstandswert für die anwaltlichen Gebühren nach ganz überwiegender Meinung nach dem objektiven Wert der betroffenen Gegenstände. Dies gelte auch für den Gegenstandswert eines Arrests. Auch insoweit werde der Verteidiger ausschließlich zur Sicherung von Vermögensgegenständen seines Mandanten tätig. Der objektive Gegenstandswert für diese Tätigkeit ergebe sich nicht aus der Annahme, dass Wertgegenstände in einer bestimmten Höhe der Einziehung oder dem Verfall unterliegen könnten, sondern aus dem Wert der Gegenstände, zu deren Sicherung der Verteidiger tätig werde. Die in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretene Gegenauffassung, wonach für die Vergütung aus Nr. 4142 RVG-VV a.F. der Gegenstandswert des Arrests mit einem Drittel des zu sichernden Hauptanspruchs anzusetzen sei, treffe nicht zu. Im vorliegenden Fall ergebe sich der Gegenstandswert der Tätigkeit des Verteidigers für die Gebühr nach Nr. 4142 RVG-VV a.F. daher allein aus dem Wert der im Rahmen des Arrests gepfändeten Konten und Gegenstände.

II.

Rz. 13

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision im Rahmen des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung stand.

Rz. 14

1. a) Das Berufungsgericht hat die Revision nur beschränkt auf die Höhe des gegen den Beklagten bestehenden Entschädigungsanspruchs zugelassen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor, aber, was ausreichend ist (st.Rspr.; vgl. nur Senat, Urt. v. 12.12.2013 - III ZR 404/12, NJW-RR 2014, 559 Rz. 7; v. 20.4.2017 - III ZR 470/16, NVwZ-RR 2017, 608 Rz. 19; BGH, Urt. v. 13.7.2004 - VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176, 3177; v. 27.9.2011 - II ZR 221/09, NZG 2011, 1352 Rz. 18; jeweils m.w.N.), klar und eindeutig aus den Urteilsgründen. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision ausdrücklich und allein auf die von ihm mit Fundstellen belegte Abweichung von der Rechtsprechung anderer OLG hinsichtlich der Festsetzung des Gegenstandswerts für eine Gebühr aus Nr. 4142 RVG-VV a.F. gestützt. Abgesehen von hier nicht einschlägigen Bagatellfällen (s. Abs. 2 der Anmerkung zu Nr. 4142 RVG-VV) ist der Gegenstandswert ausschließlich für die Höhe des Vergütungsanspruchs maßgeblich (vgl. § 2 Abs. 1 RVG).

Rz. 15

Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Anspruchshöhe ist möglich. Es handelt sich um einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffs, auf den die Partei selbst ihre Revision hätte begrenzen können (z.B. Senat, Urt. v. 7.7.1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615; Beschl. v. 16.12.2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rz. 5m. zahlr. wN; BGH, Urt. v. 25.3.1980 - VI ZR 61/79, BGHZ 76, 397, 399; v. 8.12.1998 - VI ZR 66/98, NJW 1999, 500 und vom 27.9.2011, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Da sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, nämlich die Anspruchshöhe, bezieht, ist die Zulassungsentscheidung dahingehend auszulegen, dass das Berufungsgericht die Revision lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen hat (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2004 und vom 27.9.2011 jeweils a.a.O.).

Rz. 16

b) Der Gegenstand des Rechtsmittels ist auch nicht von vornherein allein auf die Prüfung der Anspruchshöhe beschränkt, weil das AG die Entschädigungspflicht des Beklagten mit Beschluss vom 10.6.2014 bereits im Verfahren nach §§ 8, 9 StrEG festgestellt hat. Denn die Bindungswirkung der Entscheidung bezieht sich nicht darauf, ob dem Betroffenen überhaupt ein Schaden entstanden ist. Diese Frage und ggf. die Schadenshöhe werden im nachfolgenden Betragsverfahren gem. §§ 10, 13 StrEG geprüft (Senat, Urt. v. 31.10.1974 - III ZR 87/73, BGHZ 63, 209, 211; v. 21.1.1988 - III ZR 157/86, BGHZ 103, 113, 115; s. auch OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 287; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 8 StrEG Rz. 1).

Rz. 17

2. Wegen der nur beschränkt zugelassenen Revision ist dem Senat eine Überprüfung der Gründe verwehrt, aus denen das Berufungsgericht die Entscheidung des AG vom 10.6.2014 als hinreichende Grundlage für eine Entschädigungspflicht des Beklagten gem. §§ 2 Abs. 2 Nr. 4, 7 Abs. 1 StrEG bejaht hat. Ferner steht bindend fest, dass für die Tätigkeit des Verteidigers des Klägers, die sich auf die Aufhebung des nach § 111b Abs. 2, 5 StPO a.F. angeordneten dinglichen Arrests bezogen hat, eine Gebühr nach Nr. 4142 RVG-VV a.F. angefallen ist.

Rz. 18

3. Im Umfang der Zulassung ist die Revision des Klägers unbegründet. Dass das Berufungsgericht der Berechnung der Gebühr aus Nr. 4142 RVG-VV a.F. keinen 7.024,68 EUR übersteigenden Gegenstandswert zugrunde gelegt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Rz. 19

a) Gemäß Abs. 1 der Anmerkung zu Nr. 4142 RVG-VV a.F. entsteht die als Wertgebühr (§ 2 RVG) ausgestaltete besondere Verfahrensgebühr für eine anwaltliche Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen (§ 442 Abs. 1 StPO aF: Verfall, Vernichtung, Unbrauchbarmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Entscheidend für die Anwendung der Nr. 4142 RVG-VV a.F. ist, dass es sich um eine Maßnahme handeln muss, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen will. Durch die Gebühr werden Tätigkeiten des Rechtsanwalts vergütet, die darauf gerichtet sind, dem Beschuldigten erhaltenswerte Vermögensgegenstände zu sichern (Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., Nr. 4142 VV Rz. 6, 19; s. auch KG, NStZ-RR 2005, 358, 359). Dies ist auch bei einer Tätigkeit zur Abwehr (Aufhebung) eines dinglichen Arrests der Fall. Der nach § 111b Abs. 2 StPO a.F. angeordnete Arrest zielt darauf ab, den (endgültigen) Verfall von Wertersatz zu sichern (§ 73a StGB a.F.). Für den zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe angeordneten Arrest (§ 111b Abs. 5 StPO a.F.) gilt im Ergebnis nichts anderes. Denn durch das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24.10.2006 (BGBl. I, 2350) wurde in § 111i Abs. 5 bis 7 StPO mit Wirkung vom 1.1.2007 ein staatlicher Auffangrechtserwerb normiert. Nach der bis zum 30.6.2017 geltenden Fassung des § 111i StPO (durch das am 1.7.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 [BGBl. I, 872] wurden die §§ 111b ff StPO unter Aufgabe des bisherigen Opferentschädigungskonzepts der Rückgewinnungshilfe völlig neu gefasst) kam es daher für die Frage, ob ein auf der Grundlage eines dinglichen Arrests gepfändeter Vermögensgegenstand dem betroffenen Vermögensinhaber letztlich entzogen werden wird, nicht mehr darauf an, ob der Verletzte in die aufgrund des dinglichen Arrests sichergestellten Vermögenswerte vollstreckt oder hiervon wegen des damit verbundenen Aufwands absieht. Seither unterschied sich die Pfändung eines Vermögensgegenstandes auf der Grundlage eines (auch) zum Zweck der Rückgewinnungshilfe angeordneten dinglichen Arrests in Intensität und wirtschaftlicher Auswirkung aus der Sicht des Betroffenen nicht mehr wesentlich von der Pfändung eines Vermögensgegenstandes auf der Grundlage eines "nur" nach §§ 111b Abs. 2, 111d StPO a.F. i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. angeordneten dinglichen Arrests bzw. von der Beschlagnahme eines "nur" dem Verfall unterliegenden Gegenstandes (OLG Stuttgart, BeckRS 2014, 17953 Rz. 13; LG Essen, BeckRS 2016, 12443; BeckOK RVG/Knaudt, 41. Edition, Nr. 4142 VV Rz. 6 [Stand: 1.9.2018]).

Rz. 20

b) Da die zusätzliche Verfahrensgebühr erst dadurch gerechtfertigt ist, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf die Sicherung von dem Beschuldigten zustehenden Vermögenswerten gerichtet ist, ist es konsequent, den für die Gebührenhöhe nach § 2 Abs. 1 RVG maßgeblichen Gegenstandswert nach dem objektiven Wert der betroffenen Gegenstände zu bemessen. Bei einem Einziehungsgegenstand ist grundsätzlich von seinem Verkaufswert bzw. objektiven Verkehrswert auszugehen (h.M.; vgl. nur KG, NStZ-RR 2005, 358, 359; OLG Frankfurt, NJOZ 2007, 1372, 1373; OLG Hamm, BeckRS 2008, 05574 und 77014; OLG München, BeckRS 2010, 21631; OLG Stuttgart, BeckRS 2014, 17953; BeckOK RVG/Knaudt, a.a.O., Rz. 12.2; Burhoff in Gerold/Schmidt, a.a.O., Rz. 19; Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., Nr. 4142 VV Rz. 16; Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., Nrn. 4142-4147 VV Rz. 18 f.). Entsprechendes gilt für den dinglichen Arrest nach § 111b Abs. 2, 5 StPO a.F. Bei diesem ist der Gegenstandswert ausgehend von dem zu sichernden Anspruch gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO zu schätzen (OLG Hamm, a.a.O.). Maßgebend ist dabei das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr der Arrestforderung, wobei die konkrete wirtschaftliche Situation in den Blick zu nehmen ist. Beträge, deren Durchsetzbarkeit nicht ernstlich in Betracht kommt und die deshalb eher fiktiven Charakter haben, bleiben unberücksichtigt. Nur soweit der zu sichernde Anspruch werthaltig ist und eine Befriedigung des Arrestgläubigers erwarten lässt, ist er im Rahmen der Gebühr nach Nr. 4142 RVG-VV a.F. der Bemessung des Gegenstandswerts zugrunde zu legen (vgl. OLG Köln, BeckRS 2007, 16796; BeckOK RVG/Knaudt, a.a.O.; s. auch BGH, Beschlüsse 14.12.2006 - 5 StR 119/05, NStZ 2007, 341; v. 24.3.2009 - 5 StR 225/06, BeckRS, 10085 zur Berücksichtigung der Durchsetzbarkeit/Werthaltigkeit einer Verfallsanordnung bei der Festsetzung des Gegenstandswerts; diese Frage offenlassend BGH, Beschl. v. 30.4.2014 - 1 StR 53/13, BeckRS 2014, 11495 Rz. 3; vom 7.10.2014 - 1 StR 166/07, BeckRS 2014, 19390; v. 24.2.2015 - 1 StR 245/09, BeckRS 2015, 05460 Rz. 7). Dies bedeutet, dass das für die Wertberechnung gem. § 2 Abs. 1 RVG maßgebliche Interesse des Betroffenen an der Abwehr des Arrests nicht weiter geht, als Vermögenswerte vorhanden sind, auf die im Wege der Arrestvollziehung zugegriffen werden kann. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem der Verteidiger - ggf. auch nur beratend - tätig wird (BeckOK RVG/Knaudt, a.a.O., Rz. 12, 12.2). Dabei können die in Vollziehung des Arrests erfolgten Pfändungen Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit eine durchsetzbare Verfallsanordnung in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2006, a.a.O.).

Rz. 21

c) Nach diesen Maßgaben kann im vorliegenden Fall keine den bereits von der Generalstaatsanwaltschaft berücksichtigten Gegenstandswert von 7.024,68 EUR übersteigende Wertbemessung zugrunde gelegt werden. Lediglich in diesem Umfang konnte der i.H.v. 10.835.791 EUR angeordnete dingliche Arrest vollzogen werden. In dem Beschwerdeschriftsatz vom 29.4.2010 hat der Verteidiger des Klägers u.a. auf die "Ärmlichkeit der Verhältnisse" seines Mandanten hingewiesen und dessen Vermögenslosigkeit geltend gemacht. Dementsprechend war das wirtschaftliche Interesse des Klägers ausschließlich darauf gerichtet, die Aufhebung der erfolgten Pfändungen zu erreichen. Würde man dagegen die Verfahrensgebühr - wie es die Revision geltend macht - auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 3.611.930,33 EUR berechnen, ergäbe sich ein zusätzlicher Vergütungsanspruch des Verteidigers, der mehr als das Doppelte des gepfändeten Vermögens des Mandanten ausmachte.

Rz. 22

Da die Generalstaatsanwalt und das Berufungsgericht die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4142 RVG-VV a.F. auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 7.024,68 EUR berechnet haben, kann dahinstehen, ob im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der Arrestanordnung ein Abschlag z.B. von zwei Dritteln gerechtfertigt wäre (s. dazu OLG Hamm, BeckRS 2008, 05574 und 77014; OLG München, BeckRS 2010, 21631 und OLG Stuttgart, BeckRS 2014, 17953 Rz. 14). Der Kläger ist durch einen unterbliebenen Abschlag nicht beschwert.

Rz. 23

4. Gegen die rechnerische Ermittlung der Anwaltsvergütung für das Arrestverfahren i.H.v. 566,44 EUR (Gegenstandswert: 7.024,68 EUR) und für das Entschädigungsverfahren i.H.v. 147,56 EUR (Gegenstandswert: 566,44 EUR) erhebt die Revision keine Einwendungen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 12475652

NJW 2018, 10

FA 2019, 62

JurBüro 2019, 75

JZ 2019, 73

Rpfleger 2019, 227

ZfS 2019, 165

AGS 2018, 558

NJW-Spezial 2019, 92

RVGreport 2019, 77

StRR 2019, 19

RVG prof. 2019, 46

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