Leitsatz (amtlich)

Zur Bemessung des Beschwerdewerts bei einer Verurteilung zur Räumung und Herausgabe eines Kleingartens.

 

Normenkette

ZPO §§ 8-9, 511 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Beschluss vom 26.05.2015; Aktenzeichen 2 S 9/15)

AG Dippoldiswalde (Urteil vom 06.01.2015; Aktenzeichen 1 C 557/14)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Dresden vom 26.5.2015 - 2 S 9/15 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Der Streitwert für die Rechtsbeschwerde beträgt 119,36 EUR.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Parteien streiten um den Fortbestand eines Pachtverhältnisses über einen Kleingarten. Mit ihrer Klage haben die Kläger - als Pächter - beantragt festzustellen, dass die vom beklagten Kleingartenverein unter dem 29.7.2014 ausgesprochene Kündigung das Pachtverhältnis nicht beendet habe. Der Beklagte hat hierauf Widerklage erhoben mit den Anträgen, die Kläger gesamtschuldnerisch zur Räumung und Herausgabe des Kleingartens (Widerklageantrag zu 1) sowie "insbesondere" zur Beseitigung von drei Koniferen, zwei Eiben, einer großen Birke, eines Nadelbaums, eines Ahornbaums und einer großen Zwergkiefer zu verurteilen, die sich auf dem Kleingartengrundstück befinden (Widerklageantrag zu 2). Das AG hat die Klage abgewiesen und die Kläger auf die Widerklage zur Räumung und Herausgabe des Kleingartens verurteilt; den Widerklageantrag auf Beseitigung der Bäume (Widerklageantrag zu 2) hat es mit der Begründung abgewiesen, dass dem Beklagten hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil sich die Beseitigungspflicht der Kläger bereits aus der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Kleingartengrundstücks (in Verbindung mit den Regelungen des Pachtvertrags) ergebe. Die Berufung hat das AG ausdrücklich nicht zugelassen.

Rz. 2

Die gegen das Urteil des AG eingelegte Berufung der Kläger hat das LG als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, dass der Wert des Beschwerdegegenstands gem. §§ 8, 9 ZPO lediglich 417,76 EUR (31/2-facher Betrag der jährlichen Pacht von 119,36 EUR) betrage und somit unterhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (600 EUR) liege.

Rz. 3

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 4

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Wert des Beschwerdegegenstands zutreffend mit 417,76 EUR ermittelt und die Berufung daher zu Recht wegen Unterschreitung der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen.

Rz. 5

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht für die Ermittlung des Beschwerdewerts auf §§ 8, 9 ZPO abgestellt und hiernach den dreieinhalbfachen Jahrespachtzins zugrunde gelegt.

Rz. 6

a) § 8 ZPO findet auch auf Kleingartenpachtverhältnisse im Sinne des Bundeskleingartengesetzes Anwendung (BGH, Urt. v. 17.3.2005 - III ZR 342/04, NJW-RR 2005, 867, 868; BGH v. 2.10.2007 - III ZB 47/07, NZM 2008, 461, 462 Rz. 6; v. 11.12.2008 - III ZB 53/08, NJW-RR 2009, 775 Rz. 8; v. 17.12.2009 - III ZR 66/09, NJOZ 2010, 1723 Rz. 9). Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses - wie hier - weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gem. § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden (Senat, Urt. v. 17.3.2005, a.a.O., S. 868 f.; Senatsbeschlüsse vom 2.10.2007, a.a.O., Rz. 7; vom 11.12.2008, a.a.O., und vom 17.12.2009, a.a.O., m.w.N.).

Rz. 7

b) § 8 ZPO erfasst neben Räumungsklagen auch Feststellungsklagen, wobei für diese kein Bewertungsabschlag vorzunehmen ist (s. dazu BGH, Beschl. v. 29.10.2008 - XII ZB 75/08, NJW-RR 2009, 156 f Rz. 7 ff. m.w.N.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 17.12.2009, a.a.O., Rz. 12).

Rz. 8

c) Der Wert der Beschwer der Kläger aus ihrer Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Kleingartens sowie aus der Abweisung ihrer Feststellungsklage sind nicht zu addieren, weil zwischen der Feststellungsklage und der Räumungswiderklage eine wirtschaftliche Identität besteht; es verbleibt daher insgesamt bei dem Wert des dreieinhalbfachen Jahrespachtzinses (s. dazu BGH, Urt. v. 28.9.1994 - XII ZR 50/94, NJW 1994, 3292 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 13.10.2004 - XII ZR 110/02, NJW-RR 2005, 224).

Rz. 9

2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind die voraussichtlichen Kosten für die Beseitigung der Bäume nicht hinzuzurechnen.

Rz. 10

a) Der Wert der Beschwer bemisst sich bei einer Verurteilung zur Räumung, die den (Wider-)Beklagten auch dazu verpflichtet, die von ihm angebrachten Einrichtungen und Anpflanzungen auf dem verpachteten Grundstück zu entfernen, allein nach § 8 ZPO. Der Kostenaufwand zur Erfüllung der Räumungspflicht ist nach dem Wortlaut des § 8 ZPO ohne Bedeutung; für die Anwendung von § 3 ZPO neben § 8 ZPO ist insoweit kein Raum (s. BGH v. 29.4.2004 - III ZB 72/03, BeckRS 2004, 04908; BGH, Beschl. v. 13.10.2004, a.a.O.; v. 16.3.2012 - LwZB 3/11, NJW-RR 2012, 1103, 1104 Rz. 10, jeweils m.w.N.; s. auch OLG Bremen, Beschl. v. 13.11.2012 - 5 U 18/12 (Lw), BeckRS 2013, 08957).

Rz. 11

b) Anders verhält es sich, wenn der (Wider-)Beklagte im Rahmen einer objektiven (Wider-)Klagehäufung (§ 260 ZPO) sowohl zur Herausgabe eines Grundstücks als auch zur Beseitigung von Bauwerken oder Einrichtungen ver-

Rz. 12

urteilt wird. In diesem Fall beruht die Verurteilung auf zwei Klageanträgen mit zwei verschiedenen Streitgegenständen. Hier erfolgt gem. § 5 ZPO eine Addition des nach § 8 ZPO zu bestimmenden Werts der Beschwer der Verurteilung zur Herausgabe und des nach § 3 ZPO (nach den dafür aufzuwendenden Kosten) zu bemessenden Werts der Beschwer für die Beseitigung (BGH, Beschl. v. 15.6.2005 - XII ZR 104/02, WuM 2005, 525 f und vom 16.3.2012, a.a.O., Rz. 11, 14; s. auch OLG Bremen, a.a.O.; KG, NJOZ 2013, 1260; OLG Rostock, Beschl. v. 2.6.2014 - 3 W 65/14, BeckRS 2014, 13191).

Rz. 13

c) Im vorliegenden Fall sind die Kläger indes nicht im Rahmen einer objektiven (Wider-)Klagehäufung neben der Herausgabe und Räumung des Kleingartens zur Beseitigung der Bäume verurteilt worden; vielmehr ist der auf die Beseitigung der Bäume gerichtete Widerklageantrag zu 2 vom AG abgewiesen worden. Soweit das AG in seinem Urteil die Auffassung vertreten hat, dass die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Kleingartens die Verpflichtung zur Beseitigung der Bäume einschließe, rechtfertigt dies keine Wertaddition nach §§ 3, 5 ZPO, weil eine etwaige Beseitigungsverpflichtung der Kläger hiernach nicht neben der Räumung und Herausgabe ausgesprochen worden, sondern Bestandteil der Räumung und Herausgabe wäre.

Rz. 14

3. Der Gebührenstreitwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens bemisst sich gem. §§ 41 Abs. 1 und 2, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nach dem einfachen Betrag des Jahrespachtzinses.

 

Fundstellen

Haufe-Index 8846508

NJW-RR 2016, 506

NZM 2016, 196

ZMR 2016, 11

ZMR 2016, 330

JZ 2016, 71

MDR 2016, 122

AGS 2016, 188

MK 2016, 49

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