Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Teilbetrieb

 

Orientierungssatz

Eine Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln.

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. März 1999 - 10 (8) Sa 588/98 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen im Wege eines Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.

Der Kläger war seit 1982 bei der S. & S. GmbH & Co. KG (fortan: Gemeinschuldnerin) als Dreher in der Armaturenvorfertigung zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 5.000,00 DM beschäftigt.

Bei der Gemeinschuldnerin handelte es sich um ein eingeführtes Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie, das sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Industriearmaturen befaßte. Zuletzt waren bei ihr ca. 220 Arbeitnehmer an ihrem Sitz in B. beschäftigt.

Der Betrieb der Gemeinschuldnerin war in mehrere Arbeitsbereiche gegliedert. Das waren ua. die Produktion, Vertrieb/Verkauf/Engineering und die Armaturengummierung sowie Forschung/Entwicklung und Konstruktion. Am Betriebssitz in B. verfügte die Gemeinschuldnerin ua. über ein Grundstück, Lagerhallen, Produktionshallen und Produktionsmaschinen zur Armaturenherstellung. Die Produktion führte sie nicht vollständig selbst durch. Vor- und Halbfertigprodukte aus der Gußvorproduktion bezog sie von Zulieferern, weil sie nicht selbst über eine Gießerei verfügte. Die beauftragten Gießereien erstellten anhand der von der Gemeinschuldnerin zur Verfügung gestellten Konstruktionsangaben die entsprechenden Gußmodelle.

Mit Beschluß vom 1. März 1997 eröffnete das Amtsgericht über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren und bestellte Rechtsanwalt P. zum Konkursverwalter. Dieser kündigte am 6. März 1997 allen Arbeitnehmern. Das Arbeitsgericht erachtete diese Kündigungen sowie die bereits zuvor am 27. Februar 1997 noch von der Gemeinschuldnerin gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats als unwirksam.

Der Konkursverwalter führte mit verschiedenen Interessenten Gespräche über den Verkauf des Betriebs und von Betriebsteilen der Gemeinschuldnerin. Dazu gehörten die in M. ansässige Beklagte, die frühere M. GmbH, die S + S A. GmbH E. (fortan: S + S GmbH), die damals noch als -Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH firmierte - und die H. GmbH.

Unter dem 14. März 1997 schlossen der Konkursverwalter und die Beklagte folgenden Kaufvertrag über nahezu das gesamte bewegliche Anlagevermögen der Gemeinschuldnerin:

"Präambel

...

Die Käuferin beabsichtigt, die mit diesem Vertrag erworbenen Gegenstände in ihren Betrieb in M. einzugliedern mit dem Ziel, die Auslastung der vorhandenen Produktionskapazitäten zu steigern und ihre Produktpalette zu ergänzen.

§ 1

Gegenstände des Sachanlagevermögens - Verkauf

(1) Der Verkäufer verkauft der Käuferin mit Wirkung zum Übergangsstichtag (§ 4) die sich aus der Anlage I zu diesem Vertrag ergebenden, von der Käuferin frei bestimmten Vermögensgegenstände, insbesondere Maschinen und Anlagen, einschließlich Vorrichtungen und Werkzeugen, sowie Modelle. Hierzu gehören auch die für den Betrieb der Anlagen erforderlichen Steuerungen und sonstigen elektronischen Datenträger und Programme.

(2) Verkäufer und Käuferin sind bekannt, daß die in der Anlage I aufgeführten Vermögensgegenstände der C. AG, Filiale R. und der D. AG, Niederlassung K., zur Sicherheit übereignet sind. Die Vertragsparteien werden die Zustimmung der vorgenannten Banken zur Übertragung dieser Vermögensgegenstände einholen.

§ 2

Gegenstände des Umlaufvermögens - Verkauf

(1) Der Verkäufer verkauft mit Wirkung vom Übergangsstichtag sämtliche am Übergangsstichtag im Betrieb der Gemeinschuldnerin vorhandenen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie alle unfertigen und fertigen Erzeugnisse und Leistungen. Der Bestand wird durch eine von den Vertragsparteien gemeinsam durchzuführende Inventur aufgenommen bzw. ermittelt.

(2) Die Vertragsparteien sind sich einig, daß alle Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, alle sonstigen Forderungen sowie sämtliche Kassen- und Bankguthaben der Gemeinschuldnerin nicht verkauft werden.

§ 3

Kaufpreis

(1) Der Kaufpreis für die gemäß § 1 verkauften Vermögensgegenstände beträgt DM 3.000.000,-- (i.W.: drei Millionen Deutsche Mark) zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Der Kaufpreis für die gemäß § 2 verkauften Vermögensgegenstände beträgt DM 200.000,-- (i.W.: zweihunderttausend Deutsche Mark) zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

(2) Der Netto-Kaufpreis in Höhe von insgesamt DM 3.200.000,-- steht den Banken zu und ist spätestens am 30.04.1997 zur Zahlung fällig.

...

§ 4

Übergangsstichtag

Übergangsstichtag im Sinne dieses Vertrages ist der 17. März 1997, 0.00 Uhr.

§ 5

Dinglicher Vollzug

Verkäufer und Käuferin sind darüber einig, daß das Eigentum an den verkauften Gegenständen am Übergangsstichtag, frühestens jedoch mit Zahlung des Kaufpreises, an die Käuferin übergeht. Soweit beim Verkäufer nur Anwartschaftsrechte auf Eigentumserwerb bzw. -rückerwerb begründet sind, werden diese Rechte mit gleicher Zahlungsregelung mit Wirkung zum Übergangsstichtag abgetreten.

Spätestens am Übergangsstichtag wird ihr der unmittelbare oder mittelbare Besitz eingeräumt.

...

§ 10

Zustimmungsvorbehalt

Dieser Kaufvertrag wird wirksam, wenn der Gläubigerausschuß der Gemeinschuldnerin ihm zugestimmt hat.

§ 11

Auflösende Bedingung

Dieser Vertrag steht unter der auflösenden Bedingung der Nicht-Vorlage einer Finanzierungszusage an die Käuferin über insgesamt DM 3.200.000,-- (i.W.: drei Millionen zweihunderttausend) durch die C. AG und/oder die D. AG."

Mit einem weiteren Vertrag vom 14. März 1997 veräußerte der Konkursverwalter das immaterielle Vermögen der Gemeinschuldnerin an die -Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH, damals noch mit Sitz in M.

Dazu heißt es in dem Vertrag:

"§ 1

Immaterielle Vermögensgegenstände - Verkauf

Der Verkäufer verkauft mit Wirkung zum Übergangsstichtag (§ 4) alle dem Handel, dem Vertrieb und dem Engeneering dienenden immateriellen Vermögensgegenstände, gewerblichen Schutzrechte, insbesondere die in Anlage I aufgeführten Patente, Warenzeichen und Gebrauchsmuster, sowie den Kundenstamm.

Hierzu gehören auch alle Erfindungen, Know-How, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Verfahren, Formeln und sonstigen immateriellen Gegenstände, die nicht von gewerblichen Schutzrechten umfaßt werden, sowie sämtliche Verkörperungen solcher Gegenstände wie schriftliche Beschreibungen, Muster, Zeichnungen, Pläne etc., auch soweit sie auf elektronischen Datenträgern erfaßt sind.

Zum Vertragsgegenstand gehört die Übertragung der Rechte zur Nutzung der Firmenbezeichnung "S. & S.''."

Der Konkursverwalter ließ bis Mitte April 1997 die laufenden Aufträge mit einer verringerten Belegschaft, darunter auch dem Kläger, abarbeiten. Neue Aufträge nahm der Konkursverwalter nicht an.

Ab dem 18. April 1997 bis Mitte Juni 1997 wurden die in § 2 des zwischen dem Konkursverwalter und der Beklagten geschlossenen Kaufvertrages genannten Gegenstände des Umlaufvermögens mit ca. 74 LKW-Ladungen von B. nach M. transportiert. Die Maschinen der Gemeinschuldnerin wurden überwiegend nicht nach M. transportiert. Ob und gegebenenfalls welche einzelnen Maschinen sowie weiteren Betriebsmittel, wie Vorrichtungen, Werkzeuge, Modelle und Formen nach M. transportiert worden sind und dort von der Beklagten genutzt werden, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 20. April 1997 nahm zunächst die Firma H. GmbH, später die F. H. GmbH, in den Räumen der Gemeinschuldnerin die früher von dieser dort betriebene Armaturengummierung auf.

Die Beklagte stellt in M. im Auftrag der S + S GmbH Armaturen her, die vormals von der Gemeinschuldnerin produziert wurden. Wie die Gemeinschuldnerin verfügt sie nicht über eine eigene Gießerei und läßt deshalb die Teile der Gußvorproduktion ebenfalls anderweitig herstellen, wobei zwischen den Parteien streitig ist, in welchem Umfang die Vorproduzenten identisch sind. Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin werden von der Beklagten nicht beschäftigt.

Mit Schreiben vom 23. Juni 1997 machte der Kläger gegenüber der Beklagten den Übergang seines Arbeitsverhältnisses geltend.

Nachdem die Finanzierung der Übernahme des Anlagevermögens durch die Beklagte gescheitert war, schloß der Konkursverwalter mit der Beklagten am 18. Juli 1997 folgende Vereinbarung:

"1. Die Parteien haben am 14.03.1997 einen Kaufvertrag über Gegenstände des Sachanlage- und Umlaufvermögens der Firma S. & S. GmbH & Co. KG in B. getroffen.

Zwischen den Parteien ist Streit darüber entstanden, ob die in § 11 des Kaufvertrages vom 14.03.1997 enthaltene Bedingung eingetreten ist und ob deshalb der Kaufvertrag wirksam geworden ist oder nicht. ...

2. Der Verkäufer hat inzwischen einen anderen Käufer für das Sachanlagevermögen gefunden und mit diesem einen Kaufvertrag abgeschlossen. Im Hinblick hierauf stellen Verkäufer und Käuferin einvernehmlich fest, daß die Bedingung nicht eingetreten und der Kaufvertrag vom 14.03.1997 nicht wirksam geworden ist. Hilfsweise wird der Kaufvertrag hiermit ausdrücklich aufgehoben.

3. Soweit der Kaufvertrag vom 14.03.1997 von beiden Seiten in einigen Teilen bereits erfüllt worden ist, schließen die Parteien folgenden neuen Kaufvertrag:

Der Verkäufer verkauft der Käuferin sämtliche am 17.03.1997 im Betrieb der Gemeinschuldnerin vorhandenen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie alle unfertigen und fertigen Erzeugnisse und Leistungen (Umlaufvermögen); die Verkäuferin überträgt der Käuferin das Eigentum an den verkauften Gegenständen. Der Kaufpreis beträgt 200.000,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer und ist von der Käuferin bereits gezahlt."

Dem in dem vorgenannten Vertrag genannten anderweitigen Verkauf liegt der Kaufvertrag zwischen dem Konkursverwalter und der S. GmbH mit Sitz in R. vom 21. Juli 1997 zugrunde. Dieser lautet auszugsweise:

"§ 1

Kaufgegenstand

(1) Der Verkäufer verkauft der Käuferin mit Wirkung zum Übergangsstichtag (§ 3) die sich aus der Anlage I zu diesem Vertrag ergebenden Maschinen und Anlagen einschließlich Vorrichtungen und Werkzeugen sowie Modelle. Hierzu gehören auch die für den Betrieb der Anlagen erforderlichen Steuerungen und sonstigen elektronischen Datenträger und Programme.

...

§ 2

Kaufpreis

(1) Der Kaufpreis für die gemäß § 1 verkauften Maschinen und Anlagen beträgt 3.000.000,00 (in Worten: dreimillionen Deutsche Mark) zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer."

Mit der am 12. November 1997 bei dem Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat der Kläger das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien und im Falle des Obsiegens die Weiterbeschäftigung sowie die Zahlung von Annahmeverzugslohn begehrt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es liege jedenfalls ein Teilbetriebsübergang auf die Beklagte vor. Dazu hat er vorgetragen, das Unternehmen der Gemeinschuldnerin sei in drei Bereiche zerlegt worden, nämlich Produktion, Vertrieb/Verkauf/ Engineering und Armaturengummierung. Insoweit lägen jeweils Teilbetriebsübergänge auf die Übernehmer, dh. die Beklagte, die S + S GmbH und die H. GmbH, späterhin die F. H. GmbH, vor. Diese drei Erwerberfirmen führten im wesentlichen den früheren Betrieb der Gemeinschuldnerin fort. Es komme nicht darauf an, daß die Beklagte nicht die Maschinen der Gemeinschuldnerin nutze. Maßgeblich sei, daß sie die früheren S + S - Armaturen der Gemeinschuldnerin, bei denen es sich um Spezialprodukte handele, nunmehr im alleinigen Auftrage der S + S GmbH herstelle. Für diese bestünden Patente und Gebrauchsmuster, die nunmehr allein der S + S GmbH zustünden. Die für die Herstellung dieser S + S - Armaturen in dem Arbeitsbereich "Bohren, Fräsen, Drehen" allein produktionswesentlichen Vorrichtungen, Werkzeuge, Modelle und Formen seien von der Beklagten übernommen worden und würden von ihr auch zur Herstellung der S + S - Armaturen genutzt.

Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, beantragt

festzustellen, daß zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 17. März 1997 ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, ein Teilbetriebsübergang von der Gemeinschuldnerin auf sie liege nicht vor. Dazu hat sie vorgetragen, sie habe lediglich das Umlaufvermögen der Gemeinschuldnerin entsprechend § 2 des Vertrages vom 14. März 1997 übernommen. Entgegen der Behauptung des Klägers setze sie nicht die Armaturenproduktion der Gemeinschuldnerin fort, sondern habe vorher schon eine eigene Produktion gehabt. Neu sei lediglich, daß sie zusätzliche Produkte, nämlich S + S - Armaturen herstelle, die S + S GmbH bei ihr in Auftrag gebe. Dabei handele es sich aber nicht um die gesamte Produktpalette der Gemeinschuldnerin. Für die Herstellung der Armaturen benötige und verwende sie die genannten Vorrichtungen und Modelle der Gemeinschuldnerin nicht. Sie habe schon vor dem 1. Oktober 1996 über einen modernen Maschinenpark verfügt und im wesentlichen moderne CNC-gesteuerte Mehrfunktionsmaschinen in den Arbeitsbereichen "Bohren, Fräsen, Drehen'' eingesetzt. Die von dem Kläger benannten Vorrichtungen, Schablonen etc. könne sie nicht einsetzen, weil die Arbeitsvorgänge bei den CNC-Maschinen über eine Computerprogrammierung erfolgten. Die Vorrichtungen seien demgegenüber nur für die veralteten konventionellen Maschinen der Gemeinschuldnerin zu gebrauchen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat einen Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte zutreffend verneint.

A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Ein Betriebsteil "Armaturenfertigung'' sei nicht auf die Beklagte übergegangen. Vielmehr liege eine (Teil-)Betriebsstillegung vor. Der Konkursverwalter habe lediglich eine Herauslösung der Produktionsmittel aus dem Produktionsstandort beabsichtigt, nachdem sich abgezeichnet habe, daß für eine Übernahme der Gesamtfertigung am Standort kein Interessent zu finden sei. Mit dem bloßen Besitz von Produktionsmitteln zur Weiterverarbeitung bestimmter Erzeugnisse werde demgegenüber kein Produktionsbetrieb gegründet. Die Beklagte habe keine bestehende Organisationsstruktur übernommen. Insbesondere habe der Kläger nicht ausreichend vorgetragen, daß mit der behaupteten Übernahme der als wichtig bezeichneten Maschinen und des Zubehörs die Fortsetzung der Produktion in unveränderter Form möglich gewesen sei.

B. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung stand. Es liegt kein Teilbetriebsübergang vor.

I. Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder des Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an EuGH 11. März 1997 - Rs C-13/95 - EuGHE I 1997, 1259 (Ayse Süzen ./. Zehnacker Gebäudereinigung) zu Rn. 14; zuletzt EuGH 10. Dezember 1998 - verb. Rs C-173/96 und C-247/96 - EuGHE I 1998, 8237, zu Rn. 30 - 32 (Hidalgo); vgl. nur Senat 22. Mai 1997 - 8 AZR 101/96 - BAGE 86, 20, 28, zu B II 2 b bb der Gründe; 11. Dezember 1997 - 8 AZR 426/94 - BAGE 87, 296, 299, zu B I der Gründe; 22. Januar 1998 - 8 AZR 775/96 - AP BGB § 613 a Nr. 174 = EzA BGB § 613 a Nr. 162; 18. März 1999 - 8 AZR 159/98 - AP BGB § 613 a Nr. 189 = EzA BGB § 613 a Nr. 177, zu II 1 der Gründe; zuletzt 26. August 1999 - 8 AZR 718/98 - AP BGB § 613 a Nr. 196 = EzA BGB § 613 a Nr. 185, zu B I der Gründe).

In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung von deren Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar. Es hängt von der Struktur eines Betriebes oder Betriebsteils ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muß, um von der Übernahme einer bestehenden Arbeitsorganisation ausgehen zu können. Haben die Arbeitnehmer einen geringen Qualifikationsgrad, muß eine hohe Anzahl von ihnen beschäftigt werden, um auf einen Fortbestand der vom Konkurrenten geschaffenen Arbeitsorganisation schließen zu können. Ist ein Betrieb stärker durch das Spezialwissen und die Qualifikation der Arbeitnehmer geprägt, kann neben anderen Kriterien ausreichen, daß wegen ihrer Sachkunde wesentliche Teile der Belegschaft übernommen werden (Senat 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - BAGE 87, 303, zu B I 2 b der Gründe).

Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gleich. Auch bei dem Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, daß die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt. Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebes. Bei übertragenen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln muß es sich um eine organisatorische Untergliederung handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. § 613 a BGB setzt für den Teilbetriebsübergang voraus, daß die übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten. Es reicht nicht aus, wenn der Erwerber mit einzelnen bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln erst einen Betrieb oder Betriebsteil gründet (Senatsurteile 24. April 1997 - 8 AZR 848/94 - nv., zu II 2 b aa der Gründe; 11. September 1997 - 8 AZR 555/95 - BAGE 86, 271, 277 ff., zu B 3 b der Gründe; 13. November 1997 - 8 AZR 52/96 - nv., zu B I 2 a der Gründe; 11. Dezember 1997 - 8 AZR 729/96 - BAGE 87, 303, 305 ff., zu B I 2 a der Gründe; 26. August 1999 aaO, zu B I der Gründe).

II. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann im Streitfall kein Teilbetriebsübergang angenommen werden. Die Beklagte hat von der Gemeinschuldnerin nur einzelne Betriebsmittel und keinen organisierten Betriebsteil unter Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit übernommen. In der Fortführung der Armaturenproduktion im Auftrag der S + S GmbH liegt lediglich eine begrenzte Funktionsnachfolge.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Teilbetriebsübergang nicht schon deshalb zu verneinen ist, weil es sich bei der "Armaturenproduktion mit Ausnahme der Armaturengummierung" oder bei der "Armaturenvorfertigung" nicht um übertragungsfähige Betriebsteile der Gemeinschuldnerin handelte. Es ist zweifelhaft, ob diese Arbeitsbereiche überhaupt eine das Merkmal "Betriebsteil" rechtfertigende organisatorische Selbständigkeit bei der Gemeinschuldnerin besaßen.

2. Die Annahme eines Teilbetriebsübergangs scheitert jedenfalls daran, daß die Beklagte bei der Fortführung der Armaturenproduktion für die S + S GmbH in M. nicht die Identität der wirtschaftlichen Einheit "Armaturenproduktion" oder "Armaturenvorfertigung" gewahrt hat. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Gesamtwürdigung zur Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist nicht zu beanstanden.

a) Ob die Identität der Einheit gewahrt worden ist, hängt bei einem Produktionsbetrieb von einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller bezeichneten Umstände ab. Im Vordergrund stehen die materiellen, immateriellen und personellen Mittel sowie die organisatorischen Konzepte, die dem Zweck der Durchführung der geschuldeten Aufgaben in besonderer Weise dienen und für seine Fortführung von wesentlicher Bedeutung sind. Ohne eine im wesentlichen unveränderte Fortführung der wirtschaftlichen Betätigung im Betrieb kann von einem Erhalt der wirtschaftlichen Einheit regelmäßig keine Rede sein. Das Substrat eines Produktionsbetriebs ist gerade durch die Räume, Maschinen und sonstigen Einrichtungsgegenstände geprägt (Senat 10. Dezember 1998 - 8 AZR 43/98 - nv., zu II 2 b der Gründe; vgl. auch BAG 22. September 1994 - 2 AZR 54/94 - AP BGB § 613 a Nr. 117 = EzA BGB § 613 a Nr. 121, zu II 2 der Gründe). Bei Produktionsbetrieben müssen danach so viele Produktionsmittel übergehen, daß eine sinnvolle Fortführung der Produktion möglich ist (BAG 19. Januar 1988 - 3 AZR 263/86 - BAGE 57, 198, 201, zu I 1 a der Gründe). Das sind regelmäßig die Produktionswerkzeuge und sonstigen Einrichtungsgegenstände, normalerweise auch die Schutzrechte, Konstruktionszeichnungen für die produzierten Güter etc. Das Materiallager ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung, wenn die benötigten Rohstoffe jederzeit auf dem freien Markt zu beschaffen sind (BAG 22. September 1994 aaO). Führt danach ein anderer Unternehmer einen erheblich eingeschränkten und grundlegend anders organisierten Betrieb mit den sächlichen Betriebsmitteln eines früheren Betriebsinhabers, so liegt nicht ohne weiteres ein Betriebsübergang in Verbindung mit einer Änderung des Betriebs durch den zweiten Unternehmer vor. Vielmehr ist die von vornherein auf Dauer eingeschränkte und anders organisierte Betriebstätigkeit auch bei der Prüfung des Übergangs eines Produktionsbetriebes zu würdigen (vgl. Senat 11. September 1997 - 8 AZR 555/95 - BAGE 86, 271, 274 ff., zu B 2 der Gründe; 18. März 1999 - 8 AZR 159/98 - AP BGB § 613 a Nr. 189 = EzA BGB § 613 a Nr. 177, zu II 3, 4 der Gründe; 23. September 1999 - 8 AZR 750/98 - nv., zu 2 der Gründe mwN).

b) Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte nicht die wesentlichen Produktionsmittel auf Grund des Vertrages vom 14. März 1997 übernommen. Die von dem Kläger geltend gemachte Nutzungsmöglichkeit genügt hierzu nicht.

Der Betriebsübergang tritt erst mit dem Wechsel in der Person des Inhabers ein. Der bisherige Inhaber muß seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es daneben nicht. Allerdings tritt kein Wechsel der Inhaberschaft ein, wenn der neue "Inhaber'' den Betrieb gar nicht führt (Senat 12. November 1998 - 8 AZR 282/97 - BAGE 90, 163, zu B I 2 der Gründe). Die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung des Betriebes genügt für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht. Vielmehr bedarf es der Übernahme einer wirtschaftlichen Einheit nach den unter I genannten Merkmalen. Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche im wesentlichen unveränderte Weiterführung. Auf die bloße Möglichkeit der unveränderten Fortführung kommt es nicht an (vgl. Senat 18. März 1999 aaO, zu II 3, 4 der Gründe).

Danach genügte es nicht, daß die Beklagte mit dem Vertrag vom 14. März 1997 ab dem 17. März 1997 die Nutzungsmöglichkeit an dem nahezu gesamten Anlagevermögen der Gemeinschuldnerin erwerben sollte. Es kommt auch nicht darauf an, ob dieser Vertrag unter einer auflösenden Bedingung stand und diese eingetreten ist. Die Beklagte hat die materiellen Betriebsmittel zur Armaturenproduktion selbst nach der Behauptung des Klägers nur zu einem geringen Teil in Besitz genommen und zu diesem Betriebszweck eingesetzt. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob insbesondere die Produktionsmaschinen und das übrige Anlagevermögen vollumfänglich oder, wie der Kläger behauptet, nur teilweise entsprechend dem Vertrag vom 21. Juli 1997 von der S. GmbH übernommen worden sind. Der Kläger sieht den Übergang der wirtschaftlichen Einheit schon in der Auswahlmöglichkeit zwischen den zur Nutzung zur Verfügung stehenden Maschinen. Das ist aber nicht das Fortführen einer wirtschaftlichen Einheit. Zur Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel muß noch die Ausübung der vorangegangenen wirtschaftlichen Tätigkeit hiermit kommen. Daran fehlt es jedoch. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, daß nach der Präambel des Vertrages vom 14. März 1997 entgegen dem Vortrag der Beklagten eine Eingliederung in den Betrieb in M. beabsichtigt war. Die bloße Absicht führt noch nicht zur tatsächlichen Übernahme eines Betriebs oder Betriebsteils.

c) Des weiteren hat die Beklagte keine Grundstücke, keine Betriebsräume und keine der Produktionshallen übernommen. Vielmehr wird die Beklagte an dem mehrere hundert Kilometer von B. entfernten Standort M. tätig. Diese erhebliche räumliche Entfernung ist von solchem Gewicht, daß allein aus diesem Grunde bereits die Wahrung der Identität bezweifelt werden kann (Senat 13. November 1997 - 8 AZR 435/95 - nv., zu II 2 c der Gründe iV; vgl. auch BAG 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - AP BGB § 613 a Nr. 67 = EzA BGB § 613 a Nr. 64 und 20. April 1989 - 2 AZR 431/88 - BAGE 61, 369).

d) Schließlich hat die Beklagte auch kein Personal von der Gemeinschuldnerin übernommen. Zwar ist die Armaturenfertigung keine Branche, bei der es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt. Doch kann auch bei einem Produktionsbetrieb die Übernahme einer Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, als Kriterium des Betriebsübergangs herangezogen werden (Senat 10. Dezember 1998 - 8 AZR 765/97 - nv., zu II 2 b der Gründe).

e) Angesichts der erheblichen Entfernung zwischen B. und M. könnte von einer Identität der wirtschaftlichen Einheit nur dann gesprochen werden, wenn die Beklagte in ihrem Betrieb in M. die Armaturenfertigung für die S + S GmbH unter Übernahme der Arbeitsorganisation der Gemeinschuldnerin mit Übernahme eines eingearbeiteten Teams und der Produktionsmaschinen der Gemeinschuldnerin fortgesetzt hätte. Dies ist unstreitig nicht der Fall gewesen.

3. Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob der Betrieb oder Betriebsteile der Gemeinschuldnerin in B. stillgelegt wurden. Die von der Revision gegen die vom Landesarbeitsgericht angenommene Stillegung erhobenen Rügen sind daher unbeachtlich.

C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Ascheid Dr. Wittek Mikosch

Dr. Scholz Hickler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI611088

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