Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang bei EDV-Dienstleistungen

 

Normenkette

BGB § 613a; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 25.07.1994; Aktenzeichen 5 Sa 856/94)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 15.03.1994; Aktenzeichen 5 Ca 8638/93)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. Juli 1994 – 5 Sa 856/94 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war seit 1977 als Systemprogrammierer mit einem Bruttojahreseinkommen von zuletzt 128.000,00 DM bei der Beklagten tätig. Die Beklagte, die insgesamt 11 Arbeitnehmer beschäftigte, erbrachte Dienstleistungen im EDV-Bereich, und zwar zu ca. 73 % für Unternehmen, die als Kommanditisten an der Beklagten beteiligt waren. Hierbei handelte es sich um folgende Firmen:

  • …-Pumpenfabrik H. GmbH & Co. KG, D.,
  • … H. GmbH & Co. KG, E.,
  • . L., D.,
  • Maschinen- und Apparatebau G. GmbH & Co. KG, E.,
  • … M. GmbH & Co. KG, Düsseldorf.

Die Gesellschafter der Beklagten faßten am 9. November 1993 den Beschluß, den Betrieb der Gesellschaft mit Ablauf des 31. Dezember 1994 einzustellen. In der Folgezeit kündigten die Kommanditisten ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten oder stellten dies in Aussicht. Die danach alleinige Gesellschafterin der Beklagten wurde zum 1. Januar 1995 liquidiert. Die Beklagte kündigte am 7. Dezember 1993 bestehende Geschäftsverbindungen und den Mietvertrag über die Geschäftsräume mit Schreiben vom 30. Dezember 1993 zum 31. Dezember 1994.

Mit Schreiben vom 22. November 1993 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Hinweis auf die Betriebseinstellung fristgemäß zum 31. Dezember 1994. Auch sämtliche anderen Arbeitsverhältnisse wurden zu diesem Termin gekündigt.

Mit seiner am 2. Dezember 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Einstellung der Geschäftstätigkeit der Beklagten zum 31. Dezember 1994 zunächst nicht bestritten. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam, weil ein Betriebsübergang anzunehmen sei. Die Kommanditisten müßten auch nach dem 31. Dezember 1994 ihren Bedarf an EDV-Dienstleistungen decken. Dann sei es jedoch zwingend notwendig, die bei der Beklagten vorhandene Software nebst Dateien, also die wesentlichen Betriebsmittel, durch Rechtsgeschäft auf einen Dritten zu übertragen, damit der Betriebs zweck der Kommanditisten nicht gefährdet und ihre Datenverarbeitung weiter betrieben werde. Zweitinstanzlich hat der Kläger ergänzend behauptet, alle vorhandenen Programme und Dateien würden auf die EDV-Dienstleistungsabteilung der Firma B. und auf die Firma G. übertragen. Diese Firmen würden dadurch in die Lage versetzt, die bisherigen Dienstleistungen der Beklagten nahtlos fortzuführen. Hieraus folge, daß der Arbeitsplatz des Klägers im wesentlichen erhalten bleibe.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 22. November 1993 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31. Dezember 1994 beenden werde.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und bestritten, daß einzelne Betriebsteile oder wesentliche Betriebsmittel durch Rechtsgeschäft übertragen würden. Die Kommanditisten würden ihren Bedarf an EDV-Dienstleistungen durch Aufträge an andere Anbieter decken oder eigenständige Lösungen entwickeln. Deshalb bleibe es bei dem endgültigen und ersatzlosen Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers zum 31. Dezember 1994. Keinesfalls würden sämtliche Softwareprogramme an Dritte übertragen. Einige der bisherigen Gesellschafter und Kunden gingen vielmehr dazu über, Datenverarbeitung und -verwaltung zukünftig mit neuen Softwareprogrammen anderer Anbieter zu betreiben. Die ihnen zur Verfügung gestellten Dateien stellten im übrigen kein wesentliches Betriebsmittel der Beklagten dar, sondern seien das Arbeitsergebnis ihrer Tätigkeit für die Kunden. Soweit die D.-Pumpenfabrik künftig die Firma B. mit der Datenverarbeitung beauftragen werde, übernehme diese keinerlei Softwareprogramme der Beklagten. In welcher Weise die Firma G. tätig werde, stehe nicht fest.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis werde fristgemäß zum 31. Dezember 1994 beendet, weil die Kündigung durch die Betriebsstillegung und damit durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 KSchG bedingt sei. Nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers liege kein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB vor. Weder die Firma B. noch die Firma G. würden wesentliche Betriebsmittel von der Beklagten durch Rechtsgeschäft erhalten. Da kein Eintritt in Lieferungs- und Abnahmeverträge mit den Kommanditisten und Kunden der Beklagten und kein Erwerb von Schutzrechten, Geschäftspapieren oder Kundenlisten erfolge, komme eine Übernahme der betrieblichen Leitungs- und Organisationsgewalt des gesamten Betriebs nicht in Betracht. Die Übernahme von Dateien und Programmen stelle auch nicht einen Übergang eines Teilbetriebs dar. Die vom Kläger ausgeführte Systemprogrammierung sei kein arbeitstechnischer Teilzweck. Die Dateien unterstünden als Arbeitsergebnisse der Beklagten der Verfügungsgewalt der Kunden und seien daher nicht Betriebsmittel der Beklagten. Die vom Kläger erarbeiteten Programme und Systeme ließen sich zwar seinem Arbeitsplatz zuordnen; allein mit ihnen könne aber nicht gearbeitet, der bisherige Betriebszweck nicht weiter verfolgt und die betriebliche Leitungs- und Organisationsgewalt nicht ausgeübt werden. Ohne neue Dienstleistungsverträge der Kunden der Beklagten z.B. mit der Firma G. sei es unmöglich, die Programme wieder zur Anwendung zu bringen. Ebenso scheide ein Betriebsübergang im Sinne einer Funktionsnachfolge aus. Eine gleichartige Geschäftstätigkeit liege künftig nicht mehr vor; denn nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten sei keineswegs klar, ob die Firma G. überhaupt und ggf. in welchem Umfang sie für die Altkunden tätig werde.

II. Diese Ausführungen sind jedenfalls im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Beklagte habe die Voraussetzungen einer Kündigung wegen geplanter Betriebsstillegung schlüssig dargelegt (vgl. hierzu nur BAG Urteil vom 9. Februar 1994 – 2 AZR 666/93 – AP Nr. 105 zu § 613 a BGB, zu II 2 b bis d der Gründe). Dagegen wendet sich die Revision auch nicht. Der Kläger hat die entsprechenden Tatsachenbehauptungen der Beklagten nicht bestritten, wie das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend festgestellt hat (§ 561 ZPO). Er stellt die Betriebsstillegung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des § 613 a BGB in Abrede. Die Kündigung vom 22. November 1993 ist daher weder nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt noch nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam, wenn der vom Kläger behauptete Betriebsübergang nicht vorliegt.

2. Der Sachvortrag des Klägers rechtfertigt nicht die Annahme des Übergangs des Betriebs oder eines Betriebsteils. Der Vortrag ist unschlüssig.

a) Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers liegt ersichtlich kein Übergang des gesamten Betriebs der Beklagten vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß eine Übernahme der gesamten organisatorischen Einheit oder der wesentlichen Betriebsmittel durch einen Erwerber weder stattgefunden hat noch vorgesehen war.

b) Der Übergang eines übertragungsfähigen Betriebsteils kann ebenfalls nicht angenommen werden.

aa) Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebes. Bei übertragenen sächlichen und/oder immateriellen Betriebsmitteln muß es sich um eine organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebs handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich hierbei nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. § 613 a BGB setzt für einen Teilbetriebsübergang voraus, daß die übernommenen Betriebsmittel bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten; es reicht nicht aus, wenn der Erwerber mit einzelnen, bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln erst einen Betrieb oder Betriebsteil gründet (vgl. BAG Urteil vom 9. Februar 1994, a.a.O., zu II 3 a, d der Gründe, m.w.N.).

bb) Nichts anderes gilt in Ansehung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen. Wie der EuGH im Urteil vom 11. März 1997 (– Rs. C-13/95NZA 1997, 433 f.) ausgeführt hat, setzt die Anwendung der Richtlinie voraus, daß es um den Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit geht, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff Einheit bezieht sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden. Allein der Umstand, daß die von dem alten und dem neuen Auftragnehmer erbrachten Dienstleistungen ähnlich sind, erlaubt nicht den Schluß, daß der Übergang einer wirtschaftlichen Einheit vorliege. Eine Einheit darf nämlich nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (EuGH, a.a.O., Tz 13 bis 15, m.w.N.; zustimmend Heinze, Der Betrieb, 1997, 677 f.).

cc) Nach diesen Grundsätzen ergibt sich kein Teilbetriebsübergang, soweit der Kläger vorgetragen hat, die Kommanditisten müßten auch nach dem 31. Dezember 1994 ihren Bedarf an EDV-Dienstleistungen decken, verschiedene Firmen würden die bisherigen Tätigkeiten der Beklagten nahtlos fortführen. Denn der Übergang einer organisatorischen Untergliederung des Gesamtbetriebs oder einer wirtschaftlichen Einheit ist nicht ersichtlich. Wie das Landesarbeitsgericht unangefochten ausgeführt hat, erstreckte sich die gesamte Tätigkeit der Beklagten, in die der Kläger eingebunden war, auf die umfassende Betreuung ihrer Kunden im EDV-Bereich. Hierzu hatte der Kläger als alleiniger Systemprogrammierer bei der Beklagten in einer Art Querschnittsfunktion Systeme und Programme zu entwerfen, die von Anwendungsprogrammierern weiterverfolgt und weiterverarbeitet wurden. Ein Übergangs fähiger Betriebsteil, dem der Kläger zugeordnet werden könnte, kann deshalb allenfalls in der „Systemprogrammierung” liegen. Insofern hat der Kläger jedoch weder dargelegt, daß die „Systemprogrammierung” als Teilbetrieb organisiert war, noch daß gerade dieser Betriebsteil übertragen wurde oder übertragen werden sollte. Daraus folgt, daß der Kläger auch den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität nicht dargelegt hat. Seinem Vorbringen läßt sich nicht entnehmen, seine Tätigkeit habe eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen mit eigener Zielsetzung gebildet. Erst recht fehlt es an der Bewahrung einer wirtschaftlichen Einheit „Systemprogrammierung”. Ließe sich der Kläger gleichwohl eindeutig einzelnen Aufträgen von Kommanditisten und anderen Kunden zuordnen, so würde sich am Ergebnis nichts ändern; denn der einzelne Auftrag kann mangels jeglicher organisatorischer Eigenständigkeit für sich genommen weder als Betriebsteil noch als wirtschaftliche Einheit angesehen werden.

dd) Ein Teilbetriebsübergang liegt auch dann nicht vor, wenn zusätzlich Programme (Software) und Dateien durch Rechtsgeschäft auf die nachfolgenden Auftragnehmer übertragen worden sind oder übertragen werden sollten. Die Verknüpfung eines Auftrags zur Datenverarbeitung mit einem entsprechenden EDV-Programm und mit den zu verarbeitenden Daten macht den Auftrag nicht zu einem organisatorisch abgegrenzten Betriebsteil. Denn die Arbeitnehmer, insbesondere der Kläger, arbeiten an verschiedenen Aufträgen mit unterschiedlichen Anteilen und nach Maßstäben, die für eine Vielzahl von Aufträgen gelten; die Organisation des Betriebs erfolgte „auftragsübergreifend”. Damit sind auch Programme und Dateien für einzelne Aufträge nicht wesentliche Mittel zur Erreichung eines Teilbetriebs zwecks. Ebenso ergibt die erforderliche Gesamtbewertung, daß keine wirtschaftliche Einheit mit eigener Zielsetzung vorliegt.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, R. Iskra, Umfug

 

Fundstellen

Haufe-Index 1092966

NZA 1998, 253

RDV 1998, 174

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