Entscheidungsstichwort (Thema)

Trennungsentschädigung an ausländische Arbeitnehmer der Deutschen Bundespost

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die von der Deutschen Bundespost ihren ausländischen Arbeitnehmern gewährte Trennungsentschädigung entfällt mit der Begründung eines gemeinsamen inländischen Familienwohnsitzes am Dienstort (Fortführung von BAG vom 7.9.1982 3 AZR 5/80 = BAGE 40, 126 = AP Nr 1 zu § 3 TV Arb Bundespost).

2. Verlegt der ausländische Arbeitnehmer seinen Familienwohnsitz wieder in seinen ausländischen Heimatort, lebt der frühere Anspruch auf Trennungsentschädigung nicht wieder auf. Die Rückverlegung des Familienwohnsitzes löst auch keinen neuen Anspruch auf Trennungsentschädigung aus.

3. Eine betriebliche Übung, aufgrund derer der ausländische Arbeitnehmer nach erneuter Trennung von seiner Familie infolge Rückverlegung des Familienwohnsitzes zu seinem Heimatort einen Anspruch auf Trennungsentschädigung erlangt haben könnte, besteht bei der Deutschen Bundespost nicht.

 

Orientierungssatz

Auslegung des § 3 Abs 2 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost.

 

Normenkette

TVG § 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 14.05.1986; Aktenzeichen 8 Sa 879/85)

ArbG München (Entscheidung vom 09.07.1985; Aktenzeichen 21 Ca 15920/84)

ArbG München (Entscheidung vom 09.07.1985; Aktenzeichen 21 Ca 15909/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger einen Anspruch auf Trennungsentschädigung haben.

Die Kläger sind italienische Staatsangehörige und bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt, und zwar der Kläger zu 1) seit spätestens 2. November 1962 und der Kläger zu 2) seit dem 17. April 1969. Auf ihre Arbeitsverhältnisse findet der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) in der jeweiligen Fassung Anwendung. Die Beklagte zahlte den Klägern, die ihren Familienwohnsitz in Italien beibehielten, ohne Rücksicht auf ihre Umzugswilligkeit eine zeitlich unbefristete und arbeitsvertraglich nicht vereinbarte Trennungsentschädigung von 7,50 DM kalendertäglich. Die Zahlung der Trennungsentschädigung erfolgte aufgrund des Erlasses des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 13. Mai 1960 (Az.: III E 3 8641-OW). Dieser Erlaß wurde durch Erlaß vom 29. Juli 1976 (Az.: 322-6 8641-O) geändert. Danach erhalten ausländische Arbeitnehmer, die ihren Familienwohnsitz im Ausland beibehalten, ab 1. Januar 1977 nur noch für höchstens fünf Jahre eine Trennungsentschädigung. Bei ausländischen Arbeitnehmern, die eine Trennungsentschädigung schon fünf Jahre oder länger bezogen hatten, sah die Erlaßregelung eine stufenweise Kürzung ab 1. Januar 1977 und einen gänzlichen Entzug der Trennungsentschädigung ab 1. Januar 1978 vor. Von dieser neuen Regelung über die Zahlung einer Trennungsentschädigung wurden die ausländischen Arbeitnehmer von der Beklagten unterrichtet.

Im Juni 1976 bezog der Kläger zu 1) zusammen mit seiner Familie in München eine Wohnung des freien Wohnungsmarktes. Die Beklagte stellte daraufhin mit Wirkung vom 31. Mai 1976 die Zahlung der Trennungsentschädigung an den Kläger zu 1) ein. Nachdem jedoch die Familie des Klägers zu 1) seit dem 27. Juli 1977 wieder in Italien wohnt und er seinen Hausstand wieder nach dort verlegte, gewährte die Beklagte dem Kläger zu 1) auf dessen Antrag vom 21. Juni 1983 hin erneut eine Trennungsentschädigung bis einschließlich 31. Dezember 1983 und zahlte ihm einen Abschlag in Höhe von 8.000,-- DM auf die seit dem 27. Juli 1977 aufgelaufene Trennungsentschädigung.

An den Kläger zu 2) stellte die Beklagte mit Wirkung vom 26. September 1977 die Zahlung der Trennungsentschädigung ein, da auch dessen Familie im September 1977 mit ihm eine gemeinsame Wohnung des freien Wohnungsmarktes in München bezog. Nach Rückkehr der Familie am 12. August 1983 und Wiederbegründung des Familienwohnsitzes in Italien gewährte die Beklagte auf Antrag vom 14. Juni 1983 auch dem Kläger zu 2) bis zum 31. Dezember 1983 wieder eine Trennungsentschädigung.

Die Zahlung einer Trennungsentschädigung an die Kläger über den 31. Dezember 1983 hinaus lehnte die Beklagte im Hinblick auf die Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 16. April 1984 (Az.: 322-6 A 6347-O/5) ab. In dieser Verfügung heißt es: "Erneute Trennung nach Zusammenführung der Familie

Eine Gewährung von Trennungsentschädigung an ausländische Arbeitnehmer kommt nur in Betracht, wenn die Trennung durch die Einstellung in den Dienst der DBP bedingt ist. Wenn die anfängliche Trennung eines Arbeitnehmers von seiner Familie durch Zusammenführung und gemeinsame Wohnung beendet und daher die Gewährung der Trennungsentschädigung eingestellt war, kann eine spätere erneute Trennung nicht mehr als durch die Einstellung bedingt angesehen werden. Eine erneute Gewährung von Trennungsentschädigung aus Anlaß der erneuten Trennung kommt daher nicht in Betracht."

Die Kläger, die sich mit ihren am 21. Dezember 1984 eingegangenen Klagen gegen die Streichung der Trennungsentschädigung wenden, haben gemeint, die Beklagte müsse aufgrund betrieblicher Übung eine Trennungsentschädigung auch dann zahlen, wenn die Familie eines ausländischen Arbeitnehmers, die vorübergehend im Inland eine gemeinsame Wohnung bezogen habe, wieder in ihr Heimatland zurückkehre und dort den Familienwohnsitz begründe. Auch die so zustandegekommene Trennung löse die Trennungsentschädigung aus. So sei in den Bereichen der Oberpostdirektionen München und Stuttgart jedenfalls bisher auch verfahren worden. Ob in den übrigen Oberpostdirektionen in diesen Fällen anders verfahren werde, sei ihnen, den Klägern, nicht bekannt.

Die Kläger haben zuletzt beantragt, und zwar der Kläger zu 1) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn seit 27. Juli 1977 Trennungsentschädigung in Höhe von 7,50 DM kalendertäglich nebst 4 % Zinsen zu zahlen unter Berücksichtigung einer bereits erfolgten Leistung von 8.000,-- DM;

der Kläger zu 2) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab 1. Januar 1984 eine Trennungsentschädigung von täglich 7,50 DM zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, ein Anspruch auf Zahlung einer Trennungsentschädigung nach erneuter Trennung einer zunächst zusammengeführten Familie bestehe nicht. Eine anspruchsbegründende betriebliche Übung habe sich nicht entwickelt. Lediglich aufgrund einer fehlerhaften und mißverständlichen Anwendung einer Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 8. Januar 1976 sei in den Oberpostdirektionsbezirken München und Stuttgart in diesen Fällen zunächst erneut eine Trennungsentschädigung gezahlt worden. Mit Verfügung des zuständigen Bundesministers vom 16. April 1984 sei dann eine entsprechende Klarstellung erfolgt. Im übrigen stehe der Bildung einer betrieblichen Übung auch das Schriftformerfordernis des § 3 Abs. 2 TV Arb entgegen.

Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen der Kläger abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung einer Trennungsentschädigung ab 27. Juli 1977 bzw. 1. Januar 1984, obwohl ihre Familien spätestens zu diesem Zeitpunkt wieder an ihren früheren ausländischen Wohnsitz zurückgekehrt sind.

I. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Trennungsentschädigung ergibt sich - davon gehen auch die Kläger selbst aus - weder aus einer einzelvertraglichen Absprache noch aus dem auf das Arbeitsverhältnis der Kläger anwendbaren Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb). Die Vorschrift des § 19 Abs. 4 Buchst. d TV Arb, die allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, gewährt unmittelbar keinen Anspruch auf Trennungsentschädigung; sie verweist lediglich auf die für die Beamten der Deutschen Bundespost geltenden Bestimmungen und damit auf § 15 Abs. 2 BUKG. Die danach erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen (Anordnung der Trennungsentschädigung mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde) liegen jedoch nicht vor (BAGE 35, 7 = AP Nr. 3 zu § 19 TV Arb Bundespost; BAGE 40, 126 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost).

II. Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich der Anspruch auf erneute Trennungsentschädigung auch nicht, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, aufgrund einer entsprechenden betrieblichen Übung.

TEXT1. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen (BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost; BAGE 49, 299 = AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Treueurlaub; BAG Urteil vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteile vom 28. Juli 1988 - 6 AZR 349/87 - und vom 18. August 1988 - 6 AZR 361/86 -, jeweils zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 23, 213, 220 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 39, 271, 276 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 40, 126, 133 = AP, aaO; BAGE 49, 290 = AP Nr. 22 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 51, 113 = AP Nr. 21 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 23. Juni 1988 - 6 AZR 137/86 - und vom 18. August 1988 - 6 AZR 361/86 -, jeweils zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) kommt es dabei für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat oder nicht. Denn die Wirkung einer Willenserklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen hegt, sondern weil er einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte, beurteilt sich danach, ob der Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers auf diesen Willen schließen durfte. Für die Bindungswirkung der betrieblichen Übung entscheidend ist daher die Frage, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte (§§ 133, 157 BGB). In Arbeitsverhältnissen des öffentlichen Dienstes gelten die Grundsätze allerdings nach inzwischen ebenfalls gefestigter Rechtsprechung nicht uneingeschränkt. Denn die an Weisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, vor allem aber auch durch die an die Festlegungen des Haushaltsplanes gebundenen öffentlichen Arbeitgeber sind viel stärker als private Arbeitgeber gehalten, die Mindestbedingungen des Tarifrechts bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses zu beachten. Im Zweifel gilt Normvollzug (BAG Urteil vom 16. Januar 1985 - 7 AZR 270/82 - AP Nr. 9 zu § 44 BAT; BAGE 49, 31 = AP Nr. 19 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteile vom 23. Juni 1988 - 6 AZR 137/86 - und vom 18. August 1988 - 6 AZR 361/86 -, beide zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Unter diesen Umständen kann ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes daher selbst bei langjährigen Leistungen nicht ohne zusätzliche konkrete Anhaltspunkte annehmen, ein gezahltes übertarifliches Entgelt oder die Gewährung sonstiger Vergünstigungen seien Vertragsbestandteil geworden und werden auf Dauer weitergewährt.

2. Auch wenn entsprechend diesen Grundsätzen und in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 7. September 1982 - 3 AZR 5/80 - (BAGE 40, 126 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost), auf die sich die Kläger zur Stützung ihrer Ansicht vor allem berufen, von einer betrieblichen Übung ausgegangen wird, sind mit der Zusammenführung der Familien im Juni 1976 (Kläger zu 1) bzw. im September 1977 (Kläger zu 2), also mit dem Beziehen einer gemeinsamen Familienwohnung in München, die Voraussetzungen für die Zahlung einer Trennungsentschädigung entfallen. Die Beklagte hat ihren ausländischen Arbeitnehmern zwar zeitlich unbefristet und ohne Rücksicht auf eine etwaige Umzugswilligkeit eine Trennungsentschädigung bezahlt, jedoch nur unter der Voraussetzung der Beibehaltung des ausländischen Familienwohnsitzes. Nur mit diesem Inhalt und Umfang ist eine betriebliche Übung entstanden, da die begünstigten Arbeitnehmer auch aus ihrer Sicht dem Verhalten der Beklagten nach Treu und Glauben keinen anderen Erklärungswert beimessen konnten (§§ 133, 157 BGB). Auch nach dem Verständnis des Dritten Senats (aaO) können die begünstigten Arbeitnehmer nur darauf vertrauen, daß ihnen die Trennungsentschädigung so lange gewährt wird, als die aufgezeigte Voraussetzung, nämlich die Beibehaltung des ausländischen Familienwohnsitzes, gegeben ist. Ein weitergehender Vertrauensschutz besteht nicht und folgt insbesondere auch nicht aus der zeitlich unbefristeten Gewährung der Trennungsentschädigung. Denn auch insoweit gilt, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht ändern, die Familie also ihren ausländischen Wohnsitz nicht aufgibt.

3. Die erneute Trennung der Kläger von ihren Familien durch Rückverlegung ihres Familienwohnsitzes an ihren früheren ausländischen Heimatort am 27. Juli 1977 (Kläger zu 1) bzw. am 12. August 1983 (Kläger zu 2) hat keinen neuen Anspruch auf Trennungsentschädigung ausgelöst. Ein solcher Anspruch läßt sich aus der betrieblichen Übung nicht ableiten. Der zuvor unter anderen tatsächlichen Voraussetzungen bestandene Anspruch auf Trennungsentschädigung hat entgegen der Auffassung der Revision nicht etwa nur geruht, der nach Wiederherstellung des früheren Trennungszustandes hätte wieder aufleben können. Insoweit ist auch kein schützenswerter Vertrauenstatbestand gegeben. Mit dem Erlöschen der Ansprüche nach Zusammenführung der Familien konnten die Kläger nur annehmen und darauf vertrauen, in bezug auf eine Trennungsentschädigung zukünftig wie ein vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer behandelt zu werden. Es ist kein Grund ersichtlich, ausländische Arbeitnehmer, bei denen der Bezug von Trennungsentschädigung wegen Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen zu Recht eingestellt worden ist, besser zu stellen als deutsche Arbeitnehmer, die, ohne dienstlich hierzu veranlaßt worden zu sein, von ihrer Familie getrennt leben. Denn auch im Bereich der Beklagten hat ein Arbeitnehmer, der aus Gründen, die seiner privaten Sphäre zuzuordnen sind, seinen Familienwohnsitz vom Dienstorte in einen anderen Ort der Bundesrepublik Deutschland oder in das Ausland verlegt, keinen Anspruch auf Umzugskostenvergütung oder auf Trennungsentschädigung. Die Vergünstigung, die ausländischen Arbeitnehmern seinerzeit unbefristet (Erlaß vom 13. Mai 1960) und nunmehr befristet (Erlaß vom 29. Juli 1976) gewährt wurde bzw. wird, bezieht sich nur auf den Zeitpunkt der Einstellung. Ob und inwieweit die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn im Streitfall die Kläger unter Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit ihren Familien nach Italien zurückgekehrt und kurze Zeit später - etwa aufgrund einer Wiedereinstellungszusage - von der Beklagten wieder eingestellt worden wären, kann dahingestellt bleiben.

III. Eine betriebliche Übung, die auch bei erneuter Trennung von der Familie einen Anspruch auf Trennungsentschädigung auslöst, hat sich in der Folgezeit nicht gebildet.

1. Die Beklagte hat an die Kläger zwar entsprechend ihren Anträgen vom 21. Juni 1983 bzw. 14. Juni 1983 erneut Trennungsentschädigung für die Zeit vom 27. Juli 1977 bzw. 12. August 1983 bis zum 31. Dezember 1983 gezahlt. Die in Verkennung einer Rechtspflicht erfolgte Zahlung führt für sich allein aber noch nicht zu einer betrieblichen Übung und zu einem schutzwürdigen Vertrauen der Kläger hierauf, aufgrund dessen sie einen Anspruch auf Gewährung von Trennungsentschädigung auch für die Zukunft herleiten könnten. Wie bereits im einzelnen ausgeführt, gilt im öffentlichen Dienst grundsätzlich Normvollzug, weshalb die Arbeitnehmer selbst bei langjährigen Vergünstigungen ohne zusätzliche konkrete Anhaltspunkte nicht annehmen können, daß diese Vergünstigungen zum Vertragsbestandteil geworden sind und auf Dauer weitergewährt werden (BAG Urteil vom 16. Januar 1985 - 7 AZR 270/82 - AP Nr. 9 zu § 44 BAT; BAGE 49, 31 = AP Nr. 19 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 23. Juni 1988 - 6 AZR 137/86 -, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Derartige weitergehende und vertrauensbildende konkrete Anhaltspunkte hat das Landesarbeitsgericht jedoch nicht festgestellt und sind von den Klägern auch nicht vorgetragen worden.

2. Aber selbst dann, wenn sich in den Zuständigkeitsbereichen der Oberpostdirektionen München und Stuttgart eine betriebliche Übung dieses Inhalts gebildet haben sollte, könnten die Kläger daraus keine Ansprüche herleiten. Denn Nebenabreden, wie die hier in Frage stehende Abrede auf Zahlung einer im Tarifvertrag nicht vorgesehenen Trennungsentschädigung (BAGE 35, 7 ff. = AP Nr. 3 zu § 19 TV Arb Bundespost; BAGE 40, 126 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost; auch BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG), bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Einhaltung der in § 3 Abs. 2 TV Arb vorgesehenen Schriftform (§ 126 BGB). Das gilt ebenso für die betriebliche Übung, weil auch eine stillschweigende Abrede keine weitergehenden Rechte als eine ausdrückliche Verpflichtungserklärung begründen kann (BAGE 37, 228 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; BAGE 40, 126 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG). Dem Schriftformerfordernis des § 3 Abs. 2 TV Arb ist vorliegend nicht Genüge getan, und zwar selbst dann nicht, wenn davon ausgegangen werden könnte, daß in den schriftlichen Anträgen der Kläger auf Bewilligung der Trennungsentschädigung ein Vertragsangebot i.S. von § 145 BGB liegt, weil es gleichwohl an einer schriftlichen rechtsgeschäftlichen Annahmeerklärung der Beklagten fehlt. Die Bewilligung der Trennungsentschädigung erfolgte lediglich durch eine behördeninterne Maßnahme mit anschließender Auszahlung, nicht aber durch einen schriftlich erteilten Bescheid (BAGE 35, 7 ff. = AP Nr. 3 zu § 19 TV Arb Bundespost; BAGE 40, 126 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost). Die Nichteinhaltung der Schriftform des § 3 Abs. 2 TV Arb führt daher zur Nichtigkeit (§ 125 Satz 1 BGB), so daß ein Anspruch aus der "betrieblichen Übung" von den Klägern nicht abgeleitet werden kann.

3. Die Beklagte kann sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 3 Abs. 2 TV Arb auch berufen. Es entspricht zwar gefestigter Rechtsprechung, daß die Berufung auf die Nichteinhaltung formbedürftiger Abreden eine unzulässig Rechtsausübung darstellen kann (vgl z.B. BAGE 37, 228 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; BAGE 40, 126 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost; BAG Urteil vom 6. September 1972 - 4 AZR 422/71 - AP Nr. 2 zu § 4 BAT; BAGE 39, 271 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG). Ein zwingender Grund, der es im Streitfall rechtfertigen könnte, die Formvorschrift des § 3 Abs. 2 TV Arb unbeachtet zu lassen, liegt jedoch nicht vor. Das Festhalten an der Schriftform führt für die Kläger, auch wenn sie sich auf die Zahlung der Trennungsentschädigung eingestellt haben, nicht zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis. Der Wegfall der Trennungsentschädigung stellt die Kläger nicht schlechter als andere vergleichbare Arbeitnehmer. Die Beklagte hat den Klägern auf Antrag nach ihrer erneuten Trennung von ihren Familien zwar teilweise für einen nicht unerheblichen Zeitraum Trennungsentschädigung gezahlt. Dieser Umstand allein ist jedoch nicht von solchem Gewicht, aufgrund dessen auf die Wahrung der Schriftform aus Gründen von Treu und Glauben als anspruchsbegründendes Element verzichtet werden könnte. Anders als in dem vom Dritten Senat entschiedenen Fall (Urteil vom 7. September 1982 - 3 AZR 5/80 - BAGE 40, 126 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost) hat die Beklagte auch nicht den Eindruck erweckt, auf die Einhaltung der Schriftform verzichten zu wollen (vgl. BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG). Außer der bloßen antragsgemäßen Gewährung der Trennungsentschädigung hat die Beklagte nichts getan, was auf einen Bindungswillen auf Dauer schließen läßt.

IV. Der Gleichbehandlungsgrundsatz scheidet als Anspruchsgrundlage ebenfalls aus, insbesondere auch, soweit sich die Kläger auf Art. 7 der EWG Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl EG 1968 Nr. L 257 S. 2 ff.) berufen. Nach dieser Vorschrift dürfen ausländische Arbeitnehmer hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer. Eine Schlechterstellung der Kläger gegenüber ihren deutschen Arbeitskollegen liegt jedoch schon im Ansatz nicht vor. Vielmehr stellt sich umgekehrt die Gewährung einer erneuten Trennungsentschädigung an die Kläger als ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Denn es läßt sich nicht aufzeigen, warum ausländischen Arbeitnehmern, die in der Bundesrepublik zusammen mit ihren Familien ihren Wohnsitz genommen haben und damit ein zunächst bestehender Anspruch auf Trennungsentschädigung entfallen ist, ein solcher Anspruch erneut erwachsen soll, wenn deren Familien aus privaten Gründen von diesem gemeinsamen Wohnort Abstand nehmen. Der deutsche Arbeitnehmer in der gleichen Situation kann jedenfalls unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Trennungsentschädigung geltend machen (vgl. dazu auch Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Urteil vom 12. Februar 1974 - Rechtssache 152/73 - AP Nr. 6 zu Art. 177 EWG-Vertrag; BAGE 26, 214 = AP Nr. 7 zu Art. 177 EWG-Vertrag).

V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Dörner Richter am Bundesarbeitsge-

richt Dr. Freitag hat Urlaub

Dr. Röhsler

Der ehrenamtliche Richter

Hohnheit ist verstorben

Dr. Röhsler Ramdohr

 

Fundstellen

Haufe-Index 440689

BAGE 59, 233-242 (LT1-3)

BAGE, 233

RdA 1989, 129

ZTR 1989, 190-192 (LT1-3)

AP § 3 Tarifvertrag-Bundespost (LT1-3), Nr 4

AR-Blattei, Ausländische Arbeitnehmer Entsch 35 (LT1-3)

AR-Blattei, Betriebsübung Entsch 25 (LT3)

AR-Blattei, ES 1580 Nr 12 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 330 Nr 35 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 510 Nr 25 (LT3)

AR-Blattei, Trennungsentschädigung Entsch 12 (LT1-3)

PersR 1989, 284 (L1-3)

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