Entscheidungsstichwort (Thema)

Trennungsgeld bei Einstellung an anderem Ort als Wohnort

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verweist ein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes - hier § 44 BAT - auf die für die Beamten des Arbeitgebers geltenden Bestimmungen, so soll dem Arbeitnehmer insoweit dieselbe Rechtsstellung eingeräumt werden wie dem Beamten. Steht nach den für Beamte geltenden Vorschriften die Leistungsgewährung im Ermessen des Dienstherrn, so gelten deshalb auch für den Arbeitnehmer nicht die zu § 315 BGB, sondern die zum Verwaltungsermessen entwickelten Grundsätze; dabei müssen Beamte und Arbeitnehmer gleichbehandelt werden.

2. Durch § 1 Abs 2 S 1 der Hessischen Trennungsgeldverordnung soll der Verhandlungsspielraum der Behörde erweitert werden; die Behörde soll das Mittel der Trennungsgeldgewährung einsetzen können, um dem Verhandlungspartner den Entschluß zum Eintritt in ihre Dienste zu erleichtern. Bedarf es nach Einschätzung der Behörde dieses Mittels nicht, so ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn kein Trennungsgeld gewährt wird.

 

Normenkette

BAT § 44; BGB § 315; TGV HE § 1 Abs. 2 S. 1; TGV HE 1974 § 1 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 18.03.1982; Aktenzeichen 9 Sa 426/81)

ArbG Kassel (Entscheidung vom 20.01.1981; Aktenzeichen 5 Ca 169/80)

 

Tatbestand

Der von 1974 bis 1984 in 4791 Borchen wohnhaft gewesene Kläger bewarb sich aufgrund einer Stellenausschreibung des beklagten Landes vom 28. September 1978 neben 20 weiteren Interessenten mit Schreiben vom 9. Oktober 1978 um eine Anstellung als wissenschaftlicher Angestellter und wurde ab 1. April 1979 entsprechend der Ausschreibung zur Mitarbeit an dem "Modellversuch Entwicklung und Evaluation berufspädagogischer Studiengänge" an der Gesamthochschule Kassel als einziger Bewerber aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich eingestellt. Der Modellversuch wird durch Mittel des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft gefördert. Im Anschluß an den ersten, bis zum 30. Juni 1980 befristeten Arbeitsvertrag vom 28. März 1979, wurden mit dem Kläger unter dem 11. Juni 1980 und unter dem 1. Oktober 1981 zwei weitere Arbeitsverträge für die Zeit vom 1. Juli 1980 bis zum 30. Juni 1981 und vom 1. Juli 1981 bis zum 31. März 1984 abgeschlossen. In allen Arbeitsverträgen wurde die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vereinbart.

Mit Schreiben vom 27. April 1979 beantragte der Kläger die Gewährung von Trennungsgeld; dieser Antrag wurde mit Schreiben vom 6. Juni 1979 abgelehnt. Mit seiner am 30. April 1980 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger einen Trennungsgeldanspruch geltend. Er hat vorgetragen, an seiner Einstellung habe ein besonderes dienstliches Interesse bestanden. Es sei deshalb nach den tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen ermessensfehlerhaft, ihm die Gewährung von Trennungsgeld zu versagen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet

ist, ihm gemäß § 44 BAT Trennungsgeld zu gewähren.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat erwidert, das ihm in § 44 BAT in Verbindung mit den Bestimmungen des Hessischen Umzugskostengesetzes eingeräumte Ermessen werde dahingehend ausgeübt, daß den befristet eingestellten Bediensteten grundsätzlich keine Umzugskostenvergütung zugesagt werde. Überdies habe ein dringendes Bedürfnis im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BAT an der Einstellung des Klägers nicht vorgelegen; dies sei vielmehr nur der Fall, wenn zur Wahrnehmung eines bedeutsamen Aufgabenbereichs oder einer herausragenden Funktion eine bewährte Fachkraft mit besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten gewonnen werden solle. Damit habe auch kein Raum für eine Ermessensentscheidung des beklagten Landes bestanden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß für das Trennungsgeldbegehren des Klägers nicht auf § 44 Abs. 1 Nr. 3 BAT, sondern aufgrund der Verweisung in § 44 Abs. 1 BAT allein auf § 1 Abs. 2 Satz 1 der Hessischen Trennungsgeldverordnung (HTGV) in der Fassung vom 21. Juni 1976 (GVBl. I, 270) abzustellen ist. Nach dieser Vorschrift kann einem Beamten bei Einstellung an einem anderen Ort als seinem bisherigen inländischen Wohnort Trennungsgeld unter den gleichen Voraussetzungen wie dem aus dienstlichen Gründen an einen anderen Ort versetzten Beamten gewährt werden, wenn an seiner Gewinnung ein besonderes dienstliches Interesse besteht.

Für die Gewährung von Trennungsgeld aufgrund dieser Vorschrift ist eine Zusage der Umzugskostenvergütung nicht erforderlich (Meyer/Fricke, Umzugskosten, Trennungsentschädigung, Beschäftigungsvergütung im öffentlichen Dienst, 4. Aufl., Stand September 1981, § 1 TGV Rz 66; Kopicki/Irlenbusch, Umzugskostenrecht des Bundes, Stand November 1979, § 1 TGV Anm. 2). Auf das - von der Revision in Abrede gestellte - Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BAT kommt es deshalb nicht an.

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht jedoch das auf § 1 Abs. 2 Satz 1 HTGV gestützte Trennungsgeldbegehren des Klägers für begründet gehalten, weil das beklagte Land für seine ablehnende Entscheidung keine billigenswerten sachlichen Gründe i.S. des § 315 Abs. 3 BGB angeführt habe.

Verweist ein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes - wie hier § 44 BAT - auf die für die Beamten des Arbeitgebers geltenden Bestimmungen, so soll dem Arbeitnehmer insoweit dieselbe Rechtsstellung wie dem Beamten eingeräumt werden. Der Arbeitgeber soll in den Stand versetzt werden, seine in den verschiedenen Behörden und Dienststellen zusammenarbeitenden Beamten und Arbeitnehmer nach denselben Rechtsnormen und Grundsätzen - einschließlich der Erlasse des Arbeitgebers - zu behandeln. Hinsichtlich der Voraussetzungen, des Umfangs und der Dauer der zu gewährenden Leistungen soll der Arbeitnehmer nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als der vergleichbare Beamte. Soweit die Leistungsgewährung nach den für Beamte geltenden Vorschriften im Ermessen des Dienstherren steht, gelten auch für den Arbeitnehmer nicht die zu § 315 BGB, sondern die zum Verwaltungsermessen entwickelten Grundsätze; dabei müssen Beamte und Arbeitnehmer gleichbehandelt werden (vgl. z.B. BAG 41, 47 = AP Nr. 7 zu § 44 BAT und BAG Urteil vom 7. September 1982 - 3 AZR 124/80 -, nicht veröffentlicht).

3. Im Streitfalle kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß die in § 1 Abs. 2 Satz 1 HTGV normierten Voraussetzungen für die Ausübung des behördlichen Ermessens erfüllt sind, daß also ein besonderes dienstliches Interesse an der Gewinnung des Klägers bestand. Das allein genügt aber zur Begründung eines Anspruchs auf Trennungsgeld nicht. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 HTGV bestimmt nur, daß beim Vorliegen eines besonderen dienstlichen Interesses an der Gewinnung des Beamten Trennungsgeld gewährt werden k a n n, nicht aber, daß es gewährt werden muß. Sie stellt es also in das Ermessen der Behörde, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will oder nicht. Ohne eine positive Ermessensentscheidung kann ein Anspruch auf Trennungsgeld nur gegeben sein, wenn im Einzelfall jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Wenn die genannte Vorschrift die Möglichkeit der Zahlung von Trennungsgeld von einem besonderen dienstlichen Interesse an der "Gewinnung" des Beamten abhängig macht, so will sie damit den Verhandlungsspielraum der sonst starr an ihre gesetzlichen bzw. tariflichen Möglichkeiten gebundenen Behörde erweitern. Die Behörde soll in die Lage versetzt werden, das Mittel der Trennungsgeldgewährung einzusetzen, wenn sie dies aus ihrer Sicht nach dem Stand der Einstellungsverhandlungen für erforderlich hält, um dem Verhandlungspartner den Entschluß zum Eintritt in ihre Dienste zu erleichtern. Die Behörde hat insoweit einen weiten Ermessensspielraum. Ob sie die Möglichkeit der Zahlung von Trennungsgeld bei den Einstellungsverhandlungen ins Spiel bringen will, hängt davon ab, wie sie ihre Verhandlungschancen einschätzt. Kann sie den betreffenden Verhandlungspartner ohne den Anreiz der Gewährung von Trennungsgeld zum Eintritt in ihre Dienste bewegen, so ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie kein Trennungsgeld zahlt.

Der Kläger hat nicht einmal behauptet, daß die zuständige Behörde des beklagten Landes bei den Einstellungsverhandlungen mit ihm die Möglichkeit von Trennungsgeldzahlung überhaupt angesprochen hätte. Es ist auch nichts dafür vorgetragen worden, daß sich das beklagte Land hinsichtlich der Ausübung seines Ermessens nach § 1 Abs. 2 Satz 1 HTGV allgemein in einer Weise gebunden hätte, daß es ohne Abweichung von dieser Selbstbindung dem Kläger Trennungsgeld nicht versagen könnte.

4. Nach alledem war die Klage unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile abzuweisen. Da der Kläger unterlegen ist, hat er nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan

Neuroth Breier

 

Fundstellen

Haufe-Index 441179

AP § 44 BAT (LT1-2), Nr 9

AR-Blattei, ES 1580 Nr 11 (LT2)

AR-Blattei, Trennungsentschädigung Entsch 11 (LT2)

EzBAT § 44 BAT, Nr 4 (LT1-2)

PersV 1991, 238 (K)

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