Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernachtungskosten bei Arbeit auf auswärtigen Baustellen

 

Normenkette

BGB §§ 670, 683-684, 618-619; GewO § 120c; BRTV-Bau § 7 Nrn. 1, 4

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 15.09.1994; Aktenzeichen 4 (5) Sa 2153/93)

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 29.09.1993; Aktenzeichen 4 Ca 879/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. September 1994 – 4 (5) Sa 2153/93 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung von Übernachtungskosten.

Die Beklagte betreibt eine Bauunternehmung im Bereich des Fassadenbaus. Die Kläger sind bei ihr als Fassadenbauer beschäftigt; sie werden regelmäßig auf auswärtigen Baustellen eingesetzt. Auf die Arbeitsverhältnisse aller Kläger finden die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes, insbesondere der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 in der jeweils gültigen Fassung (BRTV) Anwendung.

Der in Gelsenkirchen wohnhafte Kläger zu 1) war im November 1992 auf einer Baustelle in Frankfurt am Main, die ebenfalls in Gelsenkirchen wohnhaften Kläger zu 2) und 3) und der in Herten wohnhafte Kläger zu 4) waren in diesem Zeitraum auf einer Baustelle in Hildesheim eingesetzt. Der Tätigkeitszeitraum umfaßte jeweils mehr als sieben Kalendertage. Der Kläger zu 4) war im Februar 1993, die Kläger zu 2) und 3) waren im März 1993 auf einer Baustelle in Rostock wiederum für mehr als sieben Kalendertage tätig. Die Kläger bezahlten ihre Übernachtungskosten jeweils selbst.

Die tarifliche Auslösung betrug für den streitbefangenen Zeitraum bei einer Auswärtsbeschäftigung über sieben Kalendertage 54,30 DM pro Tag. Die Beklagte zahlte an die Kläger den bei ihr betriebsüblichen Auslösungsbetrag von 60,00 DM pro Tag. Bereits seit Jahren zahlt die Beklagte ihren Beschäftigten bei Arbeit auf auswärtigen Baustellen eine übertarifliche Auslösung. Dem liegt die Absprache zugrunde, daß die Arbeitnehmer sich selbst eine Unterkunft suchen.

Die Kläger verlangen zusätzlich zur erhaltenen Auslösung die Erstattung ihrer Übernachtungskosten abzüglich des Betrages, den der Arbeitgeber nach § 7 Nr. 4.4. BRTV für jede Übernachtung einbehalten kann, wenn er selbst eine ordnungsgemäße Unterkunft zur Verfügung stellt, in der die Arbeitnehmer übernachten. Die Kläger haben die Ansicht vertreten, ihre Ansprüche seien nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben. Nach § 120 c Gewerbeordnung sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Klägern bei auswärtigen Montagearbeiten Unterkünfte in unmittelbarer Nähe der Baustelle zur Verfügung zu stellen. Da die Beklagte dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, stelle die Anmietung der Unterkünfte durch die Arbeitnehmer eine Geschäftsführung für die Beklagte dar. Neben dem tariflichen Auslösungssatz müsse die Beklagte die Kosten der Unterkunft, abzüglich des bereits berücksichtigten Betrages, tragen.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger zu 1) 355,66 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 31. März 1993,

an den Kläger zu 2) 544,15 DM netto nebst 4 % Zinsen aus 86,55 DM seit dem 31. März 1993 und aus 457,60 DM seit dem 12. Mai 1993,

an den Kläger zu 3) 601,43 DM netto nebst 4 % Zinsen aus 101,75 DM seit dem 31. März 1993 und aus 499,68 DM seit dem 12. Mai 1993 und

an den Kläger zu 4) 590,30 DM nebst 4 % Zinsen aus 89,35 DM seit dem 31. März 1993 und aus 501,00 DM seit dem 12. Mai 1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag sei nicht gegeben, da die Kläger die Unterkünfte nicht für die Beklagte angemietet hätten. Zwar sei nach § 120 c Gewerbeordnung der Arbeitgeber zur Bereitstellung von Unterkünften verpflichtet. Diese Unterbringung in Wohncontainern oder auch in Wohnmobilen hätten die Kläger in der Vergangenheit aber abgelehnt. Aufgrund dieser Schwierigkeiten habe sich die betriebliche Übung ergeben, den Arbeitnehmern eine übertarifliche Auslösung von 60,00 DM täglich zu zahlen. Die Auslösung erfasse den Mehraufwand für Verpflegung und Unterkunft, weshalb den Klägern kein weitergehender Zahlungsanspruch zustehe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung war erfolglos. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß die Kläger gegen die Beklagte keinen (weiteren) Anspruch auf Erstattung der Übernachtungskosten haben.

I. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB bestand nur in dem betriebsüblichen – über die tariflichen Sätze hinausgehenden – Umfang. Diesen Anspruch hat die Beklagte durch Zahlung der übertariflichen Auslösung erfüllt.

1. § 670 BGB enthält einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im Arbeitsverhältnis gilt: Wer im Interesse eines anderen Aufwendungen macht, für die er keine Vergütung erhält, kann Ersatz der Aufwendungen von demjenigen verlangen, für den er tätig geworden ist (BAG Großer Senat Beschluß vom 10. November 1961 – GS 1/60 – BAGE 12, 15 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAG Urteil vom 1. Februar 1963 – 5 AZR 74/62 – AP Nr. 10, zu § 670 BGB; BAG Urteil vom 21. September 1966 – 1 AZR 504/63 – AP Nr. 2 zu § 675 BGB; BAG Urteil vom 21. August 1985 – 7 AZR 199/83 – AP Nr. 19 zu § 618 BGB). Voraussetzung ist, daß es sich um Aufwendungen zum Zwecke der Ausführung des Auftrags handelt, die der Betreffende den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Kann der Arbeitnehmer die ihm vom Arbeitgeber übertragene Arbeit nicht ohne auswärtige Übernachtung ausführen, hat der Arbeitgeber nach § 670 BGB die Übernachtungskosten zu ersetzen (LAG Düsseldorf Urteil vom 22. Mai 1987 – 4 Sa 178/87 – NZA 1987, 679). Jedoch können Ansprüche auf Aufwendungsersatz pauschaliert werden; § 670 BGB ist nicht zwingend. Abweichende Bestimmungen können auch in einem Tarifvertrag und grundsätzlich auch einzelvertraglich getroffen werden (Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. 1992, § 85 Nr. 6; Matthes, AR-Blattei SD, Auswärtszulage, 360 Rz 15 ff.).

Abweichende Regelungen über den Aufwendungsersatz sind allerdings ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber von Gesetzes wegen verpflichtet ist, die Kosten allein zu tragen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10. März 1976 – 5 AZR 34/75 – AP Nr. 17 zu § 618 BGB; Urteil vom 18. August 1982 – 5 AZR 493/80 – BAGE 40, 50 = AP Nr. 18 zu § 618 BGB; Urteil vom 21. August 1985 – 7 AZR 199/83 – AP Nr. 19 zu § 618 BGB) begründen Unfallverhütungsvorschriften, soweit ihr Inhalt geeignet ist, Gegenstand einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zu werden, zugleich privatrechtliche Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Soweit also der Arbeitgeber nach den Unfallverhütungsvorschriften Schutzausrüstungen, z.B. Sicherheitsschuhe, zur Verfügung zu stellen hat, trifft ihn diese Verpflichtung auch gegenüber dem Arbeitnehmer. Das folgt aus § 618 BGB, der gemäß § 619 BGB unabdingbar ist. Aus Sinn und Zweck dieser Vorschriften ergibt sich weiter, daß die Arbeitnehmer an den Kosten für Schutzausrüstungen nicht beteiligt werden dürfen, soweit sie nur betrieblich genutzt werden. Hat der Arbeitnehmer die Schutzausrüstung dennoch ganz oder teilweise auf eigene Kosten beschafft, hat er Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen nach § 670 BGB. Allerdings kann der Arbeitgeber, wenn er dem Arbeitnehmer die Beschaffung überträgt, Höchsterstattungsbeträge zumindest dann festsetzen, wenn diese so bemessen sind, daß die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, die Schutzausrüstung zu diesem Preis zu beziehen (BAG Urteil vom 21. August 1985 – 7 AZR 199/83 – AP Nr. 19 zu § 618 BGB).

2. Für den Streitfall ergibt sich folgendes:

a) Die Kläger hatten nach § 7 Nr. 1 BRTV-Bau auf einer auswärtigen Baustelle zu arbeiten. Die tägliche Rückkehr nach Hause war nicht zumutbar. Ihr Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für auswärtige Übernachtungskosten ist jedoch durch § 7 Nr. 4.1 BRTV in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die Auslösungssätze für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes vom 25. Februar 1992 und durch die betriebliche Vereinbarung wirksam pauschaliert worden. In den genannten Bestimmungen heißt es u.a.:

§ 7 BRTV

Fahrtkostenabgeltung, Verpflegungszuschuß und Auslösung

4. Bau- oder Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt

4.1. Auslösung

Der Arbeitnehmer, der auf einer Bau- oder Arbeitsstelle tätig ist, die mehr als 25 km vom Betrieb entfernt ist, und dem die tägliche Rückkehr zur Wohnung (Erstwohnung) nicht zuzumuten ist, hat für jeden Kalendertag, an dem die getrennte Haushaltsführung hierdurch verursacht ist, Anspruch auf eine Auslösung.

Tarifvertrag über die Auslösungssätze für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes

§ 2 Mehraufwandsersatz

Die Auslösung (§ 7 Nr. 4 BRTV) ist Ersatz für den Mehraufwand für Verpflegung und Übernachtung (Unterkunft) im Sinne der steuerlichen Vorschriften.

b) Entgegen der Auffassung der Kläger regeln die genannten tarifvertraglichen Bestimmungen und die auf dieser Basis abgeschlossenen einzelvertraglichen Vereinbarungen den Ersatz für Mehraufwendungen durch Arbeiten auf einer auswärtigen Baustelle abschließend. Das hat das Bundesarbeitsgericht für die tarifliche Fahrtkostenregelung bereits entschieden (Urteil vom 4. Dezember 1974 – 4 AZR 138/74 – AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Für die Übernachtungskosten gilt nichts anderes. Die Tarifverträge enthalten keine Lücke für den Fall, daß der Arbeitgeber keine Unterkunft bereitstellt. Mit der Auslösung sollen dann auch die Mehrkosten für auswärtige Übernachtungen abgegolten werden. Das ergibt sich aus § 2 des Tarifvertrages über die Auslösungssätze und aus Nr. 1 der Vereinbarung über die Berechnung der Auslösungssätze im Baugewerbe vom 25. März 1987, die wie folgt lautet:

„In Ausführung der Erklärung vom 1. April 1971 vereinbaren die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die Auslösungssätze jeweils mit 50 %iger Gewichtung gemäß der prozentualen Veränderung des vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Indicis Nr. 389 „Übernachtung” und des Indicis Nr. 354 „Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren” anzupassen. …”

Für die Abreden über die Zahlung einer höheren als der tariflichen Auslösung gilt nichts anderes.

Die Tarifvertragsparteien sehen es als typische Fallgestaltung, daß sich die Arbeitnehmer selbst eine Unterkunft suchen. Nur wenn „der auslösungsberechtigte Arbeitnehmer in einer von dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten ordnungsgemäßen Unterkunft” übernachtet, kann der Arbeitgeber nach § 7 Nr. 4.4 BRTV für jede Übernachtung „einen Betrag bis zur Höhe des halben Gesamttarifstundenlohnes der Berufsgruppe III von der tariflichen Auslösung einbehalten”.

c) Aus § 120 c Abs. 4 Nr. 1 GewO ergibt sich nicht, daß der Arbeitgeber die Übernachtungskosten allein zu tragen hat. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber seinen auf einer Baustelle beschäftigten Arbeitnehmern „Unterkünfte für die Freizeit auf der Baustelle oder in deren Nähe bereitzustellen, soweit sie ihre Wohnung nicht leicht erreichen können”. Zu den Unterkünften zählen auch Schlafräume. § 120 c GewO wurde durch Gesetz vom 23. Juli 1973 (BGBl. I S. 905) in das Gesetz eingefügt. Zuvor ergab sich die Verpflichtung des Arbeitgebers, auf Baustellen beschäftigten Arbeitnehmern Schlaf- und Aufenthaltsräume zur Verfügung zu stellen, aus § 1 des Gesetzes über die Unterkunft bei Bauten vom 13. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1234).

Der Gesetzgeber verfolgte mit § 120 c GewO das Ziel, zum „Schutz der Gesundheit und des sittlichen Empfindens” des Arbeitnehmers eine Mindestausstattung der Wohn- und Schlafräume sicherzustellen. Die Vorschrift enthält keine Regelung darüber, wer die Kosten der Unterbringung zu tragen hat. Dies läßt sich auch dem Gesetzeszweck nicht entnehmen. Demnach sind Vereinbarungen über eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers nicht durch § 120 c GewO ausgeschlossen (BAG Urteil vom 17. August 1988 – 5 AZR 573/87 – AP Nr. 1 zu § 120 c GewO). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer eine Auslösung erhält. Der Gesetzeszweck fordert auch nicht, daß der Arbeitgeber dann die vollen Übernachtungskosten trägt, wenn sich die Arbeitnehmer selbst eine Unterkunft suchen.

d) Es mag zutreffen, wie die Kläger vortragen, daß sich die Arbeitgeber, die Unterkünfte bereitstellen, finanziell schlechter stehen als diejenigen, die das nicht tun. Denn der Arbeitgeber kann nach § 7 Nr. 4.4 BRTV-Bau für jede Übernachtung in von ihm gestellten Unterkünften nur einen halben Gesamttarifstundenlohn der Berufsgruppe III von der tariflichen Auslösung einbehalten. Das ist jedoch hinzunehmen. Es ist aber nicht Sache des Gerichts, tarifliche Regelungen auf ihre Zweckmäßigkeit oder ihre Vereinbarkeit mit § 242 BGB hin zu überprüfen (BAGE 48, 65, 73 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie).

e) Europarechtliche Vorschriften stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Die Vorschriften des deutschen Rechts sind europarechtskonform auszulegen (BAGE 73, 166, 174 f. = AP Nr. 42 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Zwar bedürfen Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften grundsätzlich der Umsetzung in das nationale Recht, da sie sich nur an die Mitgliedstaaten wenden. Gleichwohl sind sie – wenn sie eindeutig sind und insbesondere wenn die dem nationalen Gesetzgeber in der Richtlinie gesetzte Frist abgelaufen ist – bei der Auslegung nationalen Rechts zu berücksichtigen (EuGH Urteil vom 8. Oktober 1987 – EuGHE 1987, 3982 – Kolpinghuis Nijmegen –; BGH Urteil vom 3. Juni 1993 – I ZB 1/91 – NJW 1993, 3139). Das gilt auch für das Arbeitsschutzrecht (vgl. dazu Bücker/Feldhoff/Kohte, Vom Arbeitsschutz zur Arbeitsumwelt, 1994, Rz 328 ff.).

Nach Art. 6 Abs. 5 der EWG-Richtlinie 89/391 vom 12. Juni 1989 über die Durchführung vom Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. Nr. L 183/1) dürfen „die Kosten für die Sicherheits-, Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen … auf keinen Fall zu Lasten der Arbeitnehmer gehen”. Die dem nationalen Gesetzgeber gesetzte Frist (Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie) ist abgelaufen. Die genannte Richtlinie betrifft jedoch – wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 ergibt – ausschließlich die Sicherheit und den Gesundheitsschutz „am Arbeitsplatz” und damit nicht die Übernachtung von Bauarbeitern, die auf auswärtigen Baustellen eingesetzt sind. Auch die EWG-Richtlinie 92/57 vom 24. Juni 1992 über die aufzeitlich begrenzte oder ortsveränderlichen Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitszustand – Achte Einzelrichtlinie im Sinne des Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/391 – (ABl. Nr. L 245) enthält darüber keine Vorschriften.

II. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.

Ansprüche aus den §§ 683, 684 BGB kommen entgegen der Auffassung der Kläger schon deshalb nicht in Betracht, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des – zumindest entsprechend anwendbaren – § 670 BGB vorliegen. Es ist nicht – wie die Kläger meinen – isoliert auf das Rechtsgeschäft Anmietung eines Zimmers abzustellen, sondern auf die Arbeit auf der auswärtigen Baustelle. Die Kläger waren dort aufgrund einer Weisung der Beklagten tätig, also nicht „ohne Auftrag” im Sinne der §§ 677 ff. BGB. Ihre Aufwendungen machten sie gerade zum Zwecke der Ausführung dieser Arbeitsaufgabe (§ 675 BGB).

III. Auch ein Anspruch auf Schadenersatz wegen positiver Vertragsverletzung oder nach § 823 Abs. 2 BGB in Verb. mit § 120 c Abs. 4 Nr. 1 GewO steht den Klägern nicht zu. Denn die Beklagte hat ihre Verpflichtungen aus § 120 c Abs. 4 Nr. 1 GewO nicht verletzt. Die Bestimmung ist einschränkend auszulegen.

1. Der Arbeitgeber genügt seiner Pflicht aus § 120 c Abs. 4 Nr. 1 GewO bereits dann, wenn er Gemeinschaftsunterkünfte, also etwa Baracken, Container oder Wohnwagen, zur Verfügung stellt (Karthaus/Müller, BRTV-Bau, 4. Aufl. 1993, S. 365; Landmann/Rohmer/Meyer, GewO, Bd. 1, § 120 c Rz 31). Dies ergibt sich aus der systematischen Einordnung des § 120 c Abs. 4 GewO in die übrigen Absätze dieser Vorschrift, die lagermäßige Gemeinschaftsunterkünfte betreffen. Das folgt aber auch aus dem Gesetzeszweck.

§ 120 c GewO und die nach § 120 e GewO erlassenen Rechtsverordnungen stellen nur Mindestanforderungen auf. Zudem sollen sich die nach § 120 c Abs. 4 Nr. 1 GewO bereitzustellenden Unterkünfte „auf der Baustelle oder in deren Nähe” befinden. Dann kann nicht die Unterbringung in Hotels oder Gasthäusern gemeint sein.

2. Wie bereits ausgeführt (oben zu I 2 c), übernahm § 120 c Abs. 4 GewO eine Regelung in § 1 des Gesetzes über die Unterkunft bei Bauten vom 13. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1234). Diese Vorschrift war eingeführt worden, als eine Vielzahl von Arbeitnehmern im Autobahnbau, bei militärischen Bauten, häufig an entlegenen Orten, eingesetzt wurden. Dort waren Übernachtungen in Gasthöfen oft nicht möglich (vgl. Karthaus/Müller, a.a.O., S. 366). Inzwischen stehen meist genügend Übernachtungsmöglichkeiten in Gasthöfen und Hotels zur Verfügung. Überdies ist es weithin – auch im Baugewerbe – üblich geworden, daß sich auswärts beschäftigte Arbeitnehmer ihre Unterkunft selbst suchen. Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes sehen dies als den Regelfall an.

Im übrigen sind die Arbeitnehmer nicht verpflichtet, ihnen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Unterkünfte auch zu benutzen. Sie können sich jederzeit selbst Unterkünfte suchen. Die Tarifvertragsparteien haben dem in § 7 Nr. 4.4. BRTV-Bau Rechnung getragen: Das Recht des Arbeitgebers, den dort bezeichneten Betrag einzubehalten, knüpft nicht daran an, daß eine Unterkunft bereitgestellt wird, sondern daran, daß der auslösungsberechtigte Arbeitnehmer in einer solchen Unterkunft übernachtet.

3. Nach Sinn und Zweck ist § 120 c Abs. 4 Nr. 1 GewO also dahin auszulegen, daß eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Unterkünfte für die Nacht zur Verfügung zu stellen, dann nicht besteht, wenn geeignete den gesetzlichen Anforderungen genügende Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist (ähnlich Karthaus/Müller, a.a.O., S. 366; einschränkend auch Landmann/Rohmer/Meyer, GewO, § 120 c Rz 31, a.E.).

Gibt es in bestimmten Gebieten, etwa während einer Messe oder während der Hauptsaison in Kurorten nur noch Übernachtungsmöglichkeiten in Hotels einer besonderen Preisklasse, so wird es dem Arbeitnehmer regelmäßig nicht zuzumuten sein, die geforderten hohen Preise, die mit den gezahlten Auslösungen nicht abzudecken sind, aus eigener Tasche zu zahlen. Andererseits ist nicht schon jede Übernachtungsmöglichkeit unzumutbar, die teurer als die Hälfte der tariflichen Auslösung ist.

Ob preislich angemessene und in der Ausstattung zumutbare Übernachtungsmöglichkeiten bestanden, wird sich im Nachhinein nicht immer leicht feststellen lassen. In diesem Zusammenhang ist das Verhalten des Arbeitnehmers von Bedeutung. Verlangt er weder vor noch während einer seines Auswärtseinsatzes vom Arbeitgeber die Bereitstellung einer Unterkunft und macht er auch sonst nicht deutlich, daß er es für unzumutbar hält, sich selbst eine Unterkunft zu suchen oder daß die vorhandenen Unterkünfte zu teuer sind, so spricht das dafür, daß zumutbare Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden sind. Der Arbeitgeber ist dann nicht verpflichtet, Unterkünfte bereitzustellen.

4. Im Streitfall haben die Kläger sich selbst eine Unterkunft gesucht. Sie haben zu keiner Zeit von der Beklagten die Bereitstellung einer Übernachtungsmöglichkeit verlangt und zumindest während ihrer auswärtigen Beschäftigung ihr gegenüber auch nicht erklärt, daß sie die Inanspruchnahme vorhandener Betten in Gasthäusern und Hotels für unzumutbar hielten. Die Kosten ihrer Unterbringung überstiegen auch nicht einen angemessenen Rahmen.

 

Unterschriften

Griebeling, Schliemann, Reinecke, Dr. Hirt, Horst Kraft

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1092963

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge