Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterkunftsgeld für Übernachtung in Baustellenunterkünften

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Vereinbarung eines Unterkunftsgeldes für die Übernachtung auslösungsberechtigter Bauarbeiter in den gemäß § 120c Abs 4 GewO an der Baustelle bereitgestellten Unterkünften verstößt nicht gegen gesetzliche oder tarifliche Vorschriften.

 

Orientierungssatz

Auslegung der §§ 1 und 3 des Tarifvertrages über die Auslösungssätze für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin vom 3. Mai 1982.

 

Normenkette

BauRTV § 7 Nr. 4; GewO § 120c Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.05.1987; Aktenzeichen 4 Sa 178/87)

ArbG Essen (Entscheidung vom 30.10.1986; Aktenzeichen 1 Ca 2540/86)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte von den Klägern eine Kostenbeteiligung dafür verlangen kann, daß sie in den an der Baustelle gem. § 120 c Abs. 4 GewO bereitgestellten Unterkünften übernachten.

Die Kläger sind Bauarbeiter und werden von der Beklagten auf auswärtigen Baustellen eingesetzt. Dafür erhalten sie gem. § 7 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Auslösungen.

Die Beklagte stellte ihren Arbeitnehmern bis zum Jahre 1982 auf auswärtigen Baustellen kostenlos Unterkünfte zum Wohnen zur Verfügung.

Als die Beklagte im Jahre 1982 eine Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer hierfür verlangte, beantragte der Betriebsrat eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel, der Beklagten zu untersagen, Unterkunftsgelder zu erheben. In diesem Beschlußverfahren wurde am 1. September 1982 ein Vergleich abgeschlossen, wonach die Beklagte ab 1. Oktober 1982 ein Unterkunftsgeld von 4,-- DM arbeitstäglich pro Unterkunftsplatz erhebt.

Im Frühjahr 1986 verhandelte die Beklagte über eine Erhöhung des Unterkunftsgeldes, weil es nach ihrer Ansicht auf 8,50 DM arbeitstäglich pro Unterkunftsplatz angehoben werden müßte. Nachdem diese Verhandlungen scheiterten, teilte die Beklagte durch einen Aushang an den Baustellen eine entsprechende Erhöhung auf einen Satz von 8,50 DM ab 1. Juni 1986 mit. Dagegen hat der Betriebsrat ein Beschlußverfahren angestrengt und zunächst verlangt, der Beklagten zu verbieten, mehr als 4,-- DM für jeden Unterkunftsplatz arbeitstäglich zu erheben. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat er beantragt, der Beklagten die Erhebung von Unterkunftsgeldern völlig zu verbieten. Das Arbeitsgericht hat mit rechtskräftigem Beschluß vom 9. Juli 1986 den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Beklagte hat daraufhin von den Klägern im Juli 1986 Unterkunftsgeld in der von ihr beanspruchten Höhe von 8,50 DM arbeitstäglich vom Lohn einbehalten. Die Kläger fordern in diesem Rechtsstreit diesen Betrag in voller Höhe zurück und der Kläger zu 2 (C) außerdem das Unterkunftsgeld für den Monat Mai auf der Grundlage eines Tagessatzes von 4,-- DM arbeitstäglich.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger zu 1 127,50 DM netto nebst

4 % Zinsen und

an den Kläger zu 2 82,-- DM netto nebst

4 % Zinsen sowie

an den Kläger zu 3 136,-- DM netto nebst

4 % Zinsen

jeweils ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hält sich zur Anhebung des Übernachtungsgeldes auf einen Satz von 8,50 DM arbeitstäglich für berechtigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Kläger wollen mit der Revision die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision konnte nur Erfolg haben, soweit die Beklagte ein Übernachtungsgeld von mehr als 4,-- DM arbeitstäglich im Juli 1986 vom Lohn einbehalten hat. Dementsprechend war auf die Berufung der Beklagten das der Klage in vollem Umfang stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern.

I. Die Beklagte ist berechtigt, für eine Übernachtung in der auf der Baustelle bereitgestellten Unterkünften eine Kostenbeteiligung von 4,-- DM zu erheben. Zwar hat sie das mit den Klägern nicht ausdrücklich einzelvertraglich vereinbart. Sie haben jedoch in der Vergangenheit dafür 4,-- DM ohne Widerspruch bezahlt. Darin hat das Landesarbeitsgericht zu Recht eine stillschweigende Vereinbarung über eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung gesehen. Dem ist zu folgen.

Nachdem die Beklagte zunächst bis zum Jahre 1982 keine Kostenbeteiligung verlangt hatte, änderte sie das nach einem Vergleich vom 1. September 1982 mit dem Betriebsratsvorsitzenden im Beschlußverfahren. Es ist nicht zu entscheiden, ob darin zugleich der Abschluß einer Betriebsvereinbarung zu sehen ist, wie die Beklagte meint. Sie hat mit ihrem Betriebsrat keine dem Wortlaut des Vergleichs entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Ob der nach § 83 a ArbGG zulässige Vergleich eine Betriebsvereinbarung ersetzt, kann offen bleiben, weil der im Vergleich vom 1. September 1982 vereinbarte Tagessatz von 4,-- DM von den Klägern bis zu der von der Beklagten versuchten Anhebung vier Jahre lang bezahlt worden ist. Dadurch ist eine Kostenbeteiligung in diesem Umfang Bestandteil der Arbeitsverträge mit den Klägern geworden (vgl. hierzu BAG Urteil vom 8. Juli 1960 - 1 AZR 72/60 - AP Nr. 2 zu § 305 BGB; BAG Urteil vom 20. Mai 1976 - 2 AZR 202/75 - AP Nr. 4 zu § 305 BGB, zu 2 b der Gründe).

II. Dagegen kann dem Landesarbeitsgericht nicht gefolgt werden, soweit es eine Kostenbeteiligung der Kläger über die ursprünglich vereinbarten 4,-- DM hinaus in Höhe von 8,50 DM arbeitstäglich für zulässig hält. Dazu fehlt es an einem Einverständnis der Kläger, denn sie haben gegen einen entsprechenden Lohnabzug der Beklagten im Juli 1986 in dem darauffolgenden Monat Klage erhoben und damit ihren Widerspruch deutlich gemacht. Zwar meint das Landesarbeitsgericht, die Kläger hätten eingesehen, daß eine Erhöhung wirtschaftlich notwendig gewesen sei. Es ist jedoch nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang die Kläger das erklärt haben sollen. Entsprechende tatsächliche Feststellungen hierzu fehlen. Darauf kommt es aber nicht an, weil die Einsicht der Kläger, wenn sie vorhanden gewesen sein sollte, nicht ihr Einverständnis zur Vertragsänderung ersetzt.

III. Die hiernach vereinbarte Kostenbeteiligung von nur 4,-- DM arbeitstäglich verstößt nicht gegen gesetzliche oder tarifliche Vorschriften.

1. Nach § 120 c Abs. 4 Nr. 1 GewO hat der Arbeitgeber den auf einer Baustelle beschäftigten Arbeitnehmern Unterkünfte für die Freizeit auf der Baustelle oder in deren Nähe "bereitzustellen", soweit sie ihre Wohnung nicht erreichen können. Dieser Gesetzeswortlaut steht einer vereinbarten Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer für die Benutzung der Unterkunft nicht entgegen. Der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Regelung das Ziel, zum Schutze der Gesundheit und des sittlichen Empfindens der Arbeitnehmer eine Mindestausstattung der Wohn- und Schlafräume zu gewährleisten, wie sich aus dem § 120 c Abs. 1 bis Abs. 3 GewO entnehmen läßt. Der Gesetzgeber wollte damit aber nicht eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers für die Benutzung der Unterkünfte ausschließen, wie sich aus der Begründung zum Entwurf des Gesetzes ergibt (vgl. BT-Drucks. 7/262 S. 4 zu A). Dort ist zu dem Gesetzesvorhaben ausgeführt, daß der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Unterkünfte "mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet". Damit kann nur eine entgeltliche Nutzungsregelung gemeint sein.

Der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, daß die Arbeitnehmer für die Übernachtungskosten eine Auslösung erhalten. Das trifft auch für die Kläger zu, denn nach dem "Tarifvertrag über die Auslösungssätze für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin vom 3. Mai 1982" hat die Auslösung in diesem Zeitraum bei einer Beschäftigung bis zu sieben Kalendertagen 49,20 DM und darüber hinaus kalendertäglich 41,-- DM betragen und diente gem. § 3 des vorgenannten Tarifvertrages zum Ersatz für den Verpflegungsmehraufwand "und Übernachtung (Unterkunft)".

2. Das vereinbarte Unterkunftsgeld in Höhe von 4,-- DM arbeitstäglich verstößt auch nicht gegen tarifliche Vorschriften. Die Tarifvertragsparteien haben erst mit Wirkung ab 1. Mai 1988 ein Unterkunftsgeld vereinbart. Danach kann der Arbeitgeber für jede Übernachtung in einer von ihm zur Verfügung gestellten ordnungsgemäßen Unterkunft von dem auslösungsberechtigten Arbeitnehmer einen "Betrag bis zur Höhe des halben Gesamttarifstundenlohns der Berufsgruppe III von der tariflichen Auslösung einbehalten". Diese Neuregelung betrifft aber nicht den Zeitraum, für den die Kläger eine Kostenbeteiligung in niedrigerer Höhe von 4,-- DM arbeitstäglich vereinbart haben. Es ist in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden, welche Folgen sich aus der tariflichen Neuregelung für die Höhe der Übernachtungskosten der Kläger in Zukunft ergeben.

IV. Die den Klägern zuerkannten Beträge errechnen sich wie folgt:

Die Beklagte hat dem Kläger zu 1 (B) für 15 Übernachtungen 8,50 DM = 127,50 DM vom Lohn abgezogen. Sie war demgegenüber nur zum Abzug von 15 x 4,-- DM = 60,-- DM berechtigt. Aus dieser Differenz ergibt sich der dem Kläger zugesprochene Betrag von 67,50 DM.

Der Kläger zu 2 (C) hat für den Monat Mai die Rückforderung des Übernachtungsgeldes in Höhe von 4,-- DM arbeitstäglich gefordert. Dazu ist er nicht berechtigt, weil die Beklagte mit ihm eine entsprechende Kostenbeteiligung vereinbart hat. Er kann nur für vier Übernachtungen den über den Satz von 4,-- DM hinausgehenden Betrag von 4,50 DM = 18,-- DM zurückfordern.

Die Beklagte hat dem Kläger zu 3 H für 16 Übernachtungen 136,-- DM im Juli 1986 vom Lohn abgezogen. Sie war aber nur zum Abzug von 4,-- DM für jede Übernachtung berechtigt und muß ihm den darüber hinausgehenden Betrag von 16 x 4,50 DM = 72,-- DM erstatten.

Die Zinsforderung berechnet sich aus den §§ 288, 291 BGB.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Liebsch Wengeler

 

Fundstellen

DB 1989, 686 (LT1)

RdA 1989, 69

AP § 120c GewO (LT1), Nr 1

ArbuR 1989, 58-58 (LT1)

EzA § 120c GewO, Nr 1 (LT1)

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