Das Wichtigste in Kürze:

1. Auch im Verfahrensabschnitt "Hauptverhandlung" kann sich für den Verteidiger die Frage stellen, ob und ggf. in welchem Umfang er gegen gerichtliche Maßnahmen/Anordnungen (noch) in diesem Verfahrensstadium Beschwerde einlegen kann.
2. Beschwerde kann i.Ü. nicht nur gegen eine dem Mandanten ungünstige Entscheidung eingelegt werden kann, sondern grds. auch gegen die Unterlassung einer rechtlich gebotenen Entscheidung.
3. In bestimmten Fällen ist die Beschwerde gesetzlich ausgeschlossen.
4. Für die Praxis von erheblicher Bedeutung ist die Vorschrift des § 305. Nach dessen S. 1 unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilfällung vorausgehen, nicht der Be­schwerde.
5. Die Beschwerde ist nicht fristgebunden, sie wird schriftlich eingelegt. Begründet werden muss sie nicht.
6. Das Beschwerdeerfahren ist in den §§ 306 ff. geregelt.
 

Rdn 908

 

Literaturhinweise:

Börner, Grenzfragen der Akteneinsicht nach Zwangsmaßnahmen, NStZ 2010, 417

Burhoff, Die Abrechnung von Beschwerden in Straf- und Bußgeldsachen, RVGreport 2012, 12

Ellersiek, Die Beschwerde im Strafprozeß, 1981

Gimbel, Einführung einer allgemeinen Untätigkeitsbeschwerde im Strafprozess durch Gesetz. Begrüßenswerte Neuerung oder Irrweg?, ZRP 2004, 35

Graßmann, Rechtsbehelfe gegen Unterlassen im Strafverfahren, 2004

Hillenbrand, Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren – Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, StRR 9/2020, 4

Hoffmann, Die Untätigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bei Nichtentscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens – Versuch einer Grenzziehung, NStZ 2006, 256

Kotz, Verzögerungsrüge als Fallbeil für die Untätigkeitsbeschwerde, StRR 2012, 207

Meyer-Mews, Rechtsschutzgarantie und rechtliches Gehör im Strafverfahren, NJW 2004, 716

Schlicht/Leipold, Zur praktischen Anwendung des § 307 Abs. 2 StPO, StraFo 2005, 90

Schmidt, Zur Bindungswirkung strafprozessualer Beschwerdeentscheidungen für das erkennende Gericht, NStZ 2009, 243

Weidemann, Die Stellung der Beschwerde im funktionalen Zusammenhang der Rechtsmittel des Strafprozesses, 1999

s.a. die Hinw. bei Burhoff, EV, Rn 3951.

 

Rdn 909

1. Auch im Verfahrensabschnitt "Hauptverhandlung" kann sich für den Verteidiger die Frage stellen, ob und ggf. in welchem Umfang er gegen gerichtliche Maßnahmen/Anordnungen (noch) in diesem Verfahrensstadium Beschwerde einlegen kann. Das beruht einerseits darauf, dass die Beschwerde nicht auf das Verfahrensstadium EV beschränkt ist, sondern nach § 304 Abs. 1 grds. gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des (Gerichts-)Vorsitzenden zulässig ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 304 Rn 1; eingehend zur Beschwerde Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 399 ff.), soweit es sich nicht nur um vorbereitende Maßnahmen, wie Mitteilungen und Ankündigungen handelt (vgl. insoweit z.B. OLG Hamburg NJW 1998, 1328 [die Abmahnung eines Verteidigers wegen nicht justizförmigen Verhaltens ist nicht beschwerdefähig]). Andererseits ergeben sich aber aus § 305 S. 1 Beschränkungen, die der Zulässigkeit einer Beschwerde im Verfahrensstadium "Hauptverhandlung" entgegenstehen können (dazu Teil B Rdn 929 ff.). Wegen dieser – teilweise eingeschränkten – Bedeutung der Beschwerde sollen die damit zusammenhängenden Fragen auch hier dargestellt werden (zur Beschwerde im EV Burhoff, EV, Rn 1169 ff.).

 

Rdn 910

2.a) Beschwerde kann i.Ü. nicht nur gegen eine dem Mandanten ungünstige Entscheidung eingelegt werden kann, sondern grds. auch gegen die Unterlassung einer rechtlich gebotenen Entscheidung. Das gilt i.d.R. jedoch nur dann, wenn die unterlassene Entscheidung selbst oder deren Ablehnung anfechtbar ist (h.M.; vgl. BGH NJW 1993, 1279 f. m.w.N.; OLG Hamm JMBl. NW 1981, 69) und die Unterlassung einer endgültigen Ablehnung gleichkommt. Eine reine Untätigkeitsbeschwerde ist der StPO fremd (BGH, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 304 Rn 3; dazu Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 560 ff., Gimbel ZRP 2004, 35 sowie Graßmann, a.a.O., und vor allem Hoffmann NStZ 2006, 256, der im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz für eine erweiterte Zulassung einer Untätigkeitsbeschwerde der StA plädiert).

 

Rdn 911

 

b) Hinweis für den Verteidiger!

Die Diskussion über die (Un)Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde ist nach Einführung der Verzögerungsrüge in § 198 GVG durch das "Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichts­verfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" v. 24.11.2011 (→ Verfahrensverzögerung, Allgemeines, Teil V Rdn 3292; → Verfahrensverzögerung, Verzögerungsrüge, Teil V Rdn 3323) neu entfacht. Die inzwischen wohl h.M. in der obergerichtlichen Rspr. vertritt dazu die Auffassung, dass nach Einführung des § 198 GVG eine Untätigkeitsbeschwerde unstatthaft bzw. unzulässig sei (vgl. BGH NJW 2013, 385; KG VRR 2012, 202 [Ls.]; StRR 5/2016, 2 [Ls.]; Beschl. v. 7.11.2013 – 2 Ws 516/13 Vollz; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2013, 264; OLG Hamburg NStZ 2012, 656; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.11.2012 – 2 Ws 424/12 [Strafvollzugs...

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