Tenor

Die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt P. eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Verstoßes gegen die Abgabenordnung. Er wendet sich mit seiner Beschwerde vom 13. September 2013 gegen die vermeintliche Untätigkeit der Strafvollstreckungskammer bezüglich seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 28. März 2013 wegen der Zulassung zu Vollzugslockerungen und zum offenen Vollzug.

II.

Die von dem Gefangenen erhobene Untätigkeitsbeschwerde ist schon nicht statthaft und war daher als unzulässig zu verwerfen.

1. Die früher von Teilen der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur befürwortete Untätigkeitsbeschwerde ist jedenfalls seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) am 3. Dezember 2011 nicht mehr statthaft (vgl. BGH NJW 2013, 385 f.; OLG Hamburg NStZ 2012, 656; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23. Januar 2012 - 1 O 4/12 u.a. - juris; OLG München, Beschluss vom 21. März 2013 - 4 VAs 5/13 - juris; OLG Düsseldorf NJW 2012, 1455 f.; OLG Rostock, Beschluss vom 25. Juli 2012 - I Ws 176/12 - juris; OLG Brandenburg MDR 2012, 305; KG, Beschluss vom 15. März 2012 - 8 W 17/12 - juris Meyer-Goßner, StPO 56. aufl. § 304 Rdn. 3).

a) Grund für diese neue gesetzliche Regelung des Rechtsschutzes war in erster Linie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser leitete erstmals mit Urteil vom 26. Oktober 2000 - 30210/96 - aus Art. 13 EMRK ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die Verletzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK - der ein Recht auf Rechtsschutz "innerhalb angemessener Frist" gewährt - durch überlange Gerichtsverfahren ab (vgl. EGMR NJW 2001, 2694). Ein Rechtsbehelf dagegen ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dann wirksam, wenn der Beschwerdeführer mit ihm entweder die Entscheidung des zuständigen Gerichts beschleunigen (präventive Wirkung) oder angemessene Wiedergutmachung für schon eingetretene Verzögerungen erlangen kann (kompensatorische Wirkung). Mit Urteil vom 8. Juni 2006 - 75529/01 - entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass ein effektiver Rechtsbehelf in diesem Sinne zur damaligen Zeit in der Bundesrepublik Deutschland nicht zur Verfügung stand (vgl. EGMR NJW 2006, 2389). Zwar war als außerordentlicher Rechtsbehelf bei überlanger Verfahrensdauer überwiegend eine Untätigkeitsbeschwerde anerkannt, aber eine gesetzliche Grundlage für eine solche fehlte. Vielmehr wurde die Untätigkeitsbeschwerde richterrechtlich entwickelt, um eine gesetzliche Rechtsschutzlücke zu schließen (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen OLG Frankfurt NJW 2007, 852; KG NJW-RR 2008, 598).

b) Um den Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an einen wirksamen Rechtsschutz gerecht zu werden, erließ der deutsche Gesetzgeber die §§ 198 ff. GVG und entschied sich hiermit für einen in erster Linie kompensatorischen Rechtsschutz. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG begründet bei einer Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK auf Rechtsschutz in angemessener Zeit einen verschuldensunabhängigen, staatshaftungsrechtlichen Anspruch auf Ausgleich dadurch entstandener materieller und immaterieller Nachteile. Grundsätzliche Voraussetzung für das Entstehen dieses Anspruchs ist gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG die Erhebung einer Verzögerungsrüge bei dem mit der Sache befassten Gericht. Die Verzögerungsrüge ist ihrem Rechtscharakter nach jedoch kein förmlicher Rechtsbehelf, sondern eine bloße Obliegenheit (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 16). Zum einen soll sie ein Vorgehen des Betroffenen nach dem Grundsatz des "Dulde und Liquidiere" ausschließen, zum anderen soll sie präventiven Gesichtspunkten Rechnung tragen, indem sie das Gericht zur Verfahrensförderung veranlasst (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 16; OLG Hamburg aaO.; Kissel/Mayer, GVG 7. Auflage, § 198 Rn. 2; ausführlich zur Neuregelung: Burhoff, HB Ermittlungsverfahren 6. Aufl., Rdn. 3184 ff.). Die §§ 198 ff. GVG erfassen in sachlicher Hinsicht bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen, Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Strafsachen, wobei § 199 Abs. 1 GVG die Einbeziehung auch der Strafsachen klarstellt und hierzu zusätzliche Bestimmungen enthält.

2. Bei dem als "Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf des Gefangenen vom 13. September 2013 handelt es sich nicht um eine Verzögerungsrüge im dargestellten Sinne, sondern um eine Untätigkeitsbeschwerde. Dies hat der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers - auf den gerichtlichen Hinweis auf die Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels nach der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung hin - mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2013 ausdrücklich klargestellt und an seiner abweichenden Auffassung zur Zulä...

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