Leitsatz (amtlich)

1. Eine Untätigkeitsbeschwerde ist aus verfassungsrechtlichen Gründen ausnahmsweise statthaft.

2. Ob eine Nichtbearbeitung oder eine verzögerte Bearbeitung des Verfahrens anzunehmen ist, ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung.

3. In einem selbständigen Beweisverfahren ist es Sache des Antragstellers, zu prüfen, ob das Gutachten seinen Beweisanträgen entspricht.

 

Normenkette

ZPO §§ 485, 492, 567

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-23 OH 18/01)

 

Tenor

Die Untätigkeitsbeschwerde des Antragstellers vom 27.10.2006 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

In dem vorliegenden selbständigen Beweissicherungsverfahren hat der Sachverständige A am 24.3.2003 sein Gutachten erstattet, welches dem Antragsteller auf Verfügung der Vorsitzenden Richterin am 3.4.2003 (Bl. 582 d.A.) zugestellt worden ist. Einen Antrag auf Ergänzung und Erläuterung hat der Antragsteller zunächst nicht gestellt. Erstmals mit Schriftsatz vom 26.10.2006 (Bl. 586 d.A.), beim LG eingegangen am 27.10.2006, macht der Antragsteller geltend, das Sachverständigengutachten sei unvollständig, da es nicht die Kosten der Mängelbeseitigung ermittelt und die erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbeseitigung nicht im Einzelnen beschrieben habe. Gleichzeitig hat der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde erhoben und mit Schriftsatz vom 6.12.2006 begründet, weshalb das Verfahren nicht beendet sei.

Für die Entscheidung über die Untätigkeitsbeschwerde ist gemäß Teil B, Ziff. 16 Abs. 2 Buchstabe a) der Geschäftsverteilung des OLG Frankfurt der 1. Zivilsenat des OLG aufgrund Sachzusammenhangs mit dem Beschwerdeverfahren 1 W 53/02 zuständig.

Die Untätigkeitsbeschwerde ist unzulässig; denn das LG hat nicht die Bearbeitung des Verfahrens verzögert oder verweigert. Das vorliegende Beweissicherungsverfahren ist nämlich beendet.

Zwar erachtet des Senat mit einer aus verfassungsrechtlichen Gründen im Vordringen befindlichen Auffassung eine Untätigkeitsbeschwerde bei Vorliegen besonderer Umstände als an sich statthaft (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 567 Rz. 21; OLG Naumburg OLGReport Naumburg 2006, 408; KG v. 22.10.2004 - 18 WF 156/04, KGReport Berlin 2005, 22 = MDR 2005, 455; OLG Zweibrücken v. 10.9.2002 - 4 W 65/02, OLGReport Zweibrücken 2003, 102 = NJW-RR 2003, 1653). Diese besonderen Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Erforderlich wäre nämlich, dass eine Untätigkeit des Vordergerichts im Sinne einer Nichtbearbeitung oder verzögerten Bearbeitung des Verfahrens anzunehmen wäre. Hierbei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung.

Denn das Rechtsmittelsystem der ZPO setzt für den Regelfall den Erlass einer Entscheidung voraus, die angefochten und deren Richtigkeit überprüft werden soll (KG, a.a.O.; Zöller-Gummer, a.a.O.). Fehlt eine solche vorinstanzliche Entscheidung, aus welcher sich eine Beschwer des Rechtsmittelführers als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, a.a.O., vor § 511 Rz. 8 und 10) ergibt, kann die Beschwer stattdessen darin liegen, dass das Vordergericht in dem genannten Sinn untätig geblieben ist. Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn das vorliegende selbständige Beweisverfahren ist seit dem 3.4.2003 beendet.

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass ein selbständiges Beweisverfahren wie das vorliegende mit dem Zugang des Sachverständigengutachtens an die Parteien endet, sofern weder das Gericht in Ausübung des ihm nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO eingeräumten Ermessens eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat, noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Erhalt des Gutachtens Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitgeteilt haben (BGH, Urt. v. 20.2.2002 - VII ZR 228/00, BGHZ 150, 55 unter II.1. b der Gründe; Zöller/Herget, a.a.O., § 492 Rz. 4; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 204 Rz. 39). Da hier eine Fristsetzung nicht erfolgt ist, kommt es darauf an, welcher Zeitraum als angemessen anzusehen ist, innerhalb dessen von den Parteien des Verfahrens zu erwarten war, dass sie Ergänzungsfragen etc. mitteilen. Da der Zeitpunkt der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens von maßgeblicher Bedeutung ist für das Ende der Verjährungshemmung gem. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB, welche gem. § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB durch den Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens erfolgt ist, hat ein Antrag auf Ergänzung oder Erläuterung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Zustellung des Gutachtens zu erfolgen (Zöller/Herget, a.a.O.; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl. 2005, Rz. 113). Dieser Zeitraum wird üblicherweise je nach Umfang und Komplexität des Gutachtens auf einen bis sechs Monate angesetzt (vgl. nur Zöller/Herget, a.a.O.).

Die danach anzulegende wertende Betrachtung führt zu dem Ergebnis, dass hier die als angemessen anzusehende Frist im Laufe des Jahres 2003 abgelaufen ist, ohne dass es angesichts der erstmals mit Schriftsatz vom 26.10.2006 begehrten Ergänzung des Gutachtens auf ...

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