Das Wichtigste in Kürze:

1. Durch das "Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" ist eine Entschädigungsregelung eingeführt, worden, die ggf. bei überlangen Verfahren greift.
2. Die Regelung der Entschädigung ist im Wesentlichen in den §§ 198, 199 GVG erfolgt. Sie gilt auch für das Bußgeldverfahren.
3. Unter "Gerichtsverfahren" ist nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG jedes Straf-/Bußgeldverfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss zu verstehen.
4. Mit dem Begriff "Verfahrensbeteiligter" i.S. des § 198 Abs. 1 GVG sind alle die Personen und Stellen gemeint, die nach der StPO im Strafverfahren eine Prozessrolle ausüben.
5. Eine Entschädigung kommt in Betracht, wenn die angemessene Verfahrensdauer überschritten ist.
5. Ein Entschädigungsanspruch setzt nach § 198 Abs. 3 GVG voraus, dass im Ausgangsverfahren die sog. Verzögerungsrüge erhoben worden ist.
6. Umfang und Höhe des Entschädigungsanspruchs sind in § 198 Abs. 1 und 2 GVG geregelt.
7. Einen Entschädigungsanspruch muss der Betroffene ggf. auf im Entschädigungsprozess klageweise durchsetzen.
 

Rdn 3324

 

Literaturhinweise:

Althammer/Schäuble, Effektiver Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer – Das neue Gesetz aus zivilrechtlicher Perspektive, NJW 2012, 1

Burhoff, Verfahrensverzögerung, überlange Gerichtsverfahren und Verzögerungsrüge – die Neuregelungen im GVG, StRR 2012, 4

ders., Verfahrensverzögerung, überlange Gerichtsverfahren und Verzögerungsrüge – die Neuregelungen im GVG, VRR 2012, 44

ders., Entschädigung für überlange Straf- und Bußgeldverfahren – die Neuregelungen im GVG. ZAP F. 22, S. 591

Geipel, Das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren aus zivilrechtlicher Sicht, ZAP F. 13, S. 1767

Gercke/Heinisch, Auswirkungen der Verzögerungsrüge auf das Strafverfahren, NStZ 2012, 300

Goebel, Verzögerungsrüge in Kostenfestsetzungsverfahren, FMP 2019, 107

Graf, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, NZWiSt 2012, 221

Kotz, Auch wer schläft, sündigt!, ZRP 2011, 85

ders., Verzögerungsrüge als Fallbeil für die Untätigkeitsbeschwerde, StRR 2012, 207

Mack/Wollweber, Neues Gesetz zur Entschädigung bei "überlangen Gerichts- und Steuerstrafverfahren", Stbg 2012, 1

Mosbacher, Die Abgrenzung von Verfahrens- und Sachrüge in der erweiterten Revision, StraFo 2021, 312

Ossenbühl, Staatshaftung bei "überlangen Gerichtsverfahren", DVBl 2012, 857

H. Schneider, Kosten in Rechtsschutzverfahren bei überlangen Gerichtsverfahren, AGS 2012, 53

N. Schneider, Abrechnung in Verfahren nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, RVGreport 2012, 82

Sommer, Die Verzögerungsrüge: "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", StV 2012, 107

Steinbeiß-Winkelmann, Amtshaftungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer, NJW 2014, 1276

Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren – eine Zwischenbilanz anhand der Rechtsprechung, NJW 2014, 177

Volkmer, Geldentschädigung bei überlanger Verfahrensdauer?, NStZ 2008, 608

s.a. die Hinw. bei → Haftfragen, Teil H Rdn 2030, und bei → Verfah­rensverzögerung, Allgemeines, Teil V Rdn 3292.

 

Rdn 3325

1.a) Es ist in der Vergangenheit immer wieder beklagt worden, dass auch Strafverfahren zu lange dauern (dazu allgemein Lückemann MDR 2016, 961). Die (zu) lange Dauer von (Straf)Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland ist in der Vergangenheit auch vom schon der EGMR mehrfach gerügt worden (vgl. z.B. NJW 2006, 2972; StV 2009, 519; vgl. zur Vollstreckungslösung in der Rspr. BGHSt 52, 124; → Verfahrensverzögerung, Allgemeines, Teil V Rdn 3292). Dieser hat auch eine innerstaatliche Entschädigungsregelung angemahnt (vgl. EGMR NJW 2001, 2694; dazu Sommer StV 2012, 107, 108; Liebhart NStZ 2017, 254, 255; zur Vollstreckungslösung des BGH grundlegend BGHSt 52, 124). Die damit zusammenhängenden Fragen sind dann vom Gesetzgeber im "Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" v. 24.11.2011 geregelt worden. Dieses hat in den §§ 198, 199 GVG eine Entschädigungsregelung eingeführt (dazu Teil V Rdn 3346 ff.). Eine (potentielle) Entschädigung hängt nach § 198 Abs. 3 GVG aber davon ab, dass im Laufe des Verfahrens eine sog. Verzögerungsrüge erhoben wird (dazu Teil V Rdn 3335 ff.; zu den Auswirkungen auf die Untätigkeitsbeschwerde Kotz StRR 2012, 207 und → Beschwerde, Teil B Rdn 907; krit. zur Neuregelung Ossenbühl DVBl 2012, 857; zu den Erfahrungen mit der gesetzlichen Neuregelung BT-Drucks 18/2950).

 

Rdn 3326

b) Die §§ 198 ff. GVG sind am 3.12.2011 in Kraft getreten (vgl. BGBl I. S. 2302). Für zu dem Zeitpunkt bereits anhängige Verfahren, die ggf. auch heute noch anhängig sind, gilt die Übergangsregelung des Art 23 des Gesetzes. Da davon ausgegangen werden kann, dass derzeit keine Verfahren mehr anhängig sind, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes anhängig waren, sollen auf nähere Einzelh. dazu verzichtet werden (dazu Vorau...

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