Das Wichtigste in Kürze:

1. Auch die Beschlagnahme steht unter besonderer Geltung des Verhältnismäßigkeitsgebots.
2. Die Beschlagnahme muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen und für die Ermittlungen notwendig sein.
3. Es ist auch bei der Beschlagnahme zunächst immer zu prüfen, ob nicht ein milderes Mittel zur Verfügung steht.
 

Rdn 1066

 

Literaturhinweise:

s. die Hinw. bei → Beschlagnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 892, bei → Durchsuchung, Allgemeines, Teil D Rdn 1742, und bei den übrigen u.a. Stichworten.

 

Rdn 1067

1. Auch die Beschlagnahme steht unter besonderer Geltung des Verhältnismäßigkeitsgebots. Die dazu bei der Durchsuchung gemachten Ausführungen gelten entsprechend (vgl. u.a. BVerfG NJW 1994, 3281; NJW 2007, 1804; 2007, 1117; 2008, 2422; 2009, 281; 2009, 2518; 2011, 1859 [Durchsuchung der Geschäftsräume eines Rundfunksenders]; NJW 2011, 1863; Beschl. v. 29.7.2020 – 2 BvR 1188/18, StRR 11/2020, 14; BRAK-Mitt. 2011, 79 [Ls.]; → Durchsuchung, Anordnung, Verhältnismäßigkeit, Teil D Rdn 1818 ff., m.w.N.).

 

☆ Auch bei der Beschlagnahme ist zunächst also immer zu prüfen, ob nicht ein milderes Mittel zur Verfügung steht (dazu Teil B Rdn  1071 ).milderes Mittel zur Verfügung steht (dazu Teil B Rdn 1071).

Das gilt insbesondere auch, wenn es um die "heimliche Beschlagnahme" nach dem durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 (BGBl I, S. 2099) eingeführten § 95a geht (wegen der Einzelh. → Beschlagnahme, Zurückstellung der Benachrichtigung/"heimliche Beschlagnahme", Teil B Rdn 1104).

 

Rdn 1068

2.a) Die Beschlagnahme muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen und für die Ermittlungen notwendig sein (EGMR, Urt. v. 3.12.2019 – 14704/12, NJW 2020, 3507; BVerfG NJW 1966, 1603, 1607; 2009, 2431 für E-Mails; für Rechtsanwaltskanzlei BVerfG NJW 2002, 2458; 2005, 1917; 2014, 2265; StV 2014, 388 [Ls.] m. Anm. Burhoff StRR 2014, 177; für Pressebereich BVerfG NJW 2007, 1117; zur Unverhältnismäßigkeit bei der Beschlagnahme eines Fremdenpasses LG Berlin StV 1995, 459 f. bzw. eines Smartphones LG Kassel, Beschl. v. 23.9.2019 – 2 Qs 111719, StV 2020, 161; zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Beschlagnahmen in den Räumen einer Großbank BVerfG NJW 1995, 2839 m.w.N.; s.a. LG Köln StV 2002, 413 zur Fortdauer einer Beschlagnahme; zu allem Meyer-Goßner/Schmitt, § 94 Rn 18 ff. m.w.N.).

 

Rdn 1069

Dabei sind die Interessen des Verletzten und anderer Unbeteiligter von stärkerem Gewicht als die des Beschuldigten (wegen der weiteren Einzelh. zu den Fragen der Verhältnismäßigkeit LR-Menges, § 94 Rn 51 ff. m.w.N.). Auch der Zeitablauf kann eine Rolle spielen (KG, Beschl. v. 17.8.2006 – 5 Ws 40/06 zur (verneinten) Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme eines Pkw nach Ablauf von mehr als sechs Jahren).

 

Rdn 1070

b) Im Einzelnen ist hinzuweisen auf folgende

 

Rechtsprechungsbeispiele:

Das Verhältnismäßigkeitsgebot ist besonders zu beachten, wenn es um die Beschlagnahme von E-Mails (auf dem Mailserver des Providers) geht (vgl. BVerfG NJW 2009, 2431; LG Mannheim StV 2011, 352). Die Maßnahme muss vor allem in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (dazu bereits BVerfG NJW 2005, 1917; 2006, 976). Hierbei ist nicht nur die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren, sondern auch der Grad des auf die verfahrenserheblichen Gegenstände oder Daten bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten. Auf die E-Mails darf nur zugegriffen werden, wenn ein konkret zu beschreibender Tatvorwurf vorliegt, also mehr als nur vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen. Entscheidend sind auch die Bedeutung der E-Mails für das Strafverfahren und der Grad des Auffindeverdachts. Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden E-Mails sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Maßnahme entgegenstehen (BVerfG NJW 2004, 2431). Nach der Rspr. des BGH verstößt die Anordnung der Beschlagnahme des gesamten auf dem Mailserver des Providers gespeicherten Email-Bestandes i.d.R. gegen das Übermaßverbot (vgl. BGH NJW 2010, 1297; Meyer-Goßner/Schmitt, § 94 Rn 19a).
Geht es um die Beschlagnahme von Daten in einem sozialen Netzwerk sind besondere Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu stellen. Die vollständige Beschlagnahme des gesamten Accounts wird im Zweifel ausscheiden. Vielmehr werden nur die Daten beschlagnahmt werden dürfen, denen im konkreten Fall eine Beweisbedeutung zukommt, also z.B. der E-Mail-Verkehr mit bestimmten "Freunden"/Gruppen usw. (s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 94 Rn 16b m.w.N.).
Entsprechendes gilt, wenn es sich um die Durchsuchung und Beschlagnahme von Computerdateien, z.B. in einer Rechtsanwaltskanzlei, handelt (dazu BVerfG NJW 2002, 2458; 2005, 1917; 2009, 281; 2009, 2518; 2011, 2275; 2014, 2265; dazu auch EGMR NJW 2013, 3081; Urt. v. 16.10.2018 – 70288/13, NJW 2019, 2291; AG Aachen, ...

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