Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Beschlagnahme ist in der StPO grds. als offene Ermittlungsmaßnahmen ausgestaltet.
2. Durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 ist § 95a eingeführt worden. Der gibt die Möglichkeit, die Bekanntgabe einer Beschlagnahme in bestimmten Konstellationen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zurückzustellen. Damit ist eine ggf. teilweise "heimliche Beschlagnahme" eingeführt worden.
3. Die Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Benachrichtigung sind in § 95a Abs. 1 geregelt.
4. § 95a Abs. 2 ist die Anordnungskompetenz und der Inhalt der entsprechenden Anordnung geregelt.
5. Um sicherzustellen, dass der Beschuldigte nicht durch den Gewahrsamsinhaber Kenntnis über das Herausgabeverlangen und die Beschlagnahme erlangt, kann ihm nach § 95a Abs. 6 S. 1 ein Offenbarungsverbot aufgegeben werden.
6. Für den Fall der zunächst nichtgerichtlichen Beschlagnahmeanordnung ist in § 95a Abs. 3 geregelt, dass in dem Fall die Offenlegung/Benachrichtigung gegenüber dem mitbetroffenen Beschuldigten (§ 35 Abs. 2) zunächst unterbleiben kann.
7. Nach § 95a Abs. 4 S. 1 hat die Benachrichtigung des Beschuldigten über die Beschlagnahme zu erfolgen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks möglich ist.
8. Auf zwei Problembereiche muss der Verteidiger in Zusammenhang mit einer "heimlichen Beschlagnahme" sein besonderes Augenmerk richten. Das ist einmal die Frage des Rechtsschutzes und die sich ggf. ergebenden Beweisverwertungsverboten).
 

Rdn 1105

 

Literaturhinweise:

S. die Hinweise bei → Beschlagnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 892, bei → Beschlagnahme, Anordnung, Teil B Rdn 906, bei → Beschlagnahme, Bestätigung nichtrichterlicher Anordnungen, Teil B Rdn 979, und bei → Beschlagnahme, Durchführung, Teil B Rdn 1009.

 

Rdn 1106

1.a) Die Beschlagnahme ist in der StPO grds. als offene Ermittlungsmaßnahmen ausgestaltet: Das bedeutet, dass eine Beschlagnahme nach § 35 Abs. 2 den von ihr betroffenen Personen bekanntzumachen ist. Von der Beschlagnahme betroffene Personen sind vornehmlich der Beschuldigte und andere Verfahrensbeteiligte, aber auch Dritte, wenn ihre Rechte von der Beschlagnahme berührt werden. Im Falle der Beschlagnahme sind das alle natürlichen und juristischen Personen, in deren Gewahrsam durch die Beschlagnahme eingegriffen oder deren Eigentums- oder Besitzrechte dadurch berührt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, § 98 Rn 15). Zwar ist eine Zurückstellung der Bekanntgabe bis zum Beginn der Beschlagnahmemaßnahme zulässig (MüKo/StPO- Hauschild, § 98 Rn 21). Eine darüberhinausgehende Zurückstellung der Benachrichtigung nach Durchführung der Beschlagnahme wegen Gefährdung des Untersuchungserfolgs ist/war hingegen nach der Rspr. des BGH ausgeschlossen, eine analoge Anwendung von § 101 kommt nicht in Betracht (BGH, Beschl. v. 24.11.2009 – StB 48/09, NJW 2010, 1297, 1298).

 

Rdn 1107

b) Der Gesetzgeber hat hier eine Gefahr für Ermittlungen gesehen, weil die Aufdeckung der Beschlagnahme einen Ermittlungserfolg gefährden könne, da ggf. etwa zeitgleich durchgeführte heimliche Ermittlungsmaßnahmen ihren Sinn verlieren würden. Von Bedeutung sei dies in Konstellationen, in denen die Beschlagnahme zwar bei einer unverdächtigen dritten Person erfolge, durch die Beschlagnahme jedoch auch die Rechte des Beschuldigten betroffen seien, weil es sich um seine Sachen oder ihn betreffende Informationen oder Daten handele. Dies gelte insbesondere bei der Beschlagnahme von digital gespeicherten Informationen auf z.B. bei vom beim Provider gespeicherten E-Mails oder Chatinhalten, Inhalten eines Nutzerkontos eines sozialen Netzwerks sowie bei der Beschlagnahme von in einer Cloud gespeicherten Daten (→ Beschlagnahme, Durchführung, Teil B Rdn 1008; → Durchsuchung, Durchsicht von Papieren, Teil D Rdn 1906). Denn auch bei diesen handele es sich um beschlagnahmefähige und der Herausgabepflicht des § 95 unterliegende Gegenstände i.S. des 94 Abs. 1 (u.a. BVerfG NJW 2009, 2431; Meyer-Goßner/Schmitt, § 94 Rn 4 m.w.N.). Aber auch bei der Sicherstellung von körperlichen Gegenständen bei einem Dritten könne in Einzelfällen die anfängliche Geheimhaltung gegenüber dem Beschuldigten sinnvoll sein, um noch einige Zeit weiter ohne seine Kenntnis ermitteln zu können (zu allem BT-Drucks 19/27654, S. 59 unter Hinweis auf Ermittlungen in den Bereichen Kinderpornographie, Handel mit Waffen, Drogen, Hehlerware und sonstigen verbotenen Gegenständen sowohl im Internet als auch im sog. Darknet, aber auch im Bereich der Staatsschutzdelikte, der Cyberkriminalität).

 

Rdn 1108

2.a) Vor diesem Hintergrund ist durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 (BGBl I, S. 2099) § 95a eingeführt worden. Der gibt die Möglichkeit, die Bekanntgabe einer Beschlagnahme in bestimmten Konstellationen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zurückzustellen (dazu Teil B Rdn 1110 ff.). Diese Möglichkeit wird zwar als eine Ausnahme vom fortbestehenden Grundsatz der Offenheit der Beschlagnahme gesehen, die dahe...

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