So ist es leider fast immer mit Gesetzesreformen: Es soll verständlicher, praktikabler, einfacher werden, was bisher während eines mehr oder minder langen Gesetzeslebens für Verwirrung gesorgt und oft zu einem "Kessel bunter Entscheidungen" der Fachgerichte geführt hatte.

Nehmen wir einmal mehr das FamFG, lautstark angepriesen mit folgender Intention: Aufhebung des sprachlich und eigentlich in jeder Hinsicht nicht mehr angemessenen FGG! Einführung einer modernen Verfahrensordnung! Höheres Maß an Rechtssicherheit im Beschwerderecht!

Beschwerderecht? Wie ist das eigentlich im FamFG geregelt? Gibt es eine isolierte Beschwerdemöglichkeit gegen Kostenentscheidungen und wenn ja, mit oder ohne Beschwer? Schon die Beantwortung dieser Frage zeigt, dass auch eine Gesetzesreform in aller Regel nicht so gelingt, dass alle Streitfragen gelöst, alle Unklarheiten beseitigt und damit die Gerichte endlich der Entlastung zugeführt werden, die die Finanzminister eines jeden Bundeslandes schon aus finanziellen Erwägungen ständig zu fordern nicht müde werden. Und so müssen die gedanklichen Lücken der "Vorschriftenverfasser" dann erneut durch die Gerichtsbarkeit geschlossen, Auslegungsfragen durch zeit- und kostenintensive Gerichtsverfahren geklärt werden. Dies ist eben scheinbar nicht zu vermeiden.

Das FamFG sieht die Statthaftigkeit der Beschwerde in vermögensrechtlichen und in Kostenangelegenheiten vor, wenn der Beteiligte mit mehr als 600,00 EUR beschwert ist. Für nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten ist im FamFG keine Mindestbeschwer geregelt. Kostenentscheidungen sollen jedenfalls in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit isoliert anfechtbar sein. Gilt dies auch, wenn es sich um eine Familienstreitsache handelt? Das aber vielleicht auch nur, wenn Gegenstand des Verfahrens eine Unterhaltssache ist, weil sich die Kostenentscheidung nach § 243 FamFG und gerade nicht nach der ZPO richtet, auch wenn § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG für Familienstreitsachen insgesamt und deshalb auch auf die kostenrechtlichen Vorschriften der ZPO verweist. Muss der Beteiligte zur Anfechtung einer Kostenentscheidung stets oder nur in Angelegenheiten, die in der Hauptsache vermögensrechtlich sind, mit mehr als 600,00 EUR beschwert sein? Ist die Anfechtung der Kostenentscheidung stets vermögensrechtlich oder nur dann, wenn auch die Hauptsache es ist? Richtet sich die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache in Familienstreitsachen nach § 91a ZPO (§ 113 Abs. 1 S. 1 FamFG) oder nach § 58 FamFG? Ist die Kostenentscheidung in einstweiligen Anordnungsverfahren zulässig (OLG München, Beschl. v. 8. 12. 2009, FamRZ 2010, 1465) oder ist sie es nicht (KG AGS 2011, 96, in diesem Heft)ß Von Rechtsvereinfachung kann hier doch wohl keine Rede mehr sein. Es spricht viel Überzeugendes dafür, dass der Gesetzgeber die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglich machen wollte, zeigt doch die Erfahrung, dass nicht jedes richterliche Ermessen als "billig" empfunden und nachvollzogen werden kann. Die dem Richter nunmehr eingeräumte Möglichkeit, Kostenentscheidungen nach mehr oder weniger billigen Erwägungen treffen und begründen und damit das bisherige Terrain objektiver Grundsätze der Quotelung nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen verlassen zu dürfen, schreit förmlich nach dieser möglichst uneingeschränkten Anfechtungszulässigkeit, um allzu subjektiv und wenig nachvollziehbar in die Welt gesetzte Kostenentscheidungen korrigieren zu können.

Eine verfassungskonforme Auslegung der neuen Beschwerdevorschriften im FamFG legt überdies die Auffassung nahe, wonach eine Beschwer gerade nicht zu beachten ist. Der Gesetzgeber hat nämlich in einer Vielzahl bestimmter Verfahren fixe Verfahrenswerte vorgegeben, zum Beispiel in Abstammungs- oder Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 2 FamFG (entweder 1.000,00 EUR oder 300,00 EUR), in denen ansonsten eine Anfechtungsmöglichkeit wegen der Annahme einer Beschwer von 600,00 EUR nie eröffnet sein würde, weil eben die Gebühren zu niedrig wären.

Ob die hiesige Rechtsmeinung allerdings geteilt werden wird, bleibt abzuwarten. Der "Kessel bunter Entscheidungen" füllt sich bereits:

OLG Nürnberg AGS 2010, 252: In nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten (Kindschaftssache) ist die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung ohne Mindestbeschwer zulässig.
OLG Koblenz FamRZ 2010, 2013; OLG Zweibrücken FamRZ 2010, 1835; OLG Stuttgart AGS 2010, 41; OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1695; OLG Oldenburg AGS 2011, 97, in diesem Heft: In nichtvermögensrechtlichen Familiensachen ist die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung möglich, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands mindestens (OLG Oldenburg), d.h. 600,00 EUR, oder mehr als 600,00 Euro, also jedenfalls 600,01 EUR, beträgt.
OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1835; OLG Hamm, Beschl. v. 26. 10. 2010 – 2 WF 249/10: Nach Erledigung der Hauptsache ist die Kostentscheidung in Familienstreitsachen isoliert anfechtbar....

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