Leitsatz

An die uneingeschränkte Beiordnung eines auswärtigen Anwalts durch das Gericht ist der Urkundsbeamte im Vergütungsfestsetzungsverfahren gebunden. Die tatsächlich angefallenen Reisekosten sind in diesem Fall in vollem Umfang zu vergüten.

OLG Hamm, Beschl. v. 16.3.2017 – II-6 WF 26/17

1 Sachverhalt

Die Anwälte mit Kanzleisitz in Bergkamen hatten die Antragstellerin in einem Unterhaltsverfahren vor dem FamG Dortmund vertreten. Das FamG hatte der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ihre Anwälte ohne Einschränkung beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens haben die Anwälte beantragt, ihre Vergütung gegen die Landeskasse festzusetzen. Dabei haben sie auch Reisekosten einschließlich Abwesenheitsgeld mit angesetzt. Der Urkundsbeamte hat die Reisekosten abgesetzt und dies damit begründet, dass die Hinzuziehung eines auswärtigen Anwalts nicht notwendig gewesen sei; die Antragstellerin hätte einen am Gerichtsort ansässigen Anwalt mit ihrer Vertretung beauftragen können. In diesem Falle wären keine Reisekosten angefallen.

Hiergegen haben die Anwälte Erinnerung eingelegt. Das Gericht hat der Erinnerung abgeholfen und die Reisekosten antragsgemäß festgesetzt, da eine uneingeschränkte Beiordnung erfolgt war.

Dagegen wiederum wendet sich die Landeskasse mit der Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass die Notwendigkeit der Reisekosten im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nach § 55 RVG zu prüfen sei. Danach seien die Reisekosten nicht zu übernehmen, da sie nicht notwendig gewesen seien. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.

2 Die Entscheidung

Reisekosten sind bei uneingeschränkter Beiordnung immer zu erstatten

Das FamG habe die Reisekosten zu Recht im Wege der Erinnerung nachträglich festgesetzt. Die Anwälte seien uneingeschränkt beigeordnet worden. Daher seien ihre Reisekosten grundsätzlich zu erstatten.

Keine Überprüfung im Festsetzungsverfahren

Ob die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 FamFG für eine uneingeschränkte Beiordnung vorgelegen hätten, sei im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG nicht mehr zu prüfen. Es sei zwar richtig, dass nach § 78 Abs. 3 FamFG ein nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Anwalt nur beigeordnet werden dürfe, wenn hierdurch keine besonderen Kosten entstehen würden; es sei aber andererseits anerkannt, dass die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts in Ausnahmefällen durchaus erfolgen könne (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., 2016, § 121 Rn 13a). Diese Prüfung müsse das Gericht bereits bei der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe vornehmen. An diese vom Gericht getroffene Entscheidung sei der Urkundsbeamte im Festsetzungsverfahren gebunden. Eine doppelte Prüfung dieser Frage durch zwei verschiedene Verfahrensorgane sei systemfremd, so dass eine nachträgliche Prüfung im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht mehr in Betracht komme.

3 Praxistipp

Entscheidung entspricht der einhelligen Rspr.

Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht der ganz einhelligen Rechtsprechung (OLG Dresden AGS 2009, 451 = OLGR 2009, 482 = JurBüro 2009, 368; KG AGS 2010, 612 = JurBüro 2011, 94 = MDR 2011, 327 = Rpfleger 2011, 217 = FamRZ 2011, 835 = NJW-Spezial 2010, 764 = RVGreport 2011, 118; OLG Düsseldorf AGS 2014, 196 = NJW-Spezial 2014, 253). Zu unterscheiden sind drei Fälle:

1. Fall: Der Anwalt hat seine Kanzlei am Ort des Gerichts

Reisekosten setzen eine Geschäftsreise voraus

In diesem Fall fehlt es bereits an einer Geschäftsreise, da diese nach Vorbem. 7 Abs. 2 VV voraussetzt, dass das Ziel der Reise außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei des Rechtsan walts befindet. Daher fallen bei dieser Konstellation bei einer Fahrt zum Gericht schon tatbestandlich keine Reisekosten an, so dass sich die Frage der Übernahme von Reisekosten aus der Landeskasse erst gar nicht stellt.

2. Fall: Der Anwalt hat seine Kanzlei im Gerichtsbezirk, aber an einem anderen Ort als das Gericht

Keine Beschränkung möglich

Jetzt entstehen Reisekosten. In diesem Fall darf der Anwalt aber nicht eingeschränkt beigeordnet werden. Das Gesetz unterscheidet nur zwischen Anwälten im Gerichtsbezirk und Anwälten außerhalb des Gerichtsbezirks. Ein Anwalt innerhalb des Gerichtsbezirks ist daher immer uneingeschränkt beizuordnen (OLG Celle AGS 2011, 365 = MDR 2011, 984 = JurBüro 2011, 486 = FamRZ 2011, 1745 = NJW-Spezial 2011, 635 = Rpfleger 2011, 617; OLG Frankfurt AGS 2014, 28 = MDR 2013, 721 = FamRZ 2014, 591) und erhält folglich seine Reiskosten aus der Landeskasse.

3. Fall: Der Anwalt hat seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks

Einschränkung nur, wenn weitere Kosten anfallen

Dieser Fall lag hier vor, da Bergkamen nicht mehr zum FamG-Bezirk Dortmund gehört. In diesem Fall ist zu prüfen, ob durch die Beiordnung des auswärtigen Anwalts weitere Kosten anfallen.

Anspruch auf Verkehrsanwalt prüfen

Das ist nicht der Fall, wenn der bedürftige Beteiligte einen Anspruch auf einen Verkehrsanwalt hätte. Dann ist der Anwalt entweder uneingeschränkt beizuordnen (BGH FamRZ 2004, 1362 = NJW 2004, 2749 = AGS 2004, 349 = JurBüro 2004, 604 = Rpfleger 2004, 708 = RVGreport 2004, 356 ...

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