a) Regulierungsermessen/-vollmacht

 

Rz. 60

Nach A 1 Ziff. 4.2 Abs. 1 AVB/Ziff. 5.2 Abs. 1 AHB hat der Versicherer eine umfassende Regulierungsvollmacht. Er kann den gegenüber seinem Versicherungsnehmer erhobenen Anspruch anerkennen oder sich darüber vergleichen. Die entsprechende Erklärung des Versicherers bindet den Versicherungsnehmer sogar über die Versicherungssumme hinaus und auch im Hinblick auf die Selbstbeteiligung.[49] Die Regulierungsvollmacht des Versicherers besteht auch nach Beendigung[50] des Versicherungsvertrages für während der Laufzeit eingetretene Versicherungsfälle fort.

Streitig ist, ob sie erlischt, wenn der Versicherer sich auf Leistungsfreiheit beruft. Das Problem stellt sich bei noch nicht geklärter Leistungsfreiheit und insbesondere, wenn der Versicherer z.B. wegen einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG teilweise leistungsfrei ist.[51]

 

Rz. 61

Die Regulierungsvollmacht bindet hingegen Mitversicherte (vgl. Rdn 16 ff.) nur dann, wenn sich die Vollmacht des Versicherers aus konkreten Umständen ergibt.[52] Das ist auch sachgerecht, weil sich der Mitversicherte anders als der Versicherungsnehmer nicht vertraglich mit dem Versicherer gebunden hat. Es wäre unbillig, den bloßen Mitversicherten etwa an einem Anerkenntnis des Versicherers festzuhalten, das eine Leistungspflicht über die Versicherungssumme hinaus bedeuten würde.

 

Exkurs: Schadensregulierung durch den Makler?

Versicherungsmakler vermitteln Versicherungen und sind hierbei für den jeweiligen Versicherungsnehmer tätig, dessen Vertragsbestand sie meist auch anschließend betreuen. Sie sind treuhänderische Sachwalter des Kunden und gerade nicht für den Versicherer tätig. In der Vergangenheit haben sich Makler aber nicht selten auch um die Regulierung von Haftpflichtansprüchen gekümmert, die Geschädigte gegenüber Versicherungsnehmern erhoben haben. Das ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unzulässig.[53]

[49] Vgl. zur Verjährungsunterbrechung eines vom Versicherer zulasten des VN wirkenden Anerkenntnisses: BGH NJW 1970, 1119 = MDR 70, 577; BGH NJW 2007, 69 = r+s 2007, 16 = VersR 2006, 1676; OLG Düsseldorf VersR 1979, 151 (Inanspruchnahme des VN durch Geschädigten nach Vergleichsabschluss des Versicherers).
[50] Vgl. BGH NJW 1987, 2586 = MDR 1987, 917 (für den Kfz-Haftpflichtversicherer).
[51] Vgl. Littbarski, § 5 Rn 137.
[52] Vgl. BGH NJW-RR 1990, 343 = r+s 1990, 83 (Verjährungseinredeverzicht).
[53] Vgl. BGH r+s 2016, 376.

b) Prozessführungsrecht/-vollmacht

 

Rz. 62

Zur Leistungspflicht im Rahmen des Rechtsschutzanspruchs gehört auch die Prozessführung auf Kosten des Versicherers. Er hat nach A 1 Ziff. 4.2. Abs. 2 AVB/Ziff. 5.2 Abs. 2 AHB eine Prozessvollmacht. Sie besteht für Mitversicherte (vgl. Rdn 16 ff.) erneut nicht ohne Weiteres.[54] Allerdings dürfte es meist in deren wirtschaftlichem Interesse liegen, die Verfahrensführung dem Versicherer zu überlassen.

Der Versicherungsnehmer bleibt Partei des Haftpflichtprozesses, den der Versicherer jedoch steuert, indem er gem. B 3 Ziff. 3.5 S. 2 AVB/Ziff. 25.5 S. 2 AHB den Rechtsanwalt für den Versicherungsnehmer auswählt und beauftragt.[55] Auch im Prozess hat der Versicherer ein umfassendes Entscheidungsrecht (vgl. Rdn 60), allerdings die Interessen seines Versicherungsnehmers so zu wahren wie ein diesen vertretender Rechtsanwalt.[56] Problematisch kann das für den Rechtsanwalt sein, der formal gesehen den Versicherungsnehmer im Haftpflichtprozess vertritt, aber über den Versicherer mandatiert wurde. Er muss seinen Mandanten hinsichtlich des Haftpflichtschadens beraten und auch zum Versicherungsschutz belehren.

 

Rz. 63

Bisweilen verzichten Betriebshaftpflichtversicherer bei einem im Zusammenhang mit dem Schadensfall gegen den Versicherungsnehmer eingeleiteten selbstständigen Beweisverfahren aus Kostengründen darauf, für den Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt zu bestellen. Sie weisen ihn an, den Versicherer informiert zu halten oder machen Vorgaben, die der Versicherungsnehmer selbst bei Gericht vortragen soll. Der Versicherungsnehmer hat aber auch im selbstständigen Beweisverfahren Anspruch auf Rechtsschutz gem. § 100 VVG bzw. A 1 Ziff. 4.1 S. 1 AVB/Ziff. 5.1 S. 1 AHB, sofern hierin bereits eine ernsthafte Geltendmachung[57] des Haftpflichtanspruchs (vgl. Rdn 58) zu sehen ist. Zweifelhaft ist, ob der Versicherer diesen Rechtschutz auch durch den Einsatz eigener Mitarbeiter gewähren kann.[58]

 

Rz. 64

Die Kosten eines ohne den Willen des Versicherers beauftragten oder gar die Kosten eines weiteren,[59] vom Versicherungsnehmer eigenmächtig beauftragten Rechtsanwaltes muss der Versicherer nur in Ausnahmefällen tragen – etwa wenn die Wahrnehmung der Interessen des Versicherungsnehmers durch den Versicherer nicht sichergestellt war oder bei einem Interessenkonflikt.[60]

Ein im Haftpflichtschaden unmittelbar durch den Versicherungsnehmer angesprochener Rechtsanwalt muss nach bestehenden Haftpflichtversicherungsverträgen fragen und über die Befugnisse des Versicherers bzw. die versicherungsrechtlichen Pflichte...

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