Leitsatz (amtlich)

a) Gibt ein Gericht auf seinen Brief bögen die Telex-Nummer der Fernschreibstelle einer anderen Justizbehörde an, so ist ein an dieses Gericht gerichtetes Rechtsmittel fristgerecht eingelegt, wenn es innerhalb der Rechtsmittelfrist bei der Fernschreibstelle eingeht, auch wenn es von dieser erst nach Fristablauf an das Rechtsmittelgericht weitergeleitet wird.

b) Eine fernschriftlich übermittelte Rechtsmittelschrift ist in dem Zeitpunkt eingegangen, in dem sie im Empfängerapparat ausgedruckt wird, auch dann, wenn dieser Zeitpunkt nach Dienstschluß liegt und die Fernschreibanlage nicht besetzt ist (im Anschluß an BVerfGE 52, 203).

c) Die Kündigung des Versicherungsvertrages beendet als solche die Regulierungsvollmacht des Haftpflichtversicherers nicht.

d) Auch nach der heutigen Rechtslage ist der Kfz-Haftpflichtversicherer kraft Gesetzes berechtigt, im Namen der mitversicherten Personen die ihm zur Befriedigung und Abwehr der vom Geschädigten erhobenen Ansprüchezweckmäßig erscheineneden Erklärungen abzugeben (im Anschluß an BGHZ 28, 244).

e) Seit der Einführung der Direktklage ist der Kfz-Haftpflichtversicherer nicht mehr berechtigt, Versicherte, denen gegenüber er leistungsfrei ist, bei den Regulierungsverhandlungen zu vertreten (Abgrenzung zu BGHZ 28, 244).

 

Normenkette

ZPO § 553; AVB für Kraftfahrvers. (AKB) § 10 Nr. 5

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 20.09.1985)

LG München I

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 20. September 1985 wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich dagegen richtet, daß die Beklagte zu 3) zur Zahlung verurteilt worden ist und ihr ihre eigenen Kosten sowie 7/100 der Kosten des Klägers und 7/100 der Gerichtskosten auferlegt worden sind.

Im übrigen wird auf die Revision der Beklagten das genannte Urteil aufgehoben. Die Sache wird in diesem Umfang zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von den in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten werden der Beklagten zu 3) ihre eigenen aussergerichtlichen Kosten sowie je 7/100 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Im übrigen wird die Entscheidung über die Kosten der Revision dem Berufungsgericht übertragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist am 19. November 1983 in einen Verkehrsunfall verwickelt worden, bei dem sein Personenkraftwagen beschädigt wurde. Er verlangt von den drei Beklagten Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Der Beklagte zu 1) steuerte ein anderes, am Unfall beteiligtes Fahrzeug. Der Beklagte zu 2) war zum damaligen Zeitpunkt Halter dieses Fahrzeugs, das bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert war. Das Landgericht hat die Beklagten entsprechend dem Klageantrag gesamtschuldnerisch („samtverbindlich”) zur Zahlung von 1.249,63 DM nebst 4% Zinsen, den Beklagten zu 1) darüber hinaus zur Zahlung von weiteren 4.423,35 DM mit 4% Zinsen verurteilt.

Hiergegen hat ein beim Oberlandesgericht München zugelassener Rechtsanwalt im Namen sämtlicher drei Beklagten Berufung eingelegt. Nachdem dies geschehen war, machte der Kläger geltend, daß dieser Anwalt keine Vollmacht der Beklagten zu 1) und 2) habe. Dieser erwiderte darauf, daß ihm der Prozeßauftrag von der Beklagten zu 3) erteilt worden sei; diese sei gemäß § 10 Abs. 5 AKB zur Vertretung der Beklagten zu 1) und 2) bevollmächtigt.

Das Berufungsgericht hat die „Berufung der Beklagten zu 1) und 2)” als unzulässig verworfen, die der Beklagten zu 3) als unbegründet zurückgewiesen. Es hat gleichzeitig die Kostenentscheidung des Landgerichts abgeändert. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat es der Beklagten zu 3) in vollem Umfang auferlegt. Es hat „eine Revision zum Bundesgerichtshof, die sich auf die Frage der fehlenden Vertretungsbefugnis der Beklagten zu 3) für die Beklagten zu 1) und 2) und ihre Folgen beschränkt”, zugelassen.

Die Beklagten haben sowohl beim Bundesgerichtshof als auch beim Bayerischen Obersten Landesgericht Revision eingelegt. Sie erstreben mit ihr völlige Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

I.

1. Die Revision ist nur insoweit statthaft, als sie sich gegen die Verwerfung der Berufung der Beklagten zu 1) und 2) und die Entscheidung über die im Verhältnis zwischen dem Kläger und diesen Beklagten entstandenen Kosten richtet.

a) Gegen die Verwerfung der von den Beklagten zu 1) und 2) eingelegten Berufung findet gemäß § 547 ZPO die Revision ohne Zulassung und ohne Rücksicht auf den Wert der Beschwer statt. Das gilt nicht nur für die Verwerfung der Berufung als solche, sondern auch für die Entscheidung über die Kosten, die durch die Einlegung der Berufung für diese beiden Beklagten entstanden sind. Mit der zulassungsfreien Revision kann daher auch begehrt werden, daß über die Kostenanteile, die auf die Beklagten zu 1) und 2) entfallen, anders als im Berufungsurteil entschieden werde. Es bedarf insoweit noch nicht einmal eines ausdrücklichen Antrages; soweit für die Beklagten zu 1) und 2) Revision eingelegt worden ist, ist über diesen Teil der Kostenentscheidung von Amts wegen zu befinden.

b) Soweit die Berufung der Beklagten zu 3) als unbegründet zurückgewiesen worden ist, ist die Revisionssumme offensichtlich nicht erreicht. Insoweit wird die Revision auch nicht durch die vom Berufungsgericht ausgesprochene Zulassung gedeckt. Diese soll nach dem Wortlaut des Tenors auf „die Frage der fehlenden Vertretungsbefugnis der Beklagten zu 3 für die Beklagten zu 1) und 2) und ihre Folgen beschränkt” sein. Eine solche Formulierung ist fehlerhaft; es ist nicht zulässig, die Revisionszulassung auf eine bestimmte Rechtsfrage zu beschränken (BGH Urteil vom 7.7.1983 – III ZR 119/82 – NJW 1984, 615 = VersR 1984, 38, insoweit in BGHZ 88, 5 nicht abgedruckt; Beschluß vom 17.12.1980 – IVb ZB 499/80 – FamRZ 1981, 340; Zöller/Schneider, ZPO 14. Aufl. § 546 Rdn. 42). Wohl aber ist es rechtlich möglich, die Revision hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstands zuzulassen, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGHZ 48, 134; 53, 152, 155; 76, 397, 398; BGH Urteile vom 10.1.1979 – IV ZR 76/78 – NJW 1979, 767; vom 30.9.1980 – VI ZR 213/79 – VersR 1981, 57; vom 26.11.1981 – III ZR 123/80 – VersR 1982, 242; vom 30.9.1982 – III ZR 110/81 – VersR 1982, 1196). Enthält ein Berufungsurteil eine auf eine Rechtsfrage beschränkte Revisionszulassung, so ist zu prüfen, ob sie sich nicht in eine Zulassung hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes umdeuten läßt. Ist die Rechtsfrage nur für einen von mehreren entschiedenen Ansprüchen erheblich, dann liegt in einem solchen Ausspruch eine Beschränkung der Revision auf diesen Anspruch (BGHZ 48, 134). Im vorliegenden Fall kann kein vernünftiger Zweifel darüber bestehen, daß die Rechtsfrage, wegen der das Berufungsgericht zugelassen hat, für die Entscheidung über den gegen die Beklagte zu 3) gerichteten Direktanspruch und für die Entscheidung über den Kostenanteil, der der Beklagten zu 3) als Partei (und nicht etwa als Vertreter ohne Vertretungsmacht) auferlegt worden ist, ohne Bedeutung ist. Insoweit wollte das Berufungsgericht ersichtlich keine Revision zulassen.

c) Dem Berufungsgericht war, wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, klar, daß die Verwerfung der Berufung mit der zulassungsfreien Revision angefochten werden kann; es hat aber irrigerweise geglaubt, daß eine Zulassung insoweit erforderlich sei, als der Beklagten zu 3) als Vertreter ohne Vertretungsmacht Kosten auferlegt worden sind. Da jedoch, wie oben dargelegt, auch dieser Punkt von der zulassungsfreien Revision erfaßt wird, geht die Revisionszulassung ins Leere; sie gibt keine Anfechtungsmöglichkeit, die den Beteiligten nicht schon aufgrund Gesetzes zugestanden hätte (BGHZ 69, 93, 95; BGH Beschlüsse vom 23.6.1983 – IVa ZR 136/82 – und vom 30.11.1979 – I ZR 30/79 – NJW 1984, 927; 1980, 786).

2. Soweit die Revision statthaft ist – d. h. also, soweit sie sich gegen die Verwerfung der Berufung der Beklagten zu 1) und 2) richtet – ist sie kraft Gesetzes statthaft; sie war deshalb beim Bayerischen Obersten Landesgericht einzulegen. Sie ist bei diesem Gericht auch rechtzeitig eingegangen.

Der Anwalt der Beklagten hat sich zur Revisionseinlegung zulässigerweise (BGHZ 65, 10; 79, 314, 316; BGHSt 31, 7) des Fernschreibers bedient. Das Fernschreiben ist nach dem auf ihm befindlichen Vermerk vom Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am letzten Tag der Revisionsfrist, am 28. Oktober 1985, aufgegeben worden. Nach einem auf dem Original des Fernschreibens befindlichen Stempelaufdruck ist es am 29. Oktober 1985 um 7.30 Uhr von der Fernschreibstelle der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht München „aufgenommen/angenommen” worden. Es ist von ihr noch am selben Tage an das Bayerische Oberste Landesgericht weitergeleitet und von diesem mit dem Eingangs Stempel vom 29. Oktober 1985 versehen worden. Zur Wahrung der Revisionsfrist reicht es zwar nicht aus, daß das Fernschreiben innerhalb der Rechtsmittelfrist bei der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht einlief. In Zivilsachen müssen Berufung und Revision noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Rechtsmittelgericht eingegangen sein; selbst der Eingang bei der dem Rechtsmittelgericht zugeordneten Staatsanwaltschaft würde nicht ausreichen. Der Anwalt der Beklagten hat jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein Schreiben des Bayerischen Obersten Landesgerichts vorgelegt, auf dem die Telex-Nummer der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht München als Telex-Nummer des Bayerischen Obersten Landesgerichts genannt war. Es muß deshalb angenommen werden, daß in der zweiten Hälfte des Jahres 1985 die Fernschreibstelle der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht auch als Fernschreibstelle des Obersten Landesgerichts tätig wurde, also eine ähnliche Funktion wie eine gemeinsame Briefannahmestelle hatte. Die Revision war daher in dem Zeitpunkt wirksam eingelegt, in dem sie bei der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht einging. Aus dem bei den Akten befindlichen Fernschreiben ist ersichtlich, daß es am 28. Oktober 1985 kurz nach 17.00 Uhr aufgegeben wurde; es muß also noch am gleichen Tage bei der Fernschreibstelle der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht ausgedruckt worden sein. Daß die Fernschreibstelle im Zeitpunkt des Ausdrucks nicht mehr besetzt war und dieser daher erst am folgenden Tage entnommen werden konnte, ist unerheblich (BVerfGE 52, 203 = NJW 1980, 580; der Beschluß des IX. Zivilsenats vom 15.4.1975 – BGHZ 65, 10 – ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überholt).

II.

Die im Namen der Beklagten zu 1) und 2) eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht zu Unrecht als unzulässig verworfen.

1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts darüber, daß der Mangel der Vollmacht im vorliegenden Fall von Amts wegen zu beachten sei (A II 1 der Entscheidungsgründe), liegen neben der Sache, weil der Kläger im Schriftsatz vom 6. Mai 1985 auf Seite 3 (Bl. 52 d.A.) den Mangel der Vollmacht ausdrücklich gerügt hatte.

2. Soweit die Berufung des Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen worden ist, kann die Entscheidung des Berufungsgerichts schon deshalb keinen Bestand haben, weil diesem Beklagten die Klageschrift niemals zugestellt worden ist; die ihm vom Landgericht zugesandte beglaubigte Abschrift ist als unzustellbar zurückgekommen (Bl. 7 d.A.). Das Landgericht hat keine weiteren Versuche unternommen, die richtige Anschrift dieses Beklagten herauszufinden und ihm die Klage zuzustellen. Dies geschah offenbar deshalb, weil sich inzwischen ein Anwalt für sämtliche drei Beklagten gemeldet und für sie zur Sache verhandelt hatte, ohne den Mangel der Klagezustellung zu rügen. Vom Standpunkt des Landgerichts aus, das eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Anwalts durch die Beklagten zu 1) und 2) annahm, war diese Sachbehandlung folgerichtig. Wenn das Berufungsgericht der Auffassung war, der Anwalt sei zur Vertretung des Beklagten zu 2) nicht befugt, hätte es die Klagezustellung nachholen müssen; denn solange einer beklagten Partei die Klage nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist oder der Mangel der Klagezustellung nicht geheilt ist, dürfen gegen diese Partei keine nachteiligen Entscheidungen gefällt werden. Die Ermittlung und Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift der Beklagten ist Sache der klagenden Partei; wenn ihr dies trotz ausreichender Bemühungen nicht möglich sein sollte, müßte sie öffentliche Zustellung beantragen. Sobald die Zustellung nachgeholt war, hätte der Beklagte zu 2) die Möglichkeit gehabt, die bisherige Prozeßführung durch den für ihn auf getretenen Anwalt zu genehmigen; dadurch wären alle vorhandenen Mängel geheilt worden.

3. Für die Entscheidung über die Revision des Beklagten zu 1) kommt es darauf an, ob ein Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer auch nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses noch zur Vertretung des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person im Haftpflichtprozeß befugt ist. Das Berufungsgericht verneint diese Frage mit einer unzutreffenden Begründung:

a) Der Haftpflichtversicherer ist bei Eintritt des Versicherungsfalles verpflichtet, entweder die gegen den Versicherungsnehmer (oder den Mitversicherten) erhobenen Haftpflichtansprüche abzuwehren oder diese zu erfüllen. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, muß er mit dem Geschädigten verhandeln können; hierzu bedarf er einer Vollmacht des Haftpflichtigen. Aus diesem Grunde bestimmen sowohl die Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen als auch die Allgemeinen Kraftfahrtversicherungsbedingungen, daß der Versicherer bevollmächtigt sei, alle ihm zur Befriedigung (Beilegung) oder Abwehr der Ansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärung im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben (§ 5 Nr. 7 AHB; § 10 Nr. 5 AKB). Da diese Regulierungsvollmachtihren Grund in der Regulierungspflicht des Haftpflichtversicherers hat, dauert sie solange an, wie die Regulierungspflicht besteht. Es ist demnach nicht zutreffend, wenn das Berufungsgericht annimmt, daß die Vollmacht des Haftpflichtversicherers stets mit der Auflösung des Versicherungsvertrages ende. Auch nach diesem Zeitpunkt kann der Versicherer noch zur Regulierung des Schadens verpflichtet sein, wenn der Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Versicherungsvertrages einen Haftpflichttatbestand verwirklicht hat und die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche noch nicht endgültig erledigt sind.

Die gegenteilige Ansicht läßt sich auch nicht, wie dies im Berufungsurteil geschieht, mit den Grundsätzen über die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen, insbesondere mit der Unklarheitenregelung (§ 5 AGBG), begründen. Daß zwischen der Regulierungspflicht des Versicherers und der ihm erteilten Regulierungsvollmacht ein innerer Zusammenhang besteht, ist nicht nur für Juristen und Versicherungskaufleute, sondern auch für den durchschnittlichen, versicherungsrechtlich nicht vorgebildeten verständigen Versicherungsnehmer erkennbar. Dieser wird kaum auf den Gedanken kommen, der Versicherer sei nach Ablauf des Versicherungsvertrages nicht mehr berechtigt, mit Haftpflichtgläubigern im Namen des Versicherungsnehmers über Haftpflichtansprüche zu verhandeln, die noch in den zeitlichen Deckungsbereich der Haftpflichtversicherung fallen. Eine Unklarheit im Sinne des § 5 AGBG liegt demnach hier nicht vor.

b) Eine andere Frage ist es jedoch, ob der Versicherer auch dann zu Verhandlungen mit dem Haftpflichtgläubiger bevollmächtigt ist, wenn er gegenüber seinem Versicherungsnehmer leistungsfrei ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat früher auch diese Frage bejaht (BGHZ 24, 308, 317; Urteil vom 19.12.1966 – II ZR 131/64 – VersR 1967, 149). Dies hing mit der damaligen rechtlichen Konstruktion der Eintrittspflicht des Versicherers bei notleidendem Versicherungsverhältnis zusammen. Bis zum Inkrafttreten des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I 213) gewährte das Gesetz dem Unfallgeschädigten keinen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers; jedoch wurde in den Fällen, in denen der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer leistungsfrei war, zugunsten des geschädigten Dritten in einem bestimmten Umfang das Fortbestehen der Verpflichtung zur Gewährung von Versicherungsschutz fingiert (§ 158 c Abs. 1 VVG). Der Geschädigte konnte, nachdem er im Haftpflichtprozeß einen Titel erwirkt hatte, den (im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht mehr bestehenden) Haftpflichtdeckungsanspruch pfänden und sich überweisen lassen; in diesem Falle mußte sich der Versicherer die Entscheidung, die im Haftpflichtprozeß gegen den Versicherungsnehmer über das Bestehen und die Höhe des Haftanspruchs getroffen wurde, entgegenhalten lassen. Er hatte daher ein berechtigtes eigenes Interesse daran, den Versicherungsnehmer gegen die Haftpflichtansprüche zu verteidigen. Durch das Pflichtversicherungsgesetz 1965 ist diese Rechtslage grundlegend geändert worden. Dem Geschädigten steht neben dem Haftpflichtanspruch gegen den Geschädigten ein Direktanspruch gegen den Versicherer zu. In den Fällen, in denen der Versicherer leistungsfrei ist, ist er nur noch zur Erfüllung des gegen ihn selbst gerichteten Direktanspruchs, nicht mehr, wie nach der alten Rechtslage, zur Befriedigung des Haftpflichtanspruchs gegen den Versicherungsnehmer verpflichtet. Die Entscheidung, die im Haftpflichtprozeß zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer ergangen ist, ist für den Direktanspruch nur insoweit verbindlich, als der Anspruch abgewiesen worden ist (§ 3 Nr. 8 PflVG). Der Versicherer hat daher – anders als nach § 158 c Abs. 1 WG – keine Veranlassung, den gegen den Versicherten selbst gerichteten Haftpflichtanspruch abzuwehren oder zu regulieren. Solange aber kein zwingender Grund dafür besteht, daß der Versicherer den Versicherten bei fehlender Leistungspflicht vertritt, muß der allgemeine Grundsatz zur Anwendung kommen, daß die Regulierungsvollmacht nicht weiter reicht als die Regulierungspflicht.

Aus dem Parteivortrag ergeben sich bis jetzt jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte zu 3) gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) leistungsfrei ist. Insbesondere ist aus den vorgetragenen Tatsachen nicht schlüssig zu entnehmen, daß die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 VVG vorlägen. Dazu ist zwar vorgetragen worden, daß der Versicherungsnehmer den Folgebeitrag nicht bezahlt habe (Schriftsatz vom 2.10.1984 S. 2 Bl. 18 d.A.). Um welche Folgeprämie es sich dabei handelte, wie hoch sie war und wann sie fällig wurde, wird jedoch nicht gesagt; es wird noch nicht einmal ausdrücklich behauptet, daß die Fälligkeit vor dem Versicherungsfall eingetreten sei. § 39 WG verlangt weiterhin, daß dem Versicherungsnehmer eine Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen bestimmt worden ist und daß dabei auf die Rechtsfolgen hingewiesen wurde, die mit dem Ablauf dieser Frist verbunden sind. Das Schreiben, das die Fristsetzung und die Belehrung enthält, muß entweder dem Versicherungsnehmer zugegangen oder – bei nicht angezeigter Wohnungsänderung – mit einem Einschreibebrief an die letzte, dem Versicherer bekannt gewordene Wohnung des Versicherungsnehmers abgesandt worden sein (§ 10 VVG). Aus dem Parteivortrag geht noch nicht einmal hervor, wer Versicherungsnehmer ist; die Formulierungen, die die Beklagte zu 3) gebraucht, deuten darauf hin, daß er weder mit dem Beklagten zu 1) noch mit dem Beklagten zu 2) identisch ist. Die Beklagten haben keine Angaben darüber gemacht, wann die Frist bestimmt wurde, wie sie bemessen war, wann und auf welche Weise die Fristbestimmung dem Versicherungsnehmer übermittelt wurde und ob ihr die vorgeschriebene Belehrung beigefügt war. Nach alledem läßt sich bei dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht feststellen, daß die Beklagte zu 3) gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) leistungsfrei geworden sei.

c) Dagegen schließt der Umstand, daß der Beklagten zu 1) und möglicherweise auch der Beklagte zu 2) nicht Versicherungsnehmer der Beklagten zu 3) sind, ein rechtsgeschäftliches Handeln der letzteren aufgrund von § 10 Nr. 5 AKB nicht aus. Grundsätzlich ist zwar der Versicherungsnehmer nicht befugt, den Haftpflichtversicherer zur Vertretung einer mitversicherten Person zu bevollmächtigen. Ein Vollmachtgeber kann den Bevollmächtigten nur dann zur Vertretung eines Dritten ermächtigen, wenn er für diesen Dritten eine gesetzliche oder gewillkürte Vertretungsmacht besitzt. Aus dem Versicherungsvertragsgesetz ergibt sich nicht, daß der Versicherungsnehmer allgemein ermächtigt wäre, gegenüber dem Versicherer rechtsgeschäftliche Handlungen im Namen des (Mit-)Versicherten vorzunehmen. Wohl aber ist der Versicherungsnehmer befugt, im Versicherungsvertrag Obliegenheiten für den (Mit-)Versicherten zu begründen (so – allerdings ohne nähere Begründung – BGH Urteile vom 12.3.1976 – IV ZR 79/73 – VersR 1976, 383; vom 15.11.1978 – IV ZR 183/77 – VersR 1979, 176; die Gründe werden von Prölss/Martin, VVG 23. Aufl. § 75 Anm. 3 zutreffend dargelegt; vgl. auch Sieg bei Brück/Möller, WG 8. Aufl. § 79 Anm. 5–8, Johannsen ebenda B IV Anm. H 19). Die in § 7 Nr. 1 Satz 1 AHB angeordnete „sinngemäße Anwendung” des § 5 Nr. 7 AHB auf den (Mit-)Versicherten kann daher in der Regel nur dahin verstanden werden, daß den Versicherten die Obliegenheit trifft, spätestens nach Eintritt des Versicherungsfalles dem Haftpflichtversicherer Vollmacht zu erteilen; eine unmittelbare Bevollmächtigung kann daraus nur in den Fällen hergeleitet werden, in denen der Versicherte den Versicherungsnehmer zur Abgabe von Willenserklärungen gegenüber dem Versicherer bevollmächtigt hatte (vgl. dazu Bruck/Möller/Johannsen, VVG 8. Aufl. Bd. IV Anm. G 16).

Für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung müssen jedoch andere Grundsätze gelten. Der Bundesgerichtshof hat aus der ursprünglichen Fassung des Pflichtversicherungsgesetzes hergeleitet, daß der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aufgrund Gesetzes auch zur Vertretung der mitversicherten Personen berechtigt sei (BGHZ 28, 244). In diesem Punkt hat sich durch die Einführung der Direktklage nichts geändert. Zwar besteht aus den oben dargelegten Gründen heute kein Bedürfnis mehr dafür, daß der Versicherer die mitversicherten Personen auch dann gegenüber dem Haftpflichtgläubiger rechtsgeschäftlich vertritt, wenn er gegenüber diesen Personen leistungsfrei ist. Nach wie vor entspricht es aber dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, daß der Versicherer in den Fällen, in denen er leistungspflichtig ist, nicht nur seine eigene Schadensersatzverpflichtung und die des Versicherungsnehmers, sondern auch die der mitversicherten Personen reguliert.

III.

Die Vorinstanzen haben die Entschädigung, die der Kläger von seinem Kaskoversicherer erhalten hat, zwar von den Schadensersatzverpflichtungen der Beklagten zu 2) und 3), nicht jedoch von der des Beklagten zu 1) abgesetzt. Ein einleuchtender Grund für diese unterschiedliche Behandlung der drei Beklagten ist nicht ersichtlich. Soweit der Kaskoversicherer geleistet hat, geht gemäß § 67 VVG der Haftpflichtanspruch auf diesen über; der Geschädigte kann daher in Höhe der Kaskoentschädigung nicht mehr Leistung an sich selbst verlangen. Ob er Verurteilung der Beklagten zu 1) und 2) zur Leistung an den Kaskoversicherer beantragen kann, braucht hier nicht erörtert zu werden; ein solcher Antrag ist nicht gestellt worden.

IV.

Über die Kosten des Rechtsstreits hat der Senat insoweit entschieden, als sich bereits jetzt feststellen läßt, wer im Endergebnis die Kosten zu tragen hat. Sollte das Berufungsgericht auch im Verhältnis zu den Beklagten zu 1) und 2) zugunsten des Klägers entscheiden, so wird es zu beachten haben, daß es die weiteren Kosten nicht nur den Beklagten zu 1) und 2), sondern im Rahmen des § 100 Abs. 4 ZPO auch gesamtschuldnerisch der Beklagten zu 3) aufzuerlegen haben wird.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen, Rottmüller, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel

 

Fundstellen

Haufe-Index 947869

BGHZ

BGHZ, 276

BB 1987, 1628

NJW 1987, 2586

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