Rz. 272

Hat der Auftraggeber einen Vorschuss geleistet, so darf der Rechtsanwalt diesen Vorschuss auf seine weitere Vergütung verrechnen, und zwar bis zur Höhe dieser Differenz, d.h., der sogenannten "weiteren Vergütung".

In § 58 Abs. 2 RVG heißt es:

 

1In Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des VV bestimmen (Anmerkung Verfasserin: im Familienrecht der Fall.), sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. 2Ist eine Gebühr, für die kein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, auf eine Gebühr anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse besteht, so vermindert sich der Anspruch gegen die Staatskasse nur insoweit, als der Rechtsanwalt durch eine Zahlung auf die anzurechnende Gebühr und den Anspruch auf die ohne Anrechnung ermittelte andere Gebühr insgesamt mehr als den sich aus § 15a Absatz 1 ergebenden Gesamtbetrag erhalten würde.“

§ 50 RVG regelt die weitere Vergütung und greift nur in den Fällen, in denen dem Auftraggeber VKH unter Ratenzahlung bewilligt worden ist. Dazu unten mehr, Rdn 275.

 

Rz. 273

Muster 7: Musterrechnung 8.7: VKH – Verrechnung eines Vorschusses

 

Musterrechnung 8.7: VKH – Verrechnung eines Vorschusses

Auftraggeber K beauftragt Rechtsanwalt B, VKH für die Durchführung eines Zugewinnausgleichsverfahrens wegen Zahlung eines Betrags von 8.700,00 EUR zu beantragen, die auch bewilligt wird. Rechtsanwalt B wird antragsgemäß beigeordnet. K hat einen Vorschuss von 300,00 EUR geleistet. Im Hauptsacheverfahren wird streitig verhandelt und Beweis erhoben. Es ergeht sodann ein dem Antrag stattgebender Beschluss.

Die Abrechnung von Rechtsanwalt B erfolgt gegenüber der Bundes- oder Landeskasse (Staatskasse), § 45 Abs. 1 RVG.

1. Abrechnung gegenüber der Staatskasse

Gegenstandswert: 8.700,00 EUR, § 23 Abs. 1 RVG, 35 FamGKG

 

1,3 Verfahrensgebühr

§§ 2 Abs. 2, 49 RVG, Nr. 3100 VV RVG
426,40 EUR

1,2 Terminsgebühr

§§ 2 Abs. 2, 49 RVG, Nr. 3104, Vorbem. 3.3.6 VV RVG
393,60 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 840,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 159,60 EUR
Summe 999,60 EUR

2. Wahlanwaltsgebühren

Gegenstandswert: 8.700,00 EUR, § 23 Abs. 1 RVG, 35 FamGKG

 

1,3 Verfahrensgebühr

§§ 2 Abs. 2, 13 Abs. 1 RVG, Nr. 3100 VV RVG
725,40 EUR

1,2 Terminsgebühr

§§ 2 Abs. 2, 13 Abs. 1 RVG, Nr. 3104 VV RVG
669,60 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 1.415,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 268,85 EUR
Summe 1.683,85 EUR

Differenz zwischen VKH-Anwalts- und Wahlanwaltsgebühren: 684,25 EUR

Fazit: Der Vorschuss kann voll einbehalten werden, da er nur 300,00 EUR betragen hat und somit die Differenz, d.h. die weitere Vergütung nach § 50 RVG, nicht übersteigt!

Zum Gegenstandswert siehe Rdn 192 ff.

 

Rz. 274

 

Anmerkung

Würde der Vorschuss beispielsweise 700,00 EUR betragen haben, so würde der Rechtsanwalt diesen Vorschuss einbehalten, die Staatskasse würde aber von den zu erstattenden Gebühren in Höhe von 999,60 EUR den Teil des Vorschusses in Abzug bringen, der die Wahlanwaltsgebühren übersteigt.

Rechnung: Differenz zwischen VKH-Anwalts- und Wahlanwaltsgebühren = 684,25 EUR. Vorschuss = 700,00 EUR, übersteigender Teil des Vorschusses somit 15,75 EUR. Die Staatskasse würde also nur noch 999,60 EUR abzüglich 15,75 EUR = 983,85 EUR erstatten.

Ergebnis: Der Rechtsanwalt würde also auch mit Vorschuss, unabhängig davon, wie hoch dieser ist, nicht mehr als die Wahlanwaltsgebühren erhalten. Die Vorschüsse sind gegenüber der Staatskasse anzugeben, § 55 RVG. Zur Verrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Vergütung eines späteren Verfahrens unter VKH siehe auch ergänzend § 5 Rdn 216 ff.

§ 55 Abs. 5 RVG wurde zum 1.1.2021 im Bereich des Verweises auf § 104 ZPO angepasst und lautet seit dann wie folgt:[312]

Zitat

"(5) 1§ 104 Absatz 2 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. 2Der Antrag hat die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. 3Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. 4Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er unverzüglich anzuzeigen.""

Dem Anwalt steht im Übrigen eine Entschädigung bei überlanger Dauer des Festsetzungsverfahrens zu.[313] Auch beim VKH-Festsetzungsverfahren handelt es sich im ein Gerichtsverfahren nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.[314] Ein Entschädigungsbetrag von 20,00 EUR pro Monat der Verzögerung wurde hierbei schon als angemessen erachtet.[315]

[312] Geändert durch Art. 7 G. v. 21.12.2020 BGBl I S. 3229.
[314] LSG Hessen, a.a.O., Rn 31 u. 32; BSG Urt. v. 10.7.2014 – B 10 ÜG 8/13 R, BeckRS 2014, 73674.
[315] LSG Hessen, a.a.O., Rn 83...

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