Rz. 216

Gemäß § 58 Abs. 2 RVG

Zitat

"… sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 besteht."

In der Vergangenheit war zunächst umstritten, ob und ggf. wie sich der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr auf die VKH-Vergütung auswirkt, wenn der Anwalt zunächst außergerichtlich zu den Wahlanwaltsgebühren tätig wird und im späteren gerichtlichen Verfahren dann aber Verfahrenskostenhilfe wegen zwischenzeitlich geänderter Einkommens- und Vermögensverhältnisse beantragt werden muss.

 

Rz. 217

Zum einen wurde die Ansicht vertreten, dass der anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr gemäß § 58 Abs. 2 RVG zunächst auf den Teil der Vergütung zu verrechnen ist, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht bestand (also z.B. auf die Differenz zwischen den VKH-Gebühren nach der Tabelle zu § 49 RVG und den Wahlanwaltsgebühren nach der Tabelle zu § 13 RVG).[148]

 

Rz. 218

Wieder andere Gerichte wollten nur dann eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vornehmen, wenn der Mandant die Geschäftsgebühr auch gezahlt hat (vgl. nachfolgende Beispielrechnung unter Rdn 229):

Zitat

"Die Staatskasse kann sich gegenüber einem aufgrund der Bewilligung von PKH/VKH beigeordneten Rechtsanwalt im Vergütungsfestsetzungsverfahren gemäß § 55 RVG zwar grundsätzlich auf einen vorliegenden Anrechnungstatbestand gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen, wenn im Verhältnis zwischen dem Beigeordneten und seinem Mandanten für eine vorgerichtliche Tätigkeit über denselben Gegenstand eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG entstanden ist. Diese Berufung ist der Staatskasse jedoch verwehrt, soweit eine Zahlung des Mandanten auf die anrechenbare zweite Hälfte der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nicht in einem Umfang vorliegt, durch den auch der von der Staatskasse gemäß § 49 RVG zu tragende Teil der Gebühren des beigeordneten Bevollmächtigten getilgt ist."[149]

 

Rz. 219

Zum anderen forderten einige Gerichte aufgrund der angesprochenen BGH-Rechtsprechung[150] (siehe oben Rdn 212 ff.) eine Anrechnung bei Entstehung (d.h. unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr in Rechnung gestellt und/oder überhaupt gezahlt wurde). Die hierzu ergangene Rechtsprechung[151] führte zu der am 5.8.2009 in Kraft getretenen Ergänzung des § 55 Abs. 5 RVG.

 

Rz. 220

Manche Gerichte waren der Auffassung, dass, wenn überhaupt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorzunehmen ist, die Geschäftsgebühr (fiktiv) nach der Tabelle zu § 49 und nicht nach der höheren Tabelle zu § 13 RVG zu berechnen ist (vgl. nachfolgende Beispielrechnung unter Nr. 3).[152]

 

Rz. 221

Der Meinung ist grundsätzlich zuzustimmen, denn die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach der Tabelle zu § 13 könnte sonst dazu führen, dass die Verfahrensgebühr, die die Staatskasse zu erstatten hat, "null" beträgt.

 

Rz. 222

Zu guter Letzt gab es auch noch Auffassungen, wie der des OLG Oldenburg, das (sehr anwaltsfreundlich) davon ausging, dass nicht die allgemeine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anzurechnen sei, sondern lediglich die im Rahmen der Beratungshilfe entstehende (fiktive) Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG[153]

 

Rz. 223

Aufgrund erheblicher Probleme bei der Frage, ob und ggf. wie eine vorgerichtlich entstandene "Selbstzahler-Geschäftsgebühr" auf eine Verfahrensgebühr, die nach Bewilligung von VKH und Beiordnung des Anwalts mit der Staatskasse abgerechnet werden kann, anzurechnen ist, wurde zum 5.8.2009 § 55 Abs. 5 S. 2 RVG neu geregelt.

 

Rz. 224

Der Gesetzgeber begründete die zum 5.8.2009 in Kraft getretene Änderung von § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG wie folgt:[154]

Zitat

"Die allgemeinen Vorschriften zur Anrechnung gelten auch für die Vergütung des Rechtsanwalts, der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet oder als Prozesspfleger bestellt ist. Im Antrag auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung ist deshalb auch die Angabe erforderlich, welche Zahlungen auf etwaige anzurechnende Gebühren erfolgt sind und aus welchem Wert diese Gebühren entstanden sind. Damit stehen dem Urkundsbeamten für die Festsetzung der Vergütung alle Daten zur Verfügung, die er benötigt, um zu ermitteln, in welchem Umfang die Zahlungen nach § 58 Abs. 1 und 2 RVG auf die anzurechnende Gebühr als Zahlung auf die festzusetzende Gebühr zu behandeln sind."

Damit war bereits seit dem 5.8.2009 klargestellt, dass eine Anrechnung überhaupt nur in Frage kommt, wenn eine Geschäftsgebühr vom Auftraggeber oder Dritten gezahlt worden ist.[155] Dementsprechend haben danach auch einige Gerichte entschieden.[156]

 

Rz. 225

Allerdings war durch den Wortlaut der neuen Vorschriften des § 15a RVG und § 55 Abs. 5 RVG nach wie vor bedauerlicherweise nicht geklärt, in welcher Höhe eine Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr zu erfolgen hat, d.h. ob diese anhand der Tabelle zu § 13 RVG (Wahlanwaltsgebühren) oder der VKH-Tabelle zu § 49 RVG zu...

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