1. Statthaftigkeit

 

Rz. 43

Die im Verfahren der einstweiligen Anordnung ergangenen Entscheidungen sind grundsätzlich unanfechtbar (§ 57 S. 1 FamFG), auch wenn in der betreffenden Entscheidung in der Rechtsmittelbelehrung irrtümlich auf die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde hingewiesen wird.[102] Lediglich in den in § 57 S. 2 FamFG enumerierten Ausnahmefällen ist eine Beschwerdemöglichkeit eröffnet. Erfasst werden davon u.a. Verfahren wegen Genehmigung bzw. Anordnung der geschlossenen Unterbringung eines Kindes nach § 151 Nr. 6 bzw. 7 FamFG (dann ist auch keine vorherige mündliche Erörterung notwendig,[103] sie kann aber der Beschwerde vorgeschaltet werden)[104] und – vorherige mündliche Erörterung vorausgesetzt – Verfahren

über die elterliche Sorge für ein Kind (§ 57 S. 2 Nr. 1 FamFG),
über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil (§ 57 S. 2 Nr. 2 FamFG, siehe dazu auch Rdn 46),
über einen Antrag auf Verbleiben eines Kindes bei einer Pflege- oder Bezugsperson (§ 57 S. 2 Nr. 3 FamFG, siehe auch dazu Rdn 46).
 

Rz. 44

Für die Anfechtbarkeit ist es gleichgültig, ob es sich bei der Entscheidung um eine regelnde handelt oder der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen wurde.[105]

 

Rz. 45

Einstweilige Anordnungen, die bezüglich des Umgangsrechts ergehen, sind nicht mit Rechtsmitteln anfechtbar.[106] Dies ist für Fälle des einstweiligen Umgangsausschlusses sehr kritisch zu sehen, weil dieser nicht nur für den betroffenen Elternteil, sondern durchaus auch für das Kind hohe Eingriffsintensität hat. Hier kann nur die – unmittelbare – Verfassungsbeschwerde helfen.[107] Ordnet das Familiengericht in einem Umgangseilverfahren aber ein striktes Wechselmodell (siehe dazu § 1 Rdn 326 ff.) an, so stellt sich dies im Ergebnis als verkappte Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts dar, so dass die Beschwerde statthaft ist.[108] Werden Maßnahmen nach § 1666 ergriffen, die aber nicht im vollständigen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge bestehen, ist die Entscheidung unanfechtbar.[109]

 

Rz. 46

Wird in der einstweiligen Anordnung die Herausgabe eines Kindes nicht an den anderen Elternteil, sondern an das als Ergänzungspfleger bestellte Jugendamt angeordnet, so ist dies unanfechtbar; eine analoge Anwendung von § 57 S. 2 Nr. 2 FamFG kommt nicht in Frage.[110]

§ 57 S. 2 Nr. 3 FamFG ist auch auf eine von Amts wegen erlassene einstweilige Verbleibensanordnung anzuwenden.[111]

 

Rz. 47

Vollstreckungsanordnungen, die eine einstweilige Anordnung flankieren (§ 49 Abs. 2 S. 3 FamFG), sind außerhalb der für die Anfechtung der einstweiligen Anordnung selbst maßgeblichen Vorschriften nicht isoliert anfechtbar.[112]

(Zur Anfechtbarkeit einer einstweiligen Umgangspflegschaft siehe § 2 Rdn 45.)

 

Rz. 48

Enthält eine einstweilige Anordnung zwei Regelungsbereiche, von denen einer anfechtbar, der andere unanfechtbar ist, so ist die Beschwerde nur gegen den anfechtbaren Teil statthaft.[113]

 

Rz. 49

Auch im Falle der grundsätzlichen Anfechtbarkeit besteht in den Fällen des § 57 S. 2 Nr. 1 bis 3 FamFG (siehe dazu Rdn 43) nur dann eine Beschwerdemöglichkeit, wenn das Gericht aufgrund mündlicher Erörterung entschieden hat. Wurde nicht mündlich erörtert, so ist der Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 54 Abs. 2 FamFG vorrangig und die Beschwerde unzulässig (§ 57 S. 2 FamFG).[114] Gleiches gilt, wenn das Familiengericht zunächst mündlich erörtert und dann erst auf der Grundlage weiteren Sachvortrags oder weiterer Ermittlungen entscheidet, ohne zuvor erneut mündlich erörtert zu haben – sog. "gemischt mündlich-schriftliches Verfahren".[115] Soweit teilweise angenommen wird, eine Entscheidung aufgrund mündlicher Erörterung liege auch dann vor, wenn der Verfahrensgegenstand nur in einem zwischen den Beteiligten geführten Parallelverfahren mündlich besprochen worden sei,[116] kann dem aus formalen Gründen nicht zugestimmt werden. Für eine mündliche Erörterung genügt es auch nicht, wenn einzelne Beteiligte – etwa nach § 159 oder § 160 FamFG – angehört werden. Denn die mündliche Erörterung setzt einen Termin voraus, zu dem alle Beteiligten geladen worden sind.[117] Ist dies veranlasst worden, erscheint aber ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter nicht zum Termin, so liegt im Falle der Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren eine solche aufgrund mündlicher Erörterung vor.[118] Anders liegen die Dinge, wenn es an einer ordnungsgemäßen Ladung und Gehörsgewährung fehlt.[119] So auch, wenn ein Beteiligter aus erheblichen, etwa krankheitsbedingten Gründen um eine Verlegung des Erörterungstermins nachgesucht hat, das Gericht den Termin aber gleichwohl durchführt, ohne dass es sich mit dem Verlegungsantrag hinreichend auseinandersetzt.[120] Wird zwar auf Antrag die mündliche Erörterung nachgeholt, ergeht aber daraufhin keine Entscheidung mehr, so ist eine Beschwerde ebenfalls unzulässig.[121] (Zur isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren siehe § 10 Rdn 17; zur Anfechtung eines Verfahrenskostenhilfe ma...

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