Rz. 55

 

Regeln:[50]

1. Solange nicht eine der Ausnahmen des § 15a Abs. 2 RVG vorliegt, kann der Gläubiger entscheiden, ob er die (halbe, maximal 0,75) Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anrechnet oder die Geschäftsgebühr entsprechend kürzt.
2. Die Anrechnung kann nur bis zur Höhe der Gebühr erfolgen, auf welche angerechnet wird.
3. Die Anrechnung erfolgt auf den Teil der Verfahrensgebühr, der den Gegenstand des außergerichtlichen Mandats betrifft.
4. Erst anrechnen, dann kürzen.
[50] Zur Anrechnung der Geschäftsgebühr H. Schneider, AGS 2011, 107.

1. Grundfall

 

Rz. 56

 

Fall

Der Gläubiger mahnt 6.000,00 EUR entsprechend seinem außergerichtlichen Auftrag an. Der Schuldner zahlt nicht. Der Gläubiger leitet mit Verfahrensauftrag das Gerichtsverfahren ein.

 
1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG    
(Wert: 6.000,00 EUR)   460,20 EUR
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG    
(Wert: 6.000,00 EUR) 460,20 EUR  
abzgl. Anrechnung der 0,65 Geschäftsgebühr    
(Wert: 6.000,00 EUR) – 230,10 EUR  
Verbleiben   230,10 EUR
Gebührenaufkommen   690,30 EUR

Oder:

 
Der Gläubiger fordert nur die halbe Geschäftsgebühr 230,10 EUR
und macht die Verfahrensgebühr in voller Höhe geltend 460,20 EUR
Gebührenaufkommen 690,30 EUR

2. Mehrere Angelegenheiten

 

Rz. 57

 

Fall

Im außergerichtlichen Mandat waren 5.000,00 EUR Zugewinn, ferner 5.000,00 EUR Kindesunterhaltsrückstände und weitere 5.000,00 EUR rückständiger Ehegattenunterhalt geltend gemacht worden. Es wurden drei Angelegenheiten abgerechnet (str.! vgl. § 3 Rdn 14 f.), der Zugewinn mit 1,3, der Kindesunterhalt mit 1,0 und der Ehegattenunterhalt mit 1,5 Geschäftsgebühr (s. § 3 Rdn 15 ff., 16, 20). Die außergerichtliche Tätigkeit war erfolglos, alle drei Forderungen werden im gleichen Verfahren gerichtlich geltend gemacht.

Zur Anrechnung werden die drei Geschäftswerte der vorgerichtlichen Tätigkeit zusammengezählt, also 15.000,00 EUR wie anschließend im Verfahren. Wenn drei Angelegenheiten den gleichen Ansatz hätten, würde dieser angewendet und zur Hälfte, maximal 0,75, angerechnet. Sie haben verschiedene Gebührensätze. Vorgeschlagen wird § 15 Abs. 3 RVG entsprechend anzuwenden, also 0,75 aus 15.000,00 EUR = 487,50 EUR.

Vorgerichtlich werden abgerechnet:

 
1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG  
(Wert: 5.000,00 EUR) 393,90 EUR
1,5 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG  
(Wert: 5.000,00 EUR) 454,50 EUR
1,0 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG  
(Wert: 5.000,00 EUR) 303,00 EUR
Insgesamt 1.151,40 EUR

Im Verfahren wird abgerechnet:

 
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG  
(Wert: 15.000,00 EUR) 845,00 EUR
abzgl. Anrechnung der 0,75 Geschäftsgebühr  
(Wert: 15.000,00 EUR) – 487,50 EUR
Verbleiben[51] 357,50 EUR
[51] Fall des OLG Koblenz AGS 2009, 167 m. Anm. N. Schneider.

3. Der anzurechnende Betrag übersteigt den Betrag, auf den angerechnet wird

 

Rz. 58

 

Fall

Der Anwalt wird beauftragt, außergerichtlich die bereits titulierte Forderung über 6.000,00 EUR geltend zu machen und über Ratenzahlungen zu verhandeln. Die Bemühungen sind erfolglos. Da der Schuldner nicht bezahlt, erteilt der Anwalt einen Vollstreckungsauftrag über 6.000,00 EUR.

 
1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG    
(Wert: 6.000,00 EUR)   460,20 EUR
0,3 Verfahrensgebühr Nr. 3309 VV RVG    
(Wert: 6.000,00 EUR) 106,20 EUR  
abzgl. Anrechnung der 0,65 Geschäftsgebühr    
(Wert: 6.000,00 EUR) – 230,10 EUR  
    0,00 EUR
Insgesamt   460,20 EUR

4. In das gerichtliche Verfahren geht nur ein Teil des außergerichtlichen Gegenstandes

 

Rz. 59

 

Fall

Vorgerichtlich wird ein Unterhaltsrückstand von 8.000,00 EUR geltend gemacht. Der Schuldner zahlt 4.000,00 EUR, die restlichen 4.000,00 EUR werden eingeklagt.

 
1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG    
(Wert: 8.000,00 EUR)   592,80 EUR
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100VV RVG    
(Wert: 4.000,00 EUR) 327,60 EUR  
abzgl. Anrechnung der 0,65 Geschäftsgebühr    
(Wert: 4.000,00 EUR) – 163,80 EUR  
    163,80 EUR
Dazu ggf. die Terminsgebühr    
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG    
(Wert: 4.000,00 EUR)   302,40 EUR

Anmerkung: Die Anrechnung hat nur zu erfolgen, soweit der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit ins gerichtliche Verfahren gelangt ist (Vorb. 3 Abs. 4 S. 3 VV RVG).

5. Der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit gelangt in den Verbund

 

Rz. 60

 

Fall

Zugewinn (20.000,00 EUR) wird außergerichtlich vertreten. Der Anspruch gelangt schließlich in den Verbund mit der Ehescheidung (Wert: 6.000,00 EUR).[52]

Wie wird hier angerechnet:

 
1) Möglichkeit 1    
1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG    
(Wert: 20.000,00 EUR)   964,60 EUR
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG    
(Wert: 26.000,00 EUR)    
(hier: Addition der Gegenstandswerte) 1.121,90 EUR  
abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr,    
Anrechnung gem. Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG    
(Wert: 20.000,00 EUR) – 482,30 EUR  
    639,60 EUR
Gebührenaufkommen   1.604,20 EUR
2) Möglichkeit 2 (richtig)    
1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG    
(Wert: 20.000,00 EUR)   964,60 EUR
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG    
(Wert: 6.000,00 EUR) (richtigerweise    
keine Addition der Gegenstandswerte) 460,20 EUR  
Anrechnung gem. Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG    
abzgl. Differenz    
aus 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG    
(Wert: 20.000,00 EUR) 964,60 EUR    
abzgl. 0,65 Geschäftsgebühr      
(Wert: 20.000,00 EUR) – 482,30 EUR    
Differenz + 482,30 EUR  
    942,50 EUR
Gem. § 15 Abs. 3 R...

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