Rz. 20

Das obige Zwischenergebnis (s. Rdn 15 ff.) ist sehr umstritten. Es werden zunächst zwei gegensätzliche Meinungen vertreten, zum einen, dass die mehreren Gegenstände im familienrechtlichen Mandat immer als mehrere Angelegenheiten abzurechnen sind.[12] Andererseits wird angenommen, dass immer nur eine Angelegenheit abzurechnen ist[13] und schließlich einerseits, dass die Trennungs- und andererseits die Scheidungsfolgesachen getrennt zu sehen sind und jedenfalls die möglichen Folgesachen (im prozessrechtlichen Sinn) immer als eine Angelegenheit anzusehen sind.[14] Eine verbreitete Auffassung stellt auf § 16 Nr. 4 RVG ab: Mehrere verbundfähige Sachen sind auch dann als eine Angelegenheit abzurechnen, wenn die Gegenstände teils im Zivilprozessverfahren, teils im FG-Verfahren abgewickelt würden, weil sie im Verbund auch zusammenkommen.[15]Madert[16] nahm an, dass das Mandat alle Trennungs- und Scheidungsfolgen zu regeln, eine Angelegenheit ist, es sei denn, dass "zwei unterschiedliche Rahmen" vorliegen, z.B. weil ein Teil notariell beurkundet werden soll, ein anderer Teil bei Gericht oder ein Teil privatschriftlich. Dann sollen zwei oder mehr Angelegenheiten vorliegen, ebenso wenn und soweit die Gegenstände nicht Familiensachen sind. Das OLG Düsseldorf[17] kam zu dem Ergebnis, dass alle Gegenstände zu einer Angelegenheit zusammengefasst werden und zwar – weit über Madert hinausgehend – einschließlich Arbeitsrechtssachen und Mietsachen, wenn der Anwalt pauschal beauftragt wird, alles, was im Zusammenhang mit der Trennung anfällt, zu bearbeiten. Das Gericht stützt sich dabei auf die drei Merkmale der Angelegenheit, beachtet m.E. aber nicht, dass das "Indiz", dass eine Angelegenheit vorliegt, etwas anders lautet, nämlich ob im Prozessfall die verschiedenen Gegenstände in einem oder in mehreren gerichtlichen Verfahren geltend zu machen wären (s. § 1 Rdn 26).

 

Rz. 21

Im Grundsatz sollte m.E. an der Definition der "Angelegenheit" festgehalten und konsequent mit mehreren Angelegenheiten gerechnet werden, also zwischen Zivilprozess- und FG-Sachen unterschieden werden. § 16 Abs. 1 Nr. 4 RVG rechtfertigt nicht generell, für mögliche Folgesachen eine Angelegenheit anzunehmen. Wenn zwei Verfahrensarten möglich sind, ist auf den konkreten Fall abzustellen. Nur dann, wenn die Scheidung schon eingereicht ist oder unmittelbar bevorsteht und es ausdrücklicher Mandatsinhalt ist, dass im Misslingensfall die Sache im Verbund anhängig gemacht wird, ist ausnahmsweise von einer Angelegenheit im außergerichtlichen Vertretungsmandat auszugehen.

 

Rz. 22

Auf die Frage der Titulierung (ob beim Notar oder bei Gericht) sollte nicht abgestellt werden, teils weil dann erst am Ende der Bearbeitung feststünde, welche Art von Mandat vorliegt, teils weil für den Fall des Scheiterns der Bemühungen um außergerichtliche Erledigung auf diese Weise keine Lösung geboten ist.

[12] AnwK-RVG/N. Schneider, § 15 RVG Rn 56 m. N. der Rspr. in Fn 25–27.
[13] So Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 16 RVG Rn 27 ff. mit ausführlicher Begründung und Darstellung auch der Gegenmeinung.
[14] Darstellung und Ablehnung Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, § 16 RVG Rn 28 ff.
[15] Umfassende Darstellung der Rechtsprechung hierzu AnwK-RVG/N. Schneider, § 15 RVG Rn 56–58, Rspr.-übersicht Fn 25–27.
[16] Madert/Müller-Rabe/Madert, Kostenhandbuch Familiensachen, J Rn 31, 32.

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