Rz. 241

 

§ 202 BGB – Unzulässigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung

(1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.

(2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden.

aa) Einschränkungen

 

Rz. 242

Nur verjährbare Ansprüche sind der Parteidisposition zugänglich. Ist ein Anspruch kraft Gesetzes unverjährbar, kann er auch in Zukunft nicht durch Vereinbarung der Verjährung unterworfen werden. Eine derartige Vereinbarung wäre unwirksam.

 

Rz. 243

Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden (§ 202 Abs. 2 BGB). Der ohne Bestimmung eines Endzeitpunktes erklärte Verzicht ist regelmäßig dahin zu verstehen, dass er die Grenzen des § 202 Abs. 2 BGB einhält, soweit sich aus der Auslegung der Erklärung nichts anderes ergibt.[186] Über 30 Jahre hinausgehende Erklärungen sind auf das rechtlich zulässige Maß von 30 Jahren zu reduzieren.[187] Ein über 30 Jahre hinausgehender Verjährungsverzicht ist auch nicht unter dem Aspekt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wirksam; es liegt ein Verstoß gegen die gesetzgeberische Wertung in § 202 Abs. 2 BGB vor.[188]

 

Rz. 244

Die Haftung wegen Vorsatzes kann nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden (§ 202 Abs. 1 BGB). Dieses dient der Sicherung der in § 276 Abs. 3 BGB getroffenen Wertung, wonach dem Schuldner eine Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus erlassen werden kann.

[186] BGH v. 18.9.2007 – XI ZR 447/06 – BB 2007, 2591 = FamRZ 2008, 49 = MDR 2008, 94 = NJW-Spezial 2007, 573 = VersR 2008, 366 = WM 2007, 2230 = ZIP 2007, 2206. Jahnke/Burmann-Lemcke, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 6 Rn 762.
[187] Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 14 StVG Rn 47.
[188] Vgl. BGH v. 18.9.2007 – XI ZR 447/06 – BB 2007, 2591 = FamRZ 2008, 49 = MDR 2008, 94 = NJW-Spezial 2007, 573 = VersR 2008, 366 = WM 2007, 2230 = ZIP 2007, 2206.

bb) Verkürzung durch Parteiabrede

 

Rz. 245

Eine Verkürzung der Verjährungsfrist ist statthaft. Verjährungserleichterungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen sich aber an §§ 138, 242 BGB und §§ 307, 309 Nr. 8 lit. b ff), 651m BGB messen lassen.

 

Rz. 246

Ist der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt oder unterbrochen, kann durch einseitig erklärten Verjährungsverzicht die Verjährung nicht verkürzt werden.[189]

[189] BGH v. 17.2.2004 – VI ZR 429/02 – NJW 2004, 1654 = NJW-Spezial 2004, 66 = NZV 2004, 239 = r+s 2004, 306 = SP 2004, 150 = VersR 2004, 656 = zfs 2004, 306 (Anm. Diehl). Ähnlich BGH v. 10.3.1987 – VI ZR 88/86 – MDR 1987, 832 = MedR 1987, 234 = NJW 1987, 2291 = NJW-RR 1987, 1311 (nur Ls.) = r+s 1987, 191 (nur Ls.) = VersR 1987, 770 (zu II.1).

cc) Verlängerung durch Parteiabrede

 

Rz. 247

Die Verlängerung der Verjährungsfrist, die nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht verboten und daher nichtig war (§§ 134 BGB, 225 BGB a.F.),[190] wird seit dem 1.1.2002 stärker einer Disposition durch die Beteiligten überlassen. Der Gesetzgeber ist damit einem von ihm erkannten Bedürfnis der Praxis nach Parteivereinbarungen zur Verlängerung der Verjährungsfrist nachgekommen. Darüber hinaus werden gesetzlich nicht vorgesehene Hemmungs- und Unterbrechungsgründen nunmehr gestattet, und zwar ohne dass Formvorschriften vorgesehen sind.[191]

 

Rz. 248

Zum möglichen Instrumentarium für Parteihandlungen zählen der Verzicht auf die Einrede der Verjährung, vertragliche Urteilersetzungen, aber auch das pactum de non petendo (Rdn 270).

[190] BGH v. 4.11.1997 – VI ZR 375/96 – DB 1998, 409 = HVBG-INFO 1998, 187 = MDR 1998, 160 = NJW 1998, 902 = NZV 1998, 109 = r+s 1998, 23 = SP 1998, 95 = VersR 1998, 124 = VRS 94, 326 = WI 1998, 5. BT-Drucks 14/6040, S. 110.
[191] BT-Drucks 14/6040, S. 110.

(1) Verjährungsverzicht

 

Rz. 249

 

Hinweis

Siehe ergänzend Rdn 211, 225 ff.; § 2 Rdn 933 ff.

 

Rz. 250

Der Verjährungsverzicht ist eine einseitige formlose Erklärung.[192] Er kann schriftlich, aber auch mündlich (telefonisch), erklärt werden, und zwar auch schon vor Verjährungseintritt.[193] Der rechtsgeschäftliche Aufgabewille ist nicht zu vermuten,[194] konkludentes Verhalten muss eindeutig auf einen Verzicht hindeuten.[195]

 

Rz. 251

Durch den Verjährungsverzicht wird die Forderung nicht unverjährbar. Der Verjährungsverzicht führt letztlich zur Hemmung, allerdings ohne die Nachfrist von 3 Monaten. Der Verjährungsverzicht hat nicht den Charakter eines Anerkenntnisses und unterbricht daher nicht die Verjährung. Die ursprüngliche Verjährung läuft anschließend weiter.

 

Rz. 252

Die Verzichtserklärung ist eine Willenserklärung, die der Auslegung zugänglich ist.[196] Der Verjährungsverzicht richtet sich nach den Regeln einer einseitigen Willenserklärung aus und kann daher angefochten werden. Wenn Schadenersatzbeziehungen ein längerfristig angelegtes rechtliches Schuldverhältnis bilden (häufiger Fall der Personenschadenregulierung), kommt dann ähnlich wie in § 314 BGB eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betra...

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