Arbeitsvertragliche Ausschlussklausel „Verfall aller Ansprüche“

Arbeitsverträge sehen in der betrieblichen Praxis regelmäßig die Vereinbarung sog. „Ausschlussklauseln“ vor, die zur Aufrechterhaltung von Ansprüchen deren Geltendmachung innerhalb bestimmter Fristen fordern. Entsprechende Klauseln unterliegen zahlreichen Wirksamkeitsanforderungen.

Eine aktuelle Entscheidung des BAG befasst sich mit der (Un-)Wirksamkeit einer Ausschlussklausel, die den „Verfall aller Ansprüche“ vorsieht, wenn diese nicht binnen einer bestimmten Frist gegenüber dem Anspruchsgegner geltend gemacht werden.

Hintergrund der Entscheidung: Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers

Streitgegenstand in der Revisionsinstanz beim BAG war zuletzt, ob die Klägerin zur Zahlung der vom ehemaligen Arbeitgeber widerklagend geltend gemachter Schadensersatzansprüche in Höhe von rund 100.000 EUR verpflichtet war.

Der Klägerin oblag bei der Beklagten die Durchführung der Finanz- und Lohnbuchhaltung der Beklagten. Sie hatte eingeräumt, Überweisungen zulasten der Beklagten und zugunsten ihres damaligen Ehemannes vorgenommen zu haben, hierzu jedoch von diesem unter Androhung körperlicher Gewalt gezwungen worden zu sein. Selbst bereichert habe sie sich nicht.

BAG zur Auslegung von Ausschlussklauseln

Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthielt folgende Ausschlussklausel:

Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen.“

Das BAG hat den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an die Berufungsinstanz zurückverwiesen. Dabei gab das BAG verschiedene Hinweise an das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG) zur Auslegung der arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel.

Ansprüche laut Berufungsgericht nicht von Ausschlussklausel erfasst

Das LAG hatte in der Berufungsinstanz zuvor unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des BAG zur Auslegung von Ausschlussklauseln entschieden, den Ansprüchen gegen die Klägerin stünde die arbeitsvertragliche Ausschlussklausel nicht entgegen. Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzungen und vorsätzlicher unerlaubter Handlung seien von der Ausschlussklausel nicht erfasst.

BAG: Auch Vorsatz und unerlaubte Handlungen werden von  der Ausschlussklausel erfasst

Das BAG vertritt in seiner aktuellen Entscheidung nunmehr die gegenteilige Auffassung und distanziert sich ausdrücklich von seiner früheren Rechtsprechung. Das BAG nimmt jetzt vielmehr an, von einer pauschalen Ausschlussklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder vorformulierten Vertragsbedingungen i. S. d. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, nach der ausnahmslos alle Ansprüche verfallen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, wenn sie nicht binnen bestimmter Fristen geltend gemacht und eingeklagt werden. Davon, seien auch Schadensersatzansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erfasst.

Andernfalls würde den Parteien entgegen dem unmissverständlichen Wortlaut der Klausel generell der Wille unterstellt, sich mit ihren Regelungen stets im Rahmen dessen zu halten, was nach den geltenden Gesetzen zulässig sei. Eine solche Annahme sei nicht gerechtfertigt.

Pauschale Ausschlussklausel ist nichtig

Allerdings, so das BAG, sei eine derartige Ausschlussklausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig und entfalle nach § 306 Abs. 1 BGB unter Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen. Nach § 202 Abs. 1 BGB kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.

Arbeitgeber muss als Verwender Ausschlussklausel nicht gegen sich gelten lassen

Nach Auffassung des BAG muss der Arbeitgeber als Verwender der Klausel nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch deren Unwirksamkeit nicht gegen sich gelten lassen, und zwar unabhängig davon, ob in dem Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB

  • zudem eine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liege und
  • ob die Klausel darüber hinaus ggf. aus anderen Gründen nach den §§ 307 ff. BGB unwirksam sei.

Die Grundsätze der personalen Teilunwirksamkeit fänden, so das BAG, in Fällen, in denen eine Ausschlussklausel wegen eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig sei, keine Anwendung.

An die Stelle der Ausschlussklausel träten nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften und damit das Verjährungsrecht, das nach den Wertungen des Gesetzgebers für den Regelfall einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen bereithalte.

(BAG v. 26.11.2020, 8 AZR 58/20).