Rz. 4
Auch hier ergibt sich die Antwort aus den allgemeinen Regeln, insbesondere aus § 1922 BGB und dem Grundsatz der Universalsukzession (siehe schon § 2 Rdn 26 ff.).[4] Der Unterschied zum Erbgang in vom Erblasser "unmittelbar" genutzten Speichermedien liegt allerdings darin begründet, dass weder Eigentum noch Besitz am Speichermedium bestehen, die nach § 1922 BGB auf die Erben übergehen können. Das macht aber nur vordergründig einen Unterschied. Denn auch bei digitalen Inhalten, die auf Clouds oder bei Drittanbietern gespeichert sind, gibt es letztlich ein Rechtsverhältnis, das übergeht. Das ist der zugrundeliegende schuldrechtliche Vertrag zwischen dem Erblasser und dem Anbieter und die aus diesem resultierenden Ansprüche (siehe Rdn 7). Dieses Vertragsverhältnis geht nach § 1922 BGB auf die Erben über.[5] Daraus folgt das Recht zum Zugriff auf die gespeicherten Dateien (Zeichenebene) und die darin verkörperten Inhalte (Bedeutungsebene). So wie bei lokal gespeicherten Daten das Eigentum oder der Besitz am Speichermedium den Anknüpfungspunkt für den Übergang des Rechts zum Zugriff auf Dateien und Inhalte darstellt (siehe § 2 Rdn 27 ff.), ist es hier der Vertrag des Erblassers mit dem jeweiligen Anbieter, der als "Trägermedium" fungiert. Im Einzelnen:
1. Vererbbare Rechtsposition
Rz. 5
Bereits in § 2 wurde dargestellt und in Erinnerung gerufen, dass nicht einzelne Gegenstände vererbt werden, sondern rechtliche Positionen (siehe § 2 Rdn 27 ff.).[6] Dabei ist es unerheblich, ob es um eine dingliche oder eine schuldrechtliche Position geht.[7] Wie das Eigentum,[8] so gehen auch sonstige Rechte, schuldrechtliche Positionen[9] und ganze Vertragsverhältnisse nach § 1922 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den oder die Erben über.
Rz. 6
Auch Dauerschuldverhältnisse[10] gehen über, und zwar nicht nur die Haupt-, sondern auch sämtliche Neben- und Hilfsansprüche,[11] bspw. Gestaltungsrechte (z.B. Kündigung)[12] und Auskunftsansprüche.[13]
Rz. 7
Bei aller Diskussion um die Frage, als was für ein Vertragstyp die einzelnen Verträge, die wir oben angesprochen haben (siehe Rdn 1), einzuordnen sind,[14] dürfte doch Einigkeit darüber bestehen, dass es sich – bspw. bei der "Anmietung" eines Cloud-Speichers oder (E-Mail-)Accounts – um ein Vertragsverhältnis handelt, aus dem schuldrechtliche Ansprüche des Nutzers gegen den Anbieter resultieren. Selbst wenn der Nutzer keine Geldleistung als Gegenleistung für den zur Verfügung gestellten Speicherplatz schuldet, steht das der schuldrechtlichen Natur und damit der Vererblichkeit nicht entgegen.[15]
2. Vermögenswert der Dateninhalte unbeachtlich
a) Keine Differenzierung nach Inhalten
Rz. 8
Wenn § 1922 BGB davon spricht, dass das "Vermögen" auf die Erben übergeht, so heißt dies nach dem weiten Vermögensbegriff (hierzu schon § 2 Rdn 32 ff.), dass die rechtliche Stellung des Erblassers als Vertragspartner des Anbieters übergeht, und zwar unabhängig davon, ob die von ihm gespeicherten Inhalte einen wirtschaftlichen Vermögenswert haben oder ob sie die persönlichen Verhältnisse des Erblassers betreffen. Auf die Erben (und nicht etwa auf die nächsten Angehörigen, vgl. § 2 Rdn 49 ff.) gehen damit im Wege der Universalsukzession auch Vertragsverhältnisse und Ansprüche auf Dateien mit höchstpersönlichem Inhalt über. Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der in den §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB zum Ausdruck gekommen ist (eingehend siehe § 2 Rdn 43 ff.).[16]
b) Auf das Eigentum am Speichermedium und damit auf eine Verkörperung kommt es nicht an
Rz. 9
Diese Überlegungen gelten – entgegen der offenbar vom KG[17] favorisierten Ansicht einiger in der Literatur[18] (vgl. § 2 Rdn 17 ff.) – nicht nur dann, wenn die Dateien auf einem Speichermedium des Erblassers verkörpert sind, sondern auch im Falle der Nutzung von fremdem Speicherplatz, z.B. in Clouds.
Der Gesetzgeber[19] hat den Erben ein berechtigtes Interesse an höchstpersönlichen Inhalten im Nachlass zugebilligt, welches idealer Natur ist. Das aufgrund dieses Interesses der Erben gestärkte Recht an den persönlichen Dingen des Erblassers soll gerade im Hinblick auf die sich darin "befindliche Schrift", sprich in Bezug auf die darin verkörperten Inhalte, bestehen. Dabei soll deren...
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