Rz. 17

Im Rahmen der Diskussion ist die Frage aufgekommen, ob höchstpersönliche Inhalte statt den Erben den nächsten Angehörigen des Erblassers zugänglich gemacht werden müssen. Das KG schreibt in seinem Urteil zur Rechtsnachfolge in ein Benutzerkonto bei dem sozialen Netzwerk "Facebook" zu dieser Fragestellung wörtlich:[17]

Zitat

"Die herrschende Meinung in der Literatur geht offenbar – zumindest unausgesprochen – davon aus, dass dem nächsten Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigten des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers die höchstpersönlichen Daten grundsätzlich dem Inhalt nach zugänglich gemacht werden müssen. Für die Wahrnehmung der Interessen des postmortalen Persönlichkeitsrechts, d.h. für die Geltendmachung entsprechender Abwehrrechte, ist aber die vorhergehende Kenntnis des Inhalts der höchstpersönlichen digitalen Inhalte nicht erforderlich; es reicht dafür letztlich aus, dass die Angehörigen als Wahrnehmungsberechtigte Kenntnis von einem gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht verstoßenden Umgang mit solchen Daten erlangen. Wenn aber selbst die Wahrnehmungsberechtigten des postmortalen Persönlichkeitsrechts eigentlich keinen Zugang zum Inhalt haben sollen, ist fraglich, ob man dem Erben einen solchen Zugang verschaffen muss bzw. darf. Wegen der praktischen Unmöglichkeit der Trennung der Inhalte würden dann Dateninhalte dem Erben zugänglich, die nach dem Ableben des Erblassers eigentlich niemanden zustünden. Dies spricht dann aber gegen eine Vererblichkeit des Accountinhalts insgesamt."

Diese Argumentation geht offenbar[18] zurück auf Überlegungen in der Literatur, wonach es für die Rechtsnachfolge in Daten auf die Art der Inhalte ankommen soll. So wurde vertreten, dass jedenfalls bei online gespeicherten Daten das Recht an diesen Daten nur insoweit auf die Erben übergeht, als die Inhalte einen vermögensrechtlichen Bezug haben. Daten mit rein privaten Inhalten sollten dagegen den (nächsten) Angehörigen zustehen oder gar niemandem.[19]

 

Rz. 18

Zu Beginn der Diskussion um den digitalen Nachlass hatte Hoeren in seinem grundlegenden Aufsatz aus dem Jahr 2005[20] mit Blick auf vom Erblasser empfangene E-Mails die Meinung vertreten, es müsse nach dem Inhalt der jeweiligen Nachricht differenziert werden. Da nach § 1922 BGB das "Vermögen" auf die Erben übergehe, müsste bspw. das Recht an rein privaten E-Mails den Angehörigen zustehen.[21]

 

Rz. 19

Ganz im Sinne Hoerens und sogar über diesen hinaus hat Martini dann im Jahr 2012 aus dem verfassungsrechtlichen postmortalen Persönlichkeitsschutz eine in das Privatrecht ausstrahlende Schutzpflicht von Anbietern digitaler Kommunikationsdienste abgeleitet. Nutzer seien deshalb solange vor dem Zugriff ihrer Erben auf Benutzerkonten und dort gespeicherte Inhalte zu schützen, wie sie den Zugriff durch die Erben oder Dritte nicht ausdrücklich erlaubten.[22]

 

Rz. 20

Die vorgeschlagene Differenzierung zwischen Inhalten mit vermögensrechtlichem Bezug und rein privaten Inhalten hat sich in der Fachdiskussion zu recht nicht durchgesetzt.[23] Auch das LG Berlin hatte sich dem in seiner dem KG vorangegangenen erstinstanzlichen Entscheidung zur Rechtsnachfolge in ein Benutzerkonto bei Facebook nicht angeschlossen, sondern eine einheitliche Betrachtung vorgenommen.[24] Die diese eigentlich schon überwundene Unterscheidung nunmehr wieder aufgreifenden Ausführungen des KG müssen insoweit als Rückschritt in der Diskussion gewertet werden.

 

Rz. 21

Schließlich: Auch die Ansicht, die zwischen höchstpersönlichen und vermögenswerten Inhalten differenziert, führt diese Differenzierung nicht konsequent zu Ende. Sie differenziert nur bei online gespeicherten Daten und nicht bei lokal auf Speichermedien des Erblassers gespeicherten Daten.[25] Und auch das KG[26] spricht offenbar sämtliche und damit auch höchstpersönliche Inhalte jedenfalls dann den Erben zu, wenn sie auf einem Speichermedium des Erblassers gespeichert sind.

 

Rz. 22

Dazu das KG[27] wörtlich:

Zitat

"Auf der anderen Seite nimmt es das Gesetz aber offensichtlich hin, dass über die Verkörperung und den damit einhergehenden Vermögensbezug auch höchstpersönliche Inhalte dem Erben zukommen, auch wenn diese nach der Konzeption des § 1922 BGB und der Annahme eines postmortalen Persönlichkeitsrechts eigentlich nicht den Erben, sondern allenfalls den Angehörigen als Hüter dieses postmortalen Persönlichkeitsrechts treuhänderisch zugestanden hätte".

Konsequent ist das nicht. Es zeigt aber, dass im hier (§ 2) behandelten Fall unstreitig auch höchstpersönliche Inhalte auf die Erben übergehen.

 

Rz. 23

Gegen die Differenzierung zwischen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Teilen des digitalen Nachlasses sprechen auch ganz praktische Gründe: Rechtspositionen können oft, wenn nicht gar regelmäßig, nicht eindeutig und ausschließlich als entweder höchstpersönlich oder vermögenswert klassifiziert werden. Private Aufzeichnungen können bspw. etwa für die Testamentsauslegung oder den Nachweis von Ansprüchen heranzuziehen sein und deshalb Verm...

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