Rz. 77
Diese Sozialwidrigkeitsgrund gemäß § 1 Abs. 2 S. 3 2. Alt. KSchG korrespondiert mit § 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG und stellt eine Art Auffangtatbestand dar, bei dem alle Beschäftigungsalternativen zur Berücksichtigung kommen, bei denen der Arbeitsvertrag geändert werden muss. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Beendigungskündigung prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich der Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung.
Rz. 78
Die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen ist regelmäßig geboten, wenn es sich um gleichwertige oder geringwertigere Arbeitsbedingungen handelt. Ein Änderungsangebot oder eine Änderungskündigung kommt immer in Betracht, wenn es sich um zumutbare Änderungen der Arbeitsbedingungen handelt. Bei zumutbaren Änderungen trifft den Arbeitgeber die Initiativlast. Der Arbeitgeber hat bei mehreren Möglichkeiten diejenige anzubieten, die den bisherigen Arbeitsbedingungen am nächsten kommt.
Rz. 79
Nur in Extremfällen sei nach dem BAG von einer unzumutbaren Änderung auszugehen. Der zweite Senat nennt beispielhaft das Angebot einer Pförtnerstelle an den bisherigen Personalchef. Ein solche Extremsituation liegt vor, wenn das Weiterbeschäftigungsverhältnis einen "beleidigenden Charakter" habe, der betroffene Arbeitnehmer z.B. so weit in der Personalhierarchie zurückgestuft würde, dass viele seiner bisher Untergebenen ihm nunmehr Weisungen erteilen können und deshalb erheblichen Konflikte zu erwarten sind. Es sind einem Vollzeitarbeitnehmer jedoch auch Teilzeitstellen und solche mit erheblichem Einkommensverlust anzubieten.
Rz. 80
Der Arbeitnehmer hat selbst zu entscheiden, ob er eine Weiterbeschäftigung unter möglicherweise erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen für zumutbar hält oder nicht. Der Arbeitgeber darf daher nicht ohne weitere Handlungen eines zum Familienunterhalt verpflichteten Arbeitnehmers davon ausgehen, ihm sei eine Weiterbeschäftigung in Teilzeit gegen eine geringere Vergütung unzumutbar.
Dabei bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, ob er zunächst einvernehmlich eine Lösung mit dem Arbeitnehmer versucht. Er kann ihm gegenüber aber auch ohne diesen Versuch sogleich eine Änderungskündigung aussprechen.
Rz. 81
Auf das Änderungsangebot vor Ausspruch der Änderungskündigung kann der Arbeitnehmer unterschiedlich reagieren:
Der Arbeitnehmer akzeptiert sie ohne Vorbehalt. Dann bedarf es keiner Änderungskündigung mehr.
Der Arbeitnehmer kann sie unter Vorbehalt annehmen. Dann kündigt er damit eine Änderungsschutzklage an. Der Arbeitgeber kann dann unter erneuter Unterbreitung des Angebots eine Änderungskündigung aussprechen. Der Arbeitnehmer legt Änderungsschutzklage ein und lässt deren soziale Rechtfertigung überprüfen. Ebenso würde verfahren, wenn der Arbeitnehmer sich zu dem Änderungsangebot gar nicht äußert.
Will der Arbeitnehmer das Angebot nicht annehmen, wird er dieses dem Arbeitgeber mitteilen
Rz. 82
Hinweis
Der Arbeitnehmer sollte das Angebot der vorgeschlagenen Änderung nicht unmissverständlich vorbehaltlos und endgültig ablehnen. In diesem Fall könnte der Arbeitgeber ausnahmsweise statt der erforderlichen Änderungskündigung gleich eine Beendigungskündigung aussprechen.
In einem Beendigungsrechtsstreit trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer das Änderungsangebot definitiv abgelehnt hat, d.h. dass er weder einvernehmlich noch unter dem Vorbehalt der Prüfung der sozialen Rechtfertigung i.S.v. § 2 KSchG bereit war, zu den geänderten Bedingungen zu arbeiten.
Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot bloß ab, muss sich der Arbeitgeber auf eine Änderungskündigung beschränken, da nicht auszuschließen ist, dass der Arbeitnehmer zur Weiterarbeit unter geänderten Bedingungen bereit wäre, wenn beim Arbeitsgericht die soziale Rechtfertigung festgestellt wird.
Spricht der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aus, ohne dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist sie sozial ungerechtfertigt.