Rz. 101

Das Verhältnis zwischen Erbstatut und Güterrechtsstatut hat mit Einführung der EuGüVO einen Gleichklang erfahren. In beiden Fällen werden die Statute, also das Erb- und das Güterstatut, nunmehr aufgrund von Europäischen Verordnungen bestimmt. Für den Erbrechtler recht erfreulich ist dabei, dass gem. Art. 4 EuGüVO in einem Erbfalle in welcher die Verordnung 650/2012 (EuErbVO) zur Anwendung gelangt die für das Erbrecht maßgeblichen Gerichte auch für die Entscheidungen über den Güterstand zuständig sind.

1. Einordnung des § 1371 BGB

 

Rz. 102

Vorherrschend ist, dass § 1371 BGB, obwohl eine mit dem Erbrecht sehr enge Verzahnung besteht, noch immer als reine güterrechtliche Norm zu qualifizieren ist.[223] Dabei ist jedoch beachtlich, dass über § 1371 Abs. 1 BGB der schematisierte Zugewinnausgleich, welcher im Güterrecht der Ehegatten seinen Ausgangspunkt hat, erbrechtlich realisiert wird.[224] Unerheblich ist dabei, ob überhaupt tatsächlich ein Zugewinn erwirtschaftet wurde oder nicht. In der Rechtsprechung indes überwogen in den vergangenen Jahren Entscheidungen, nach denen die Erbquoten ausschließlich nach dem Erbstatut bestimmt werden.[225] Weiter befeuert werden dürfte der Streit durch die ergangene Entscheidung des EuGH zur Aufnahme der pauschalen Erhöhung nach § 1371 BGB als weiteres ¼ Erbquote der Ehegattin in einem Europäischen Nachlasszeugnis. Der EuGH hat in diesem Fall die Aufnahme im ENZ angenommen und erbrechtlich qualifiziert.[226]

[223] OLG Stuttgart ZEV 2005, 444, OLG Karlsruhe NJW 1990, 1420, LG Mosbach ZEV 1998, 489 f., OLG München NJW-RR 2012, 1096; BGH FamRZ 2015, 1180; Staudinger/Thiele, Vorbem. zu § 1371 BGB Rn 12, 13.
[224] NK-BGB/Kroiß, § 1931 BGB Rn 36.
[226] EuGH FamRZ 2018, 632, 633 f.

2. Anwendbarkeit des § 1371 BGB bei Auslandsbezug

 

Rz. 103

Es erscheint angebracht, deutsches Güterstatut und ausländisches Erbstatut als kombinationsfähig anzusehen und, soweit erforderlich, einer "anpassenden Reduktion" zu unterziehen.[227] Dies erhöht also den Erbteil des Ehegatten (pauschalierter Zugewinnausgleich), unter Anwendung ausländischen Erbrechts, trotz des Umstandes, dass der § 1371 BGB derzeit in deutscher Rechtsprechung und Literatur noch immer als reine güterrechtliche Norm zu qualifizieren ist.[228] Die zuvor erwähnte "anpassende Reduktion" soll immer dann angewandt werden, wenn die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils – nach ausländischem Recht – zu einer höheren Erbquote führt als dies bei der Anwendung deutschen Ehegüter- und Erbrechts der Fall wäre.[229]

 

Rz. 104

Es bleibt abzuwarten, welche langfristigen Impulse von der nunmehr ergangenen Positionierung des EuGH ausgehen werden. Im internationalen Bezug jedenfalls ist die Erhöhung der Erbquote auf zwei Mal ¼ mithin ½ (§§ 1371 und 1931 BGB) beim überlebenden Ehegatten, unter Anwendung deutschen gesetzlichen Erbrechts, jedenfalls keine Schlechterstellung des überlebenden Ehegatten im internationalen Erbfall. Allein aus rein pragmatischen Gesichtspunkten spricht einiges dafür, im internationalen Erbfall stets von einer erbrechtlichen Qualifizierung auszugehen.

[227] Hohloch/Heckel, in: Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, Kap. 26 Rn 117.
[228] Grüneberg/Heldrich, Art. 15 EGBGB Rn 26; OLG Hamm IPRax 1994, 49, 51; LG Wuppertal MittRhNotK 1988, 46; LG Mosbach ZEV, 1998, 490, Tersteegen, NotBZ 2005, 351; OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 740, 741. Anders: MüKo/Koch, BGB, § 1371 Rn 61; Erman/Budzikiewicz, BGB, § 1371 Rn 21.
[229] OLG Düsseldorf FamRZ 15, 1237; OLG Schleswig NJW 14, 88; Schurig, IPRax 90, 391; Dörner, ZEV 05, 445; Ludwig, DNotZ 05, 590.

3. Exkurs: Die Europäische Güterrechtsverordnung EU 2016/1103

 

Rz. 105

Gemäß Art. 1 EuGüVO hat die Verordnung im Wesentlichen den ehelichen Güterstand zum Regelungsumfang. Nach Art. 3 Abs. 1a EuGüVO fallen darunter "sämtliche vermögensrechtlichen Regelungen, die zwischen den Ehegatten und in ihren Beziehungen zu Dritten aufgrund der Ehe oder der Auflösung der Ehe gelten." Darüber hinaus jede Form von Vereinbarung über den ehelichen Güterstand zwischen Ehegatten oder künftigen Ehegatten, mit der sie ihren ehelichen Güterstand regeln. Davon mit umfasst ist die Möglichkeit einer Rechtswahl der Ehegatten gemäß Art. 22 EuGüVO. Des Weiteren findet diese Verordnung auch Anwendung auf gerichtliche Entscheidungen den Güterstand betreffend. Die entsprechende Regelung findet sich in Art. 3 Abs. 1d EuGüVO.

 

Rz. 106

Der Güterstand bestimmt sich ab dem 29.1.2019, sofern die Eheleute keine Rechtswahl auf ihren ehelichen Güterstand anzuwenden Recht durch Vereinbarung i.S.v. Art. 22 EuGüVO treffen, gemäß Art. 26 Abs. 1a EuGüVO nach dem Recht des Staates, in welchem die Ehegatten ihren ersten gewöhnlichen Aufenthalt nach ihrer Eheschließung hatten. Fehlt dieser, so bestimmt sich der Güterstand gemäß Art. 26 Abs. 1b EuGüVO nach der Staatsangehörigkeit der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung. Sollte auch hierüber keine Bestimmbarkeit möglich sein, so bestimmt sich der Güterstand gemäß Art. 26 Abs. 1c EuGüVO anhand des Rechts, welch...

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