Unternehmerische Vermögensnachfolge umfassend regeln

Der Widerwille, sein Testament zu machen, wird in aller Regel damit begründet, dass man sich noch nicht festlegen könne. Wenn dann der Tod unerwartet eintritt, folgen häufig unschöne Auseinandersetzungen unter den Erben, die der Erblasser leicht hätte vermeiden können.

Die gute Botschaft gleich vorweg: Einen Großteil der Entscheidungen, die viele Menschen als "noch nicht regelungsreif" bezeichnen, kann im Testament auf die Zeit nach dem Tod verschoben und an dann noch Lebende delegiert werden! "En Vogue" als Gestaltungsmittel der Vermögensnachfolge zu Lebzeiten und von Todes wegen ist derzeit beispielsweise die sogenannte Familiengesellschaft. Das Vermögen – in der Regel größeres Immobilienvermögen – soll in eine Gesellschaft eingebracht werden, die dann Eigentümer der Immobilien ist. Anschließend werden nicht mehr einzelne Immobilien, sondern Anteile an der Familiengesellschaft verschenkt oder vererbt. Es lohnt sich zu prüfen, ob diese Konstruktion interessant sein könnte.

Unternehmensinteressen beachten

Im Wesentlichen lassen sich in der erbrechtlichen Praxis drei Unternehmerinteressen bei der Nachfolgeregelung und Vererbung von Unternehmen oder Gesellschaftsanteilen feststellen:

  • Fortbestand des Unternehmens,
  • Existenzsicherung des überlebenden Ehegatten,
  • gerechte Vermögensverteilung.

Wer sein Unternehmen an die nächste Generation oder sonstige Rechtsnachfolger weitergibt, muss sich neben den steuerlichen Themen auch die Frage stellen, ob sein Unternehmen für die von ihm vorgesehene Unternehmensnachfolge überhaupt die optimale Rechtsform hat und ob der Gesellschaftsvertrag für die Unternehmensnachfolge tauglich ist oder verändert/ersetzt werden muss.

Unternehmensnachfolgen werden häufig über viele Jahre hinweg vorbereitet, Vorbereitungen wieder verworfen, Planungsphase und Ausführungsphase ebenso, so dass zwischen Beginn der Überlegungen und Beendigung der Ausführung oft zehn oder auch zwanzig Jahre liegen. Daher sollte unbedingt für die Zwischenzeit eine Risikovorsorge durch ein entsprechendes Testament getroffen werden. In dieser erbrechtlichen Verfügung müssen die wichtigsten Positionen personell besetzt werden, eine Schiedsgerichtklausel zum Zweck der Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzung der Erben eingebaut werden, Testamentsvollstrecker benannt werden, geklärt werden, wer minderjährige Kinder bis zu ihrer Volljährigkeit und ihrem Eintritt in das Unternehmen vertreten soll etc.

Diese Überlegungen decken sich typischerweise mit der Überlegung: "Mögliches Interesse des Erblassers an der Verschiebung letztwilliger Verfügungen auf die Zeit nach seinem Tod": Der Unternehmer, der in langjährigen Planungs- und Testphasen versucht, eine Ideallinie für die Weiterführung des Unternehmens nach seinem Tod zu finden, hat ja typischerweise die Ideallösung noch nicht gefunden – sonst hätte er sie ja schon realisiert. Also muss er die Weiterführung des Übergabeprozesses in einem Testament "für den Fall meines vorzeitigen Todes …" in fremde Hände legen.

Dabei sollte man nicht die unternehmerische Todsünde begehen, die eigenen Kinder gleichberechtigt das Unternehmen weiterführen zu lassen. Das kann einmal gut gehen, die Statistik zeigt jedoch, dass dies eher die Ausnahme ist als die Regel. Die einfachste und häufigste Falle ist, dass beide Sprösslinge als gleichberechtigte Gesellschafter mit jeweils 50 % der Anteile Mitinhaber des Unternehmens werden. Wenn einer von beiden nicht will, kann kein einziger Gesellschafterbeschluss gefasst werden.

Den digitalen Nachlass nicht vergessen

Der fortschreitenden Digitalisierung entsprechend sollte auch der "digitale Nachlass" bedacht werden. Während dies vor 20 Jahren noch kaum ein Thema war, gehört heutzutage die Frage, was nach dem Tod einer Person mit dem sog. "digitalen Nachlass" geschehen soll, zu jeder vollständigen Nachfolgeplanung dazu. Dasselbe gilt, wenn eine Person aufgrund von Koma oder Krankheit oder aufgrund anderer Umstände für längere Zeit nicht dazu in der Lage ist, die eigenen Online-Accounts zu verwalten. Dabei stellen sich unter anderem folgende Fragen: Wer darf auf die Online-Accounts und Daten des Erblassers bzw. des Erkrankten zugreifen? Wie weit darf darauf zugegriffen werden?

Vermögen im Ausland?

Von Interesse für alle, die Familienvermögen im (Nicht)-EU-Ausland zu vererben oder zu erben haben, sind das Internationale Privatrecht im Erbrecht und die Europäische Erbrechtsverordnung. Diese Verordnung gibt es seit 2015, sie regelt sowohl, welche Gerichte für die Entscheidung internationaler Erbfälle zuständig sind, als auch, welches Recht sie dabei zugrunde legen müssen. Des Weiteren enthält sie Regelungen zur Einführung eines einheitlichen Europäischen Nachlasszeugnisses als Erbnachweis, der in allen Mitgliedstaaten, in denen die Verordnung in Kraft getreten ist, anerkannt wird.

Mit der EuErbVO ist auch das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG) in Kraft getreten. Dieses enthält Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit zur Ergänzung der nationalen Vorschriften, präzisiert das Verfahren für die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen und regelt die Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses, die Anerkennung öffentlicher Urkunden und weitere wichtige verfahrensrechtliche Fragen.

Vorsorge für Geschäftsunfähigkeit zu Lebzeiten

Vorsorge darf sich aber nicht auf Regelungen für den Todesfall durch Testamente oder vorweggenommene Erbfolge beschränken, sondern muss auch die Fälle umfassen, in denen die Geschäftsunfähigkeit aufgrund von Unfall oder altersbedingter Demenz eintritt, d.h., dass der bzw. die Betroffene zwar noch lebt, aber nicht mehr für sich selbst und gegebenenfalls auch nicht mehr für sich bzw. sein Unternehmen sorgen kann. Am individuellsten lassen sich Vorbeugungsmaßnahmen durch eine sog. "Vorsorgevollmacht" realisieren. Um für alle Eventualitäten vorzusorgen, müssen Vorsorgevollmachten grundsätzlich alle Lebensbereiche umfassen.

Das sind z.B. für die Besorgung von Vermögensangelegenheiten die Geschäftsführer-Vertretung, die Bevollmächtigung zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung und auf der persönlichen Seite die Bevollmächtigung zur Einwilligung in ärztliche Maßnahmen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht etc. Wegen des Erfordernisses, alle denkbaren Lebensbereiche zu erfassen, ist eine Vorsorgevollmacht in aller Regel gleichzeitig eine Generalvollmacht. Eine solche umfassende Vorsorgevollmacht hat den Vorteil, dass der Unternehmer damit so gut wie jegliche Einflussnahme eines Betreuungsgerichtes vermeiden kann.

Bei Personen, die sich – privat und/oder geschäftlich – regelmäßig in mehreren Staaten aufhalten, stellt sich die Frage, ob eine in Deutschland verfasste General- und Vorsorgevollmacht für die Vermögens- und persönlichen Angelegenheiten sowie eine Patientenverfügung in einem anderen Land akzeptiert werden. Hierzu existieren selbst innerhalb der Europäischen Union höchst unterschiedliche Vorgaben.

Die beste Vorsorge durch den Unternehmer kann allerdings nicht fruchten, wenn der Bevollmächtigte nicht auf die notwendigen geschäftlichen Dokumente zur Führung des Unternehmens zurückgreifen kann, weil diese entweder nicht auffindbar sind oder erst zusammengesucht werden müssen. Der tatsächlich reibungslose Übergang ist nur möglich, wenn der Unternehmer die wichtigsten Unterlagen zur Unternehmensführung vorab zusammenstellt und an einem sicheren, aber für den Bevollmächtigten zugänglichen Platz verwahrt. Dies könnte beispielsweise ein sog. "Notfallkoffer" im Bürosafe sein, denkbar ist aber auch eine digitale Version.

Autor: Dr. Thomas Fritz ist Rechtsanwalt und mit seiner Kanzlei in München auf die Bereiche Erbrecht, Schenkungsrecht und Unternehmensnachfolge einschließlich Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht spezialisiert. Zu diesen Themen veröffentlicht er seit vielen Jahren und hält regelmäßig Vorträge. Der Beitrag entstammt dem im Schäffer-Poeschel Verlag erschienenen Buch: "Gezielte Vermögensnachfolge durch Testament und Schenkung – Betriebsvermöge, Privatvermögen, Vorsorgeverfügungen".