Tamara Henkes, Björn Folgmann
I. Allgemeines
Rz. 214
Der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hat grundsätzlich die gleichen Gebührenansprüche wie ein sogenannter Wahlanwalt, der seine Vergütung nach der Regeltabelle des § 13 RVG berechnen darf.
Rz. 215
Die zunächst gebührenmäßige Schlechterstellung eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts im Vergleich zu einem Wahlanwalt ohne Prozesskostenhilfe-Beiordnung soll durch die Vorschrift des § 50 RVG beseitigt bzw. gemildert werden. Diese Regelung gewährt dem beigeordneten Anwalt bei Streitwerten über 4.000,00 EUR einen Anspruch auf die sog. "weitere Vergütung". Dadurch steht der beigeordnete Anwalt finanziell mindestens ebenso gut da, wie wenn der Auftraggeber ihn außerhalb der Prozesskostenhilfe eingeschaltet hätte. Er kann allerdings auch besser dastehen als ein Wahlanwalt, denn Gebührenschuldner des beigeordneten Anwalts ist die Staatskasse, die stets zahlungsfähig und auch zahlungswillig ist. Somit braucht der Prozesskostenhilfe-Anwalt nicht auf etwaige Zahlungen eines erstattungspflichtigen Gegners des Auftraggebers zu warten.
II. Höhe des Vergütungsanspruchs
Rz. 216
Auszuzahlen ist der Betrag, den die Staatskasse tatsächlich über die in § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichneten Kosten und Ansprüche hinaus erhalten hat. Sind demnach
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die rückständigen oder entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten sowie |
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die auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche (vgl. § 59 RVG) beigeordneter Anwälte gedeckt |
und ist zusätzlich ein Überschuss entstanden, dann ist der Ausgleichsanspruch des beigeordneten Anwalts zu berücksichtigen und zwar bis zur Höhe der Regelgebühren.
Rz. 217
Der auszuzahlende Betrag beträgt jedoch höchstens die Differenz zwischen den nach § 49 RVG errechneten Gebühren und den Regelgebühren nach § 13 RVG. Dies bedeutet, dass die Auszahlung der weiteren Vergütung nur bei einer nachträglich angeordneten Ratenzahlung in Betracht kommen kann (§ 120a Abs. 1 ZPO), ebenso, wenn die Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 ZPO aufgehoben wird.
Rz. 218
Hinweis
Die Ratenzahlung der Prozesskostenhilfe-Partei hat also hier die Wirkung eines vom Staat gewährten zinslosen Darlehens (sog. Justizdarlehn), durch welches die Prozesskostenhilfe-Partei die Kosten bis zur Höhe der Wahlanwaltsvergütung abzahlt. Im obigen Beispiel könnte der Rechtsanwalt demnach nach ca. 31 Monaten die weitere Vergütung von 610 EUR aus der Staatskasse beanspruchen. Die Staatskasse zieht demnach über eine angeordnete Ratenzahlung für den Anwalt die weitere Vergütung ein.
III. Antrag
Rz. 219
Der Antrag auf Festsetzung der weiteren Vergütung ist spätestens nach Aufforderung durch den Urkundsbeamten innerhalb einer Frist von einem Monat einzureichen (§ 55 Abs. 6 RVG). Diese kann nicht verlängert werden. Es handelt sich hierbei auch nicht um eine Notfrist, sodass eine Wiedereinsetzung nicht möglich ist.
Rz. 220
Um hier Nachteile zu vermeiden, sollte der Anwalt seine Berechnung der Regelvergütung unverzüglich zu der Akte reichen (§ 50 Abs. 2 RVG). Versäumt er dies, so löst dies jedoch keine Sanktionen wie z.B. bei § 55 Abs. 6 RVG aus.
IV. Vorgehensweise bei Fristversäumnis
Rz. 221
Wegen der weit reichenden Folgen des Versäumens der Frist ist unbedingt darauf zu achten, dass der Antrag rechtzeitig eingeht. § 55 Abs. 6 RVG bestimmt, dass der Anwalt seine sämtlichen Ansprüche bei Fristversäumnis verliert, und zwar sowohl gegen die Staatskasse nach § 49 RVG als auch diejenigen, die er nach § 11 RVG gegen seinen Mandanten hätte. Dieser Folge ist allerdings nicht zuzustimmen, da die Wirkungen der Prozesskostenhilfe nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entfallen sind. Im Zweifel bleibt der Rechtsanwalt bei Fristversäumnis ohne irgendeine Vergütung. Auch berufsrechtlich dürfte es sich verbieten, dass der Rechtsanwalt bei eigenem Verschulden die weiteren Kosten bei seinem Mandanten anfordert. Begründet wird diese Ansicht damit, dass das Gesetz von "Ansprüchen" spricht, sodass hiervon auch die Regelvergütung nach § 49 RVG betroffen ist. Zudem ist der Anwalt nicht mehr verpflichtet, nach § 55 Abs. 6 RVG die Berechnung seiner Regelvergütung unverzüglich zu den Prozessakten zu reichen. Er soll dies lediglich tun. Das Wort "kann" in § 55 Abs. 6 RVG legt lediglich die Zuständigkeit des Urkundsbeamten fest. Es gibt ihm keinen Ermessenspielraum.
Rz. 222
Sollte der Anwalt einmal in die missliche Lage geraten, dass seine Gebührenansprüche gegenüber der Staatskasse aufgrund eines Fristversäumnisses verwirkt sind, empfiehlt es sich, zunächst die entsprechende Gerichtsakte einzusehen. Denn an eine wirksame Fristsetzung, die zum Erlöschen der Ansprüche führt, sind strenge Anforderungen zu stellen.
Rz. 223
Denn die Aufforderung des Urkundsbeamten an den Rechtsanwalt, seine Ansprüche anzumelden, setzt die Monatsfrist des § 55 Abs. 6 RVG nur in Lauf, wenn diese Aufforderung unterschrieben ist. Eine Paraphierung ist unzureichend. Dies e...