Rz. 89
Nach den bisherigen AKB und dem VVG 1908 führte eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung auch dann zur Leistungsfreiheit, wenn diese sich nicht auf den Schaden oder die Schadenfeststellung auswirkt. Es genügte, wenn die Obliegenheitsverletzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers zu gefährden ("Relevanztheorie"). Durch das in den AKB 2015 und im VVG 2008 zu berücksichtigende Kausalitätsprinzip wird sich die Argumentation und Rechtsprechung auf den Vorwurf eines arglistigen Verhaltens konzentrieren.[74]
Rz. 90
Bei falschen Angaben zum Schadenhergang und zur Schadenhöhe wird der Versicherer, wenn er die Unrichtigkeit dieser Angaben entdeckt, die Regulierung verweigern oder die Ersatzleistung entsprechend kürzen, so dass grob fahrlässige und vorsätzliche Verstöße die Aufklärungsobliegenheit nur noch für Rückforderungsansprüche von Bedeutung sind. Die bislang zur Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung ergangene Rechtsprechung wird daher in Zukunft nur bedingt von Bedeutung sein und nur insoweit Bestand haben, als der Versicherungsnehmer durch seine falschen Angaben bewusst auf das Regulierungsverhalten des Versicherers Einfluss nehmen wollte.
Rz. 91
Diese Voraussetzungen dürften jedoch im Regelfall bei falschen Angaben zum Schadenhergang und zur Schadenhöhe von Bedeutung sein, da die bisherigen "Irrtümer" des Versicherungsnehmers stets zu seinen Gunsten erfolgten, es sind keine oder nur wenige Fälle bekannt, in denen sich der Versicherungsnehmer zu seinen Ungunsten "geirrt" hatte.
Rz. 92
Vorsätzlich falsche Angaben zum Schadenhergang und zur Schadenhöhe dürften daher im Regelfall auch arglistig erfolgen, also mit der Absicht, die Leistungspflicht des Versicherers dem Grunde oder der Höhe nach zu beeinflussen. Der Versicherungsnehmer kann die gegen ihn sprechende Vermutung des arglistigen Verhaltens nur durch den Gegenbeweis entkräften.
Beispiel
Der Versicherungsnehmer weist nach, dass die falschen Angaben zum Kilometerstand auf einer arglistigen Täuschung des Vorbesitzers des Fahrzeuges beruhen.
Rz. 93
Die Leistungsfreiheit des Versicherers wird daher auch für die Zukunft in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung zu bejahen sein bei:
▪ | falschen Angaben über den Kaufpreis des versicherten Fahrzeugs;[75]
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▪ | falschen Angaben über Zubehörteile;[79] | ||||||||||
▪ | unrichtigen Angaben über den Kilometerstand des entwendeten Fahrzeuges;[80]
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▪ | unrichtigen Angaben über die Anzahl der Vorbesitzer;[86] | ||||||||||
▪ | Falschangaben über Vorschäden[87] (Etwas anderes gilt nur für Bagatellschäden, deren Beseitigung Kosten in Höhe von weniger als 219,60 EUR[88] oder 250,00 EUR[89] ausmacht.); | ||||||||||
▪ | Täuschungsversuchen über den Restwerterlös;[90] | ||||||||||
▪ | unrichtigen Angaben zur Vorsteuerabzugsberechtigung;[91] | ||||||||||
▪ | falschen Angaben zu werterhöhenden Reparaturarbeiten mit fingierten Rechnungen;[92] | ||||||||||
▪ | arglistigem Verschweigen einer ebenfalls eintrittspflichtigen Transportversicherung.[93] |
Rz. 94
Nachtrunk nach einem Unfall ohne Fremdschaden führt nicht ohne Weiteres zu Leistungsfreiheit, es sei denn, der Versicherungsnehmer beabsichtigt durch diesen Nachtrunk die Verschleierung seines Alkoholisierungsgrades.[94]
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