Rz. 229

Der Arbeitnehmer schuldet diejenige Arbeitsleistung, die er bei angemessener Anspannung seiner individuellen Kräfte und Fähigkeiten erbringen kann.[590] Beruhen Schlecht- oder Minderleistung auf einer mangelnden Eignung des Arbeitnehmers für die ihm übertragenden Aufgaben, kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht (vgl. dazu Rdn 203). Beruht die Schlecht- oder Minderleistung auf krankheitsbedingten Gründen, kommt ebenfalls nur eine personenbedingte Kündigung in Betracht (vgl. Rdn 198). Eine verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Ein Arbeitnehmer genügt, mangels anderer Vereinbarungen, seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er eine vom Arbeitgeber gesetzte Norm oder die Durchschnittsleistung aller Arbeitnehmer unterschreitet. Nach der Rspr. des BAG[591] kann allerdings die längerfristige deutliche Unterschreitung des Durchschnitts ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer weniger arbeitet als er könnte, also vorwerfbar seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft. Beispielsweise kann sich ein Außendienstmitarbeiter auf ein ungünstig zugeschnittenes Außendienstgebiet, einen verkehrsungünstig gelegenen Standort seiner Agentur, die regional starke Verbreitung von Konkurrenzprodukten oder auf eine geringere Finanzkraft der erreichbaren Kundschaft berufen und damit unterdurchschnittliche Akquisitionserfolge rechtfertigen.[592]

 

Rz. 230

 

Praxishinweis

Nach der Rspr. des BAG sind die Anforderungen an eine Kündigung wegen Schlecht- oder Minderleistung derart hoch, dass diese Art der Kündigung nur dann in Erwägung zu ziehen ist, wenn die Arbeitsleistung des zu kündigenden Arbeitnehmers wie die vergleichbarer Arbeitnehmer zu quantifizieren und damit eine durchschnittliche Leistungsfähigkeit messbar ist. Ferner ist eine erfolglose Abmahnung und ein ausreichender Bewährungszeitraum nach Ausspruch der Abmahnung (vgl. Rdn 263) erforderlich. Bei Tätigkeiten, die nicht quantifizier- oder messbar sind, sollten eher einzelne Pflichtverletzungen abgemahnt werden. Hier bietet es sich an, schriftlich bestimmte Arbeitsanweisungen generell oder im Einzelfall zu fixieren, damit der einzuhaltende Maßstab quantifizierbar ist. Sind diese Voraussetzungen nicht einzuhalten, sollte geprüft werden, ob die vom Arbeitnehmer ausgeübte Funktion zukünftig entfallen kann.

Der Arbeitnehmeranwalt muss bei behaupteter Schlecht- oder Minderleistung diese und dass eine bestimmte Leistung der durchschnittlich zu erbringenden Arbeitsleistung nicht entspricht, lediglich bestreiten. Bei Schlechtleistung im Einzelfall braucht er lediglich zu bestreiten, dass eine entsprechende Leistungsanweisung und eine Schlechtleistung vorliegen.

[590] KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 448.
[592] Vgl. zur Abmahnung wegen Minderleistung: BAG v. 27.11.2008, NZA 2009, 842.

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