Rz. 72

Auch wenn sich die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen zur geringfügig entlohnten Beschäftigung von denjenigen zur kurzfristigen Beschäftigung unterscheiden, bestehen doch auch Gemeinsamkeiten. Am wichtigsten ist die Feststellung, dass der Beschäftigte in beiden Fallvarianten der geringfügigen Beschäftigung mit wenigen Ausnahmen im Grundsatz keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Sozialversicherung erwirbt.[37]

[37] Unfallversicherungsschutz besteht allerdings; dazu Rdn 82. Zu der Ausnahme in der Rentenversicherung der geringfügig entlohnten Beschäftigten siehe unten Rdn 76 ff.

1. Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung

 

Rz. 73

Mit Ausnahme von Beschäftigungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz besteht für geringfügig Beschäftigte Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 7 Abs. 1 S. 1 SGB V. Daraus folgt eine Versicherungsfreiheit auch in der sozialen Pflegeversicherung, § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI.

 

Rz. 74

Auch in der Arbeitslosenversicherung besteht Versicherungsfreiheit der geringfügig Beschäftigten, § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III. Eine geringfügige Beschäftigung kann ohne Kürzungen des Arbeitslosengeldes sogar neben einer Arbeitslosigkeit ausgeübt werden, wenn sie weniger als 15 Stunden je Woche umfasst, § 138 Abs. 3 S. 1 SGB III, und wenn die Einkünfte aus der geringfügigen Beschäftigung 165 EUR nicht übersteigen, § 155 Abs. 1 S. 1 SGB III. Höheres Arbeitseinkommen wird auf das Arbeitslosengeld angerechnet; auch dann bleiben aber die ersten 165 EUR anrechnungsfrei (Freibetrag, nicht Freigrenze).

 

Rz. 75

Die Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungsverhältnisse nach § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV ist für das Recht der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen, § 27 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 SGB III. Dadurch bleiben mehr Beschäftigungsverhältnisse von der Arbeitslosenversicherung befreit als von den anderen Sozialversicherungszweigen. Ausdrücklich besteht allerdings nach § 27 Abs. 2 S. 2 SGB III für solche Personen keine Versicherungsfreiheit nach dem SGB III, die geringfügig beschäftigt sind

1. im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz, nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz,
2. wegen eines Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld oder
3. wegen stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (§ 74 SGB V, § 44 SGB IX) oder aus einem der in § 146 Abs. 1 SGB III genannten Gründe.

2. Ausnahme: Rentenversicherung

 

Rz. 76

Unterschiede bestehen in der gesetzlichen Rentenversicherung: Denn auch insoweit ­besteht für zeitgeringfügig Beschäftigte i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV keine Versicherungspflicht, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI.

 

Rz. 77

Dagegen sind geringfügig entlohnte Beschäftigte seit dem 1.1.2013 in der Rentenversicherung grundsätzlich versicherungspflichtig. § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI enthält keine Ausnahme für geringfügig Beschäftigte und § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI nennt als versicherungsfrei lediglich die zeitgeringfügig Beschäftigten nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, nicht aber die entgeltgeringfügig Beschäftigten nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Das war früher anders geregelt; zur Übergangsregelung siehe unten Rdn 81 und 111.

 

Rz. 78

Entgeltgeringfügig Beschäftigte haben jedoch die in § 6 Abs. 1b SGB VI näher beschriebene Möglichkeit, sich von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen – sog. Opt-out-Lösung. Hierfür bedarf es eines schriftlichen Befreiungsantrags, der dem Arbeitgeber zugehen muss, § 6 Abs. 1b S. 2 SGB VI, der wiederum die zuständige Einzugsstelle im Rahmen seiner Meldung nach § 28a SGB IV informiert. Der Antrag kann im Falle mehrerer geringfügiger Beschäftigungen nur einheitlich – also nicht für jede geringfügige Beschäftigung unterschiedlich – gestellt werden und ist für die Dauer dieser Beschäftigungen dann bindend, § 6 Abs. 1b S. 4 SGB VI. Der Arbeitnehmer kann seinen Befreiungsantrag also während der geringfügig entlohnten Beschäftigung nicht widerrufen. Er kann sich – anders formuliert – nicht nachträglich doch noch für den Rentenversicherungsschutz entscheiden.

 

Rz. 79

Der Antrag wirkt im Regelfall rückwirkend vom Beginn desjenigen Monats an, in dem er dem Arbeitgeber zugegangen ist. Dies und weitere Einzelheiten regelt § 6 Abs. 4 SGB VI. Der Beschäftigte kann mit seinem Antrag aber nicht ohne Weiteres über seine Rentenversicherungspflicht entscheiden. Vielmehr entscheidet der Träger der Rentenversicherung, wobei die Befreiung als erteilt gilt, wenn die Einzugsstelle – das ist nach § 28i S. 5 SGB VI bei geringfügig Beschäftigten die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See – dem Antrag nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Meldung des Arbeitgebers widerspricht, § 6 Abs. 3 S. 2 SGB VI. Ein solcher Widerspruch könnte etwa dann erfolgen, wenn die Einzugsstelle feststellt, dass die Voraussetzungen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nicht vorliegen.

 

Rz. 80

Stellt der geringfügig entlohnte Beschäftigte keinen derartigen Befreiungsantrag, so bleibt er versiche...

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