Rz. 382

Gem. § 312 SGB III ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses alle Tatsachen zu bescheinigen, die für die Entscheidung über den Anspruch auf Alg oder Übergangsgeld erheblich sein können (Arbeitsbescheinigung). Es genügt die Übersendung einer Kopie des unterschriebenen Originals an den Arbeitnehmer (vgl. Küttner/Kreitner, Personalbuch 2022, Arbeitsbescheinigung, Rn 4). In dieser Bescheinigung ist gem. § 312 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB III auch der Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses anzugeben. Dieser wirkt sich maßgeblich bei der Entscheidung der Arbeitsagentur über eine eventuelle Sperrfrist nach § 159 SGB III aus. Zwecks Vermeidung späterer Rechtsstreitigkeiten empfiehlt es sich für beide Parteien, in diesem Punkt Klarheit zu schaffen und dies entsprechend in die Aufhebungsvereinbarung aufzunehmen (vgl. § 24 des Mustervertrages, Rdn 454).

 

Rz. 383

In der Praxis wird vielfach vergleichsweise nach einer verhaltensbedingten Kündigung die Trennung aus betriebsbedingten Gründen in eine Aufhebungs- oder Abwicklungsvereinbarung oder einen arbeitsgerichtlichen Vergleich als Trennungsgrund aufgenommen. Dies hat nach umstrittener, aber zutreffender Meinung nicht die Sittenwidrigkeit/Nichtigkeit zur Folge (vgl. LAG Nds. v. 23.11.2004, NZA-RR 2005, 415; LAG Baden-Württemberg v. 22.5.1991, LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 4). Zu Recht weisen Lindemann/Polzer darauf hin, dass vom Arbeitgeber ausschließlich "Tatsachen" zu bescheinigen sind. Dazu zählen nicht Wertungen wie die rechtliche Qualifizierung einer Kündigung als betriebsbedingt, verhaltensbedingt oder personenbedingt (vgl. Lindemann/Polzer, DB 2015, 2935). Insofern scheidet m.E. auch eine etwaige Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers gegenüber der Arbeitsagentur gem. § 321 Nr. 1 SGB III von vornherein aus.

Dem tritt das LAG Baden-Württemberg entgegen: Die stillschweigend vom Arbeitgeber in einem Abwicklungsvertrag übernommene Verpflichtung, den Arbeitnehmer abweichend von dem dokumentierten wahren verhaltensbedingten Beendigungsgrund bei der Vorspiegelung eines betriebsbedingten Beendigungstatbestands gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zu unterstützen, verstoße gegen das in § 312 SGB III normierte gesetzliche Gebot zu wahrheitsgemäßen Angaben und sei deshalb nichtig. Ein solcher Verstoß führe zur Gesamtnichtigkeit der Abwicklungsvereinbarung (vgl. LAG Baden-Württemberg v. 6.7.2006 – 21 Sa 8/06, juris Rn 115 und 124); vgl. ferner LAG Hamm v. 27.11.1997, BB 1998, 541 = LAGE § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 22; ArbG Wetzlar v. 24.8.1993, EzA § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 14 zu § 117 AFG).

 

Rz. 384

In einer weiteren Entscheidung hatte das LAG Hamm über den Schadensersatzanspruch eines Arbeitnehmers zu befinden, gegen den von der Arbeitsagentur eine Sperrfrist verhängt wurde, weil der Arbeitgeber in der Arbeitsbescheinigung entgegen der im Kündigungsschutzprozess vergleichsweise protokollierten betrieblichen Gründe verhaltensbedingte Gründe angab, die auch Inhalt des Kündigungsschreibens gewesen waren. Das LAG Hamm wies den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers mit der Begründung ab, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur korrekten Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung von dem Vergleich unberührt bleibe. Insofern könne sich der Arbeitgeber gar nicht wirksam binden. Eine Vereinbarung zur wahrheitswidrigen Auskunft ggü. der Arbeitsagentur wäre nach § 134 BGB nichtig (vgl. LAG Hamm v. 23.5.1996 – 8 [2] Sa 1326/95, juris, zu der Vorgängervorschrift § 133 AFG).

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