Rz. 286

Art. 1 Abs. 1, 2 Buchst. a bis l EuErbVO nimmt u.a. folgende wichtige Regelungsbereiche aus dem Anwendungsbereich der Verordnung heraus:

(Schenkung- und Erbschaft-)Steuerrecht
eheliches Güterrecht
Gesellschaftsrecht
Sachenrecht
Grundbuchverfahrensrecht.

Hier ist es der Rechtsprechung, insbesondere derjenigen des EuGH, überlassen, künftig die Grenzen des Anwendungsbereichs der Verordnung zu definieren.

 

Rz. 287

Gerade die Abgrenzung zwischen Erbstatut und Sachenrechtsstatut wirft schwierige Fragen auf. Der EuGH hat sich in einer Vorabentscheidung auf Vorlage eines polnischen Gerichts dazu geäußert, ob bei der Wahl des polnischen Erbstatuts nach Art. 22 EuErbVO das dem polnischen Erbrecht bekannte dinglich wirkende Vindikationslegat bezüglich einer in Deutschland belegenen Immobilie erbrechtliche Wirkung entfaltet, weil das deutsche Erbrecht nur das schuldrechtlich wirkende Damnationslegat kennt. Dies bejahte er, weil das Erbstatut nur die Art und Weise des Erwerbs regelt, nicht jedoch die Voraussetzungen des dinglichen Rechts selbst (numerus clausus).[222]

Freilich ist damit nicht die Frage beantwortet, welche Nachweise dem Grundbuchamt in Deutschland nach dem Tod des Erblassers zur Berichtigung des Grundbuchs vorzulegen sind. Es kann ggf. den Nachweis eines Vollzugsakts aufgrund einer Umdeutung in ein Damnationslegat verlangen. Denn das Grundbuchverfahrensrecht unterfällt nicht der Erbrechtsverordnung.[223] Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. l EuErbVO gehören dazu auch die gesetzlichen Voraussetzungen der Eintragung.

 

Rz. 288

Art. 30 EuErbVO enthält eine Vorbehaltsklausel für Mitgliedstaaten, die Rechtsnachfolge von Todes wegen im Hinblick auf unbewegliches Nachlassvermögen, Unternehmen oder andere besondere Vermögenswerte aus wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Erwägungen zu beschränken. Die Norm soll gewährleisten, dass spezifische, meist historisch gewachsene, nachlassrechtliche nationale Rechtsinstitute wirksam bleiben.[224] In Deutschland fällt hierunter bspw. das Sondererbrecht des Hoferbens oder die Sondererbfolge in ein Mietverhältnis.[225]

Von der Ausnahmevorschrift sollen aber nicht nationale Kollisionsnormen umfasst sein, die zu einer Nachlassspaltung führen würden (Erwägungsgrund 54 der EuErbVO):

Zitat

"Diese Ausnahme von der Anwendung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts ist jedoch eng auszulegen, damit sie der allgemeinen Zielsetzung dieser Verordnung nicht zuwiderläuft. Daher dürfen weder Kollisionsnormen, die unbewegliche Sachen einem anderen als dem auf bewegliche Sachen anzuwendenden Recht unterwerfen, noch Bestimmungen, die einen größeren Pflichtteil als den vorsehen, der in dem nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht festgelegt ist, als besondere Regelungen mit Beschränkungen angesehen werden, die die Rechtsnachfolge von Todes wegen in Bezug auf bestimmte Vermögenswerte betreffen oder Auswirkungen auf sie haben."

 

Rz. 289

Art. 35 EuErbVO enthält eine sog. ordre public-Klausel, die den Mitgliedstaaten die Nichtanwendung ausländischer Rechtsordnungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung ermöglicht. Hierzu gehören bspw.:

Benachteiligung weiblicher gesetzlicher Erben,[226]
Benachteiligung anderer Religionszugehöriger bei gesetzlicher Erbfolge,[227]
Diskriminierung nichtehelicher Kinder bei gesetzlicher Erbfolge,[228]
Diskriminierung von Adoptivkindern bei gesetzlicher Erbfolge.[229]

Umstritten ist, inwieweit der Wechsel des Erbstatuts zum Zweck des Ausschlusses von Pflichtteilsansprüchen gegen den deutschen ordre public verstößt.[230]

[225] Palandt/Thorn, Art. 30 EGBGB Rn 1.
[227] OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.2010 – 20 W 3/10, 20 W 4/10, Rn 12, ZEV 2011, 135.
[229] EGMR, Urt. v. 13.7.2004 – 69498/01, ZEV 2005, 162.
[230] Zum Meinungsstand Palandt/Thorn, Art. 35 EGBGB Rn 2.

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