Rz. 427
Auch bei titulierten Ansprüchen ist eine Verwirkung nach der gleichen Zeitspanne grundsätzlich möglich,[501] es sind jedoch erheblich strengere Voraussetzungen beim Umstandsmoment zu beachten.[502]
Rz. 428
Da mit der Verwirkung die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden soll, ist das Verhalten des Berechtigten maßgebend. Entscheidend ist, ob bei objektiver Beurteilung der Verpflichtete dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, ob der Schuldner sich also darauf einrichten durfte, dass er mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauche.[503]
Rz. 429
Lässt ein Gläubiger seinen Anspruch durch gerichtliche Entscheidung titulieren, gibt er bereits dadurch zu erkennen, dass er die Forderung durchsetzen will und sich dazu eines Weges bedient, der ihm dies grundsätzlich für die Dauer von 30 Jahren ermöglicht. Daher liegt die Annahme, ein anschließendes Ruhen der Angelegenheit könne bedeuten, der Gläubiger wolle den Anspruch endgültig nicht mehr durchsetzen, umso ferner.[504]
Rz. 430
Daher müssen zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.[505] Unterlassene Vollstreckungsmaßnahmen können deshalb nicht als ein Anzeichen mangelnden Durchsetzungswillens des Gläubigers gewertet werden.[506]
Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann folglich das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen.[507]
Rz. 431
Praxistipp:
▪ | Um sich erfolgreich auf Verwirkung berufen zu können, muss der Schuldner also Umstände darlegen, nach denen der Gläubiger zu erkennen gegeben hat, er werde künftig nicht aus dem Titel vollstrecken; zudem muss er auch darlegen, dass und inwieweit er sich tatsächlich darauf berufen hat. |
▪ | Umstände aus der eigenen Sphäre des Schuldners, wie z.B. das Vernichten der Zahlungsbelege, bewirken keine Vertrauensposition.[508] |
▪ | In der anwaltlichen Praxis ist es dennoch ratsam, auch bei einem vorhandenen Titel über Unterhalt regelmäßig geeignete Maßnahmen durchzuführen, um einer Verwirkung vorzubeugen. |
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