Orientierungssatz

An die Verwirkung titulierter Unterhaltsansprüche ist ein strengerer Maßstab anzulegen als bei nicht titulierten Unterhaltsansprüchen. In der Regel ist das sogenannte Zeitmoment vor Ablauf der kurzen Verjährung (4 Jahre) nicht erfüllt.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg – Familiengericht – vom 10.7.2000 wie folgt teilweise abgeändert:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des Amtsgerichts Hamburg vom 2.8.1990 zum Aktz. 286 F 175/85 wird insoweit für unzulässig erklärt, als die Beklagte für die Zeit bis zum 30.6.1999 über die erstinstanzlich bereits anerkannten Beträge hinaus (DM 6.784,56 abzüglich gezahlter DM 6026,88 = DM 757,68) mehr als DM 20.742,06 vollstreckt.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten der 1. Instanz haben der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 zu tragen. Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung von DM 8000 abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die gleiche Befugnis hat die Beklagte gegen eine Sicherheitsleistung von DM 800.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien sind geschiedene Eheleute und streiten um die Nachzahlung von Unterhaltsrückständen aus einer Wertsicherungsklausel für die Zeit bis zum 30.6.1999.

Die Parteien schlossen am 2.8.1990 einen gerichtlichen Scheidungsfolgenvergleich. Darin verpflichtete sich der Kläger, der Beklagten ab 1.9.1990 einen laufenden monatlichen Unterhalt von DM 3200.– zu bezahlen. Dabei wurden auf Seiten des Klägers ein monatliches Nettoeinkommen von DM 13.000 und auf Seiten der Beklagten ein Einkommen von ca. DM 2200.– zugrundegelegt. Nach Ziff. 4 des Vergleichs sollte der Unterhalt jährlich an den Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen angepaßt werden. Die Anpassung sollte ohne Aufforderung bis spätestens zum 30.3. eines jeden Jahres erfolgen.

Zum 1. Anpassungsdatum, dem 30.3.1991, nahm der Kläger keine Anpassung vor. Im September 1991 wurde er von den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zur Zahlung eines erhöhten Unterhalts von DM 3273,60 aufgefordert. Tatsächlich zahlte der Kläger sodann in der Folgezeit monatlich DM 3256,96. Weitere Anpassungen nahm der Kläger nicht mehr vor. Die Beklagte forderte den Kläger erstmals im Jahre 1999 dazu auf, die sich aus den nicht durchgeführten Anpassungen ergebenden Unterhaltsrückstände auszugleichen. Unter dem 2.9.1999 erwirkte sie einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß über DM 31.073,28, der sich auf die rückständigen Anpassungen aus der Zeit vom 1.1.94- 30.6.99 bezieht.

Der Kläger überwies am 3.9.1999 DM 6026,88 an die Beklagte, und zwar als Unterhaltsnachzahlung für die Zeit von Juli 1998 bis Juni 1999. Er meint, daß die Beklagte ihren Anspruch auf Unterhaltsanpassung für die davorliegende Zeit in entsprechender Anwendung des § 1585b Abs. 3 BGB verwirkt habe.

Unter dem 29.9.1999 hat der Kläger gegen die Beklagte Zwangsvollstreckungsgegenklage erhoben mit dem Antrag,

die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vor dem Amtsgericht Hamburg (Aktz. 286 F 175/85) für unzulässig zu erklären, soweit die Vollstreckung den Betrag von DM 6026,88 übersteige.

Die Beklagte hat

Klagabweisung beantragt.

Sie ist der Auffassung, daß § 1585b Abs. 3 BGB nicht analog angewendet werden könne und es für eine Verwirkung insbesondere an dem sogenannten Umstandsmoment fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Tatbestand des familiengerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Familiengericht hat durch Urteil vom 10.7.2000 die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt, insoweit für die Zeit bis zum 30.6.99 mehr als DM 6784,56 vollstreckt würden. Es ist der Auffassung des Klägers gefolgt, daß er entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1585 b Abs. 3 BGB nur Unterhalt für die Zeit von Juli 1998 bis Juni 1999 nachzahlen müsse und die Beklagte ihren Anspruch für die davorliegenden Zeiträume verwirkt habe. Dabei hat das Familiengericht den Nachzahlungsbetrag mit insgesamt DM 6748,56 errechnet und bezüglich der bereits gezahlten DM 6026,88 ausgeführt, daß dies habe im Tenor nicht berücksichtigt werden können, weil die Parteien trotz Zahlung nach Klagerhebung den Rechtsstreit nicht für erledigt erklärt hätten.

Gegen das am 17.7.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17.8.2000 Berufung eingelegt, die sie – nach entsprechender Fristverlängerung – mit einem am 2.10.2000 eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Sie vertritt die Auffassung, daß sie jedenfalls noch die Unterhaltsanpassungen vom 1.1.1995 bis zum 30.6.1999 beanspruchen könne. Diese betrügen – vor Abzug der am 3.9.1999 unstreitig erfolgten Zahlung – insgesamt DM 27.526,62. Den in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag, die Zwangsvollstreckung insoweit für unzulässig zu erklären, als der vollstreckte Betrag DM 27.526,62 übers...

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