Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung von titulierten Unterhaltsansprüchen für länger zurückliegende Zeiträume.

 

Normenkette

FamFG § 95; ZPO § 767

 

Verfahrensgang

AG Lingen (Beschluss vom 03.11.2010; Aktenzeichen 21 F 2170/10 UK)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Lingen vom 3.11.2010 aufgehoben.

Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge werden der Antragstellerin auferlegt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat sich durch notarielles Schuldanerkenntnis vom 18.9.1997 (UR-Nr. 605/97 des Notars Dr. F ...), Bl. 6 ff. Bd. I, verpflichtet, an ihren am 21.1.1991 geborenen Sohn, den Antragsgegner, der seit der Scheidung seiner Eltern beim Vater lebte, monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. jeweils 805,- DM abzgl. des hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Sie hat sich in dieser Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen und dem Kindesvater, ihrem geschiedenen Ehemann, eine vollstreckbare Ausfertigung des Anerkenntnisses zukommen lassen.

Der nunmehr volljährige Antragsgegner hat - seinerzeit noch vertreten durch seinen Vater - am 2.11.2009 und zuletzt am 27.1.2010 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse wegen der Unterhaltsrückstände für die Zeit vom 1.2.1999 bis zum 21.1.2009 (Eintritt der Volljährigkeit) nebst Kosten erwirkt.

Aufgrund des Urteils des Senats vom 14.6.2010 - 13 UF 25/10 - ist die Antragstellerin -in Abänderung der genannten notariellen Urkunde - ab dem 1.2.2009 zu keinerlei Unterhaltszahlungen mehr verpflichtet.

Mit ihrer Antragsschrift hat die Antragstellerin beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Schuldanerkenntnis für unzulässig zu erklären, soweit titulierte Unterhaltsansprüche bis einschließlich Januar 2009 (danach ist kein Unterhalt mehr geschuldet) betroffen sind. Sie hat in der Vergangenheit Unterhaltszahlungen in wechselnder - und im Einzelnen streitiger - Höhe erbracht.

Ihren Anspruch stützt sie auf das Rechtsinstitut der Verwirkung. Der Antragsgegner habe Unterhalt erstmals - wieder - mit Schreiben vom 12.2.2009 (Bl. 22 Bd. I f) geltend gemacht und sich in der Vergangenheit mit den Teilzahlungen, die zumeist den Mindestunterhalt beinhaltet hätten, zufriedengegeben.

Der Antragsgegner verweist darauf, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer immensen privaten - und Firmenschulden - seit langer Zeit zahlungsunfähig sei und verweist ferner auf seine bisherigen Vollstreckungsversuche.

Am 30.11.1999 hat die Antragstellerin die eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Hierüber wurde der Vater des Antragsgegners mit Schreiben der damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 14.4.2000 unterrichtet.

30.5.2000:

Rechtsanwalt S ... teilte dem AG Nauen mit, dass die Antragsgegnerin am 30.11.1999 die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und bat um Übersendung einer Abschrift (Blatt 222 Bd. II).

19.2.2001:

Der damalige Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters, Rechtsanwalt H., forderte die Kindesmutter zur Zahlung von Unterhalt auf, nachdem die Antragsgegnerin ihre Zahlungen im Juli 1999 eingestellt hat.

Am 11.5.2001 wurde die Antragstellerin erneut zur Zahlung rückständigen Unterhalts aufgefordert.

Ebenfalls am 11.5.2001 wurde Strafanzeige wegen Verletzung der Unterhaltspflicht erstattet.

Am 14.9.2001 erteilten die seinerzeitigen Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwälte D ... und Kollegen, einen Zwangsvollstreckungsauftrag zur Beitreibung des rückständigen Unterhalts.

Die Zwangsvollstreckung verlief erfolglos, was dem Vater des Antragsgegners unter dem 15.1.2002 mitgeteilt wurde.

Am 24.1.2002 erhob die Staatsanwaltschaft gegen die Antragstellerin Anklage wegen Verletzung der Unterhaltspflicht.

In der Folgezeit bemühte sich der Vater des Antragsgegners bei seiner Rechtsschutzversicherung um Kostenfreistellung im Hinblick auf weitere Vollstreckungsversuche; diese lehnte das Ersuchen unter dem 13.3.2002 ab. Rechtsschutz bestehe nur, soweit für ein Zwangsvollstreckungsverfahren nicht mehr als 3 Anträge innerhalb von 5 Jahren seit Rechtskraft gestellt würden.

Am 21.5.2002 wurde das Strafverfahren gem. § 153a StPO eingestellt, der Antragstellerin wurde aufgegeben, monatlichen Unterhalt i.H.v. 228,- EUR, beginnend im Juni 2002 für die Dauer von 1 Jahr zu zahlen; dies entsprach dem Mindestunterhalt. Die Antragstellerin hat diese 228,- EUR bis einschließlich Juli 2003 gezahlt und ab August 2003 bis Januar 2009 monatlich 284,- EUR.

Am 25.3.2003 erbat der Vater des Antragsgegners gegenüber der Staatsanwaltschaft eine "Wiederaufnahme des Verfahrens".

Im Juli 2003 versuchten die Verfahrensbevollmächtigten des Vaters des Antragsgegners in den Kraftwagen der Antragstellerin zu vollstrecken.

Am 21.7.2003 erwirkten sie ein vorläufiges Zahlungsverbot.

Am 26.8.2003 wurde die Antragstellerin erneut zur Zahlung des rückständigen Unterhalts aufgefordert.

Am 27.10.2003 gab sie erneut die eidesstattliche Versicherung ab.

Am 30.11.2004 wurde ihr das Terminsprotokoll übersandt.

Am 20.1.2005 erhielt der Vater des...

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