Rz. 546

Nach einer Entscheidung des 5. Senats des BAG aus dem Jahre 2012 muss der Arbeitnehmer eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus sonstigen Gründen unwirksam ist, zunächst befolgen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit sei der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistung festgestellt werde (BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 249/11, juris). Diese Entscheidung hatte zur Konsequenz, dass der Arbeitnehmer auch einer unbilligen Weisung zunächst nachkommen musste, bis das Arbeitsgericht die Unbilligkeit rechtskräftig festgestellt hatte. Der Arbeitnehmer geriet in Schuldnerverzug, wenn er der unbilligen Weisung nicht nachgekommen ist, so dass ihm, auch wenn das Gericht später die Unbilligkeit der Weisung festgestellt hat, keine Annahmeverzugsvergütungsansprüche zustanden.

 

Rz. 547

Das BAG-Urteil hat in der Literatur und auch in der Rechtsprechung überwiegend Kritik erfahren, da § 315 Abs. 3 S. 1 BGB ausdrücklich bestimmt, dass eine unbillige Weisung des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer unverbindlich sei und demzufolge keine Leistungsverpflichtung auslöse (ErfK/Preis, § 106 GewO Rn 13; Boemke, NZA 2013, 6; Fischer, FA 2014, 38; LAG Düsseldorf v. 6.4.2015 – 12 Sa 1153/15, juris; LAG Berlin-Brandenburg v. 31.5.2013 – 6 Sa 373/13, juris). Im Jahr 2017 ist das BAG jedoch wieder von dieser Rechtsprechung abgerückt. Der 10. Senat hatte über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer Abmahnung zu entscheiden und wollte von der Auffassung des 5. Senats abweichen. Daher fragte der 10. Senat nach § 45 Abs. 3 S. 1 ArbGG beim 5. Senat an, ob dieser an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten wolle und setzte das Verfahren entsprechend § 148 ZPO bis zur Klärung aus (BAG v. 14.6.2017 – 10 AZR 330/16, juris). Der 5. Senat hat daraufhin entschieden, dass er an seiner 2012 geäußerten Auffassung nicht weiter festhält (BAG v. 14.9.2017 – 5 AS 7/17, juris). Daraufhin hat der 10. Senat entschieden, dass ein Arbeitnehmer nach § 106 GewO, § 315 BGB nicht – auch nicht vorläufig – an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden ist, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt (BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, juris).

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