Das billige Ermessen nach § 315 BGB ist bei jeder Ausübung des Direktionsrechts zu beachten. Im Kern sind die Interessen der Beteiligten, also die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers an der Ausübung des Direktionsrechts und die des Arbeitnehmers, abzuwägen. Beispielhaft ist hier eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2015[1]: Im Arbeitsvertrag war – zulässigerweise – ein deutschlandweites Versetzungsrecht geregelt. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer an einen 660 Kilometer entfernten Arbeitsort versetzt. Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Ausübung des Rechts nicht billigem Ermessen entsprach, da der Arbeitgeber die familiäre Situation des Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigt hat.

Grundsätzlich kommt es also auf eine Abwägung der betrieblichen Interessen zu den Interessen des konkret betroffenen Beschäftigten an. In diese Kategorie fällt auch die Ausübung des Direktionsrechts aus gesundheitlichen Gründen – hier meist bei der Suche eines sogenannten leidensgerechten Arbeitsplatzes. Andererseits ist aber die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 167 Abs. 2 SGB IX keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer entsprechenden Maßnahme.[2]

In einer Entscheidung aus dem Jahr 2010[3] hat das Bundesarbeitsgericht das Verhältnis des Direktionsrechts nach § 106 GewO und der Frage der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB umfassend geklärt. Nach dieser Entscheidung ist keine Angemessenheitskontrolle i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB durchzuführen, solange die Versetzungsklausel inhaltlich dem § 106 GewO entspricht. Damit entfällt eine Prüfung nach § 307 Abs. 1 BGB, solange der Regelungsbereich des § 106 GewO nicht zulasten des Beschäftigten überschritten wird. Im Jahr 2012 hat das Bundesarbeitsgericht[4] zur Frage der Wirkung einer Weisung, die nicht billigem Ermessen entspricht, festgestellt, dass der Arbeitnehmer an eine Weisung des Arbeitgebers, die nicht aus anderen Gründen unwirksam sei, vorläufig gebunden sei, bis ein rechtskräftiges Urteil gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung festgestellt habe. Der Arbeitnehmer musste nach dieser Ansicht also auch einer unbilligen Weisung Folge leisten, solange die Weisung nicht offensichtlich unbillig ist. Diese Rechtsprechung wurde im Jahr 2017 nochmals auf den Prüfstand gestellt. Der 5. Senat hat in einem Antwortbeschluss vom 14.9.2017[5] mitgeteilt, dass er an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhält. Damit ist der Arbeitnehmer nicht an eine unbillige Weisung gebunden.

 
Praxis-Tipp

Wenn bei der Gestaltung des Arbeitsvertrags mit einer Versetzungsklausel auf das allgemeine Weisungsrecht des § 106 GewO Bezug genommen wird, bedarf es keiner Prüfung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB. In diesem Fall behält sich der Arbeitgeber lediglich die Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts vor. Es besteht dann keine Abweichung zulasten des Arbeitnehmers von Rechtsvorschriften (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Klausel muss keine Hinweise auf die Ausübung des Weisungsrechts enthalten.

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