Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug bei schriftlichem Arbeitsangebot nach unentschuldigtem Fernbleiben und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitnehmer, der vor seiner Arbeitsunfähigkeit unentschuldigt gefehlt hatte, kann den Arbeitgeber dadurch in Annahmeverzug versetzen, dass er ihn schriftlich davon in Kenntnis setzt, zur Arbeitsaufnahme an seiner Arbeitsstelle erschienen zu sein, dort aber keinen vertretungsberechtigten Mitarbeiter angetroffen zu haben, und das er deshalb um Mitteilung bitte, ihm mitzuteilen, wann er wieder zur Arbeit erscheinen solle.

2. Eine Aufforderung des Arbeitgebers, die Arbeit an einer auswärtigen Betriebsstätte aufzunehmen, stellt eine mit Treu und Glauben unvereinbare Schikane dar, wenn dort überhaupt kein Bedarf an einer Beschäftigung des Arbeitnehmers besteht.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 295 S. 1, § 296 S. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, § 315 Abs. 3, § 615 S. 1, §§ 133, 293

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 30.11.2012; Aktenzeichen 5 Ca 6823/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30.11.2012 - 5 Ca 6823/12 - teilweise geändert.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 23.08.2012 auch nicht zum 30.09.2012 aufgelöst worden.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 9.327,27 € brutto (neuntausenddreihundertsiebenundzwanzig 27/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 207,27 € seit dem 03.04.2012 und jeweils 1.520 € seit dem 01.05., 01.06., 03.07., 01.08., 01.09. und 02.10.2012 zu zahlen.

4. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

5. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreit zu tragen.

6. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die am ...1976 geborene Klägerin trat aufgrund eines undatierten Anstellungsvertrags (Abl. Bl. 6 - 11 GA) am 01.09.2011 als Mitarbeiterin im Verkauf in die Dienste des Beklagten, der ein Sanitärhaus mit Sitz in Brandenburg a.d.H. und mehrere Filialen in Berlin und Brandenburg betreibt, in denen er regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Das Monatsgehalt der Klägerin, die in einer Filiale in der B.straße in Berlin eingesetzt wurde, belief sich auf 1.520 EUR brutto.

Am 16.02.2012 verließ die Klägerin ihre Arbeitsstelle unter Zurücklassen der Geschäftsschlüssel. In der folgenden Woche übersandte sie dem Beklagten eine ärztliche Bescheinigung vom 22.02.2012, worin ihr zunächst für die Zeit vom 20.02.2012 bis 09.03.2012 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde. Diese Bescheinigung sandte der Beklagte mit Schreiben vom 28.02.2012 (Abl. Bl. 13 GA) an die Klägerin zurück, worin er ausführte, er sehe das Arbeitsverhältnis mit Rückgabe der Schlüssel und dem damit verbunden gewesenen Gespräch sowie dem unentschuldigten Fehlen der Klägerin an den darauffolgenden Tagen zum 16.02.2012 als beendet an.

Nach einem Schriftwechsel der späteren Prozessbevollmächtigten der Parteien erschien die Klägerin am 23.02.2012 an ihrer Arbeitsstelle in der B.straße. Ob sie dort ihre Arbeitskraft anbot, ist streitig. Jedenfalls wandte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einem per Telefax übermittelten Schreiben vom 28.03.2012 an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten, worin es hieß:

"in obiger Angelegenheit ist meine Mandantin, nachdem sie von ihrer Krankheit genesen ist, am 23.03.2012 um 08.30 Uhr an ihre Arbeitsstelle in Berlin vorstellig geworden. Es war lediglich eine neue Mitarbeiterin vor Ort, die darüber von meiner Mandantin informiert wurde, dass sie genesen und wieder bereit zu arbeiten sei. Eine Arbeit konnte ihr nicht zugewiesen werden. Die Mitarbeiterin versprach lediglich für den Arbeitgeber eine Nachricht zu hinterlassen. Eine Reaktion Ihres Mandanten erfolgte jedoch bisher nicht.

Auch aufgrund Ihres Schreibens vom 14.03.2012 ist davon auszugehen, dass Ihre Mandantschaft die Arbeitskraft meiner Mandantin nicht entgegenzunehmen bereit ist. Sollte sich diesbezüglich die Einstellung Ihrer Mandantschaft ändern, bitte ich, mir mitzuteilen, wann Frau G. wieder zur Arbeit erscheinen soll."

Im Rahmen des am 26.04.2012 anhängig gemachten Rechtsstreits auf Entgeltfortzahlung und sog. Verzugslohn vereinbarten die Parteien am 17.08.2012 in einem Widerrufsvergleich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2012 unter Entgeltzahlung sowie Zahlung einer Abfindung. Vor Ablauf der Widerrufsfrist forderte der Beklagte die Klägerin mit einem durch Boten überbrachten Schreiben vom 20.08.2012 (Abl. Bl. 88 GA) auf, die Arbeit am nächsten Tag in seiner Filiale in Brandenburg a.d.H. aufzunehmen, verbunden mit dem Hinweis, dass das Arbeitsverhältnis bei Nichterscheinen außerordentlich fristlos gekündigt werden könne. Da die Klägerin dieser Aufforderung nicht Folge leistete, erteilte ihr der Beklagte am nächsten Tag eine Abmahnung (Abl. Bl. 89 GA) und kündigte ihr schließlich mit Schreiben vom 23.08.2012 (Abl. Bl. 90 GA) fristlos und hilfsweise fristgemäß zum 30.09.2012. Den Prozes...

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