Rz. 348

Zielvereinbarungen werden in der Praxis üblicherweise jährlich festgelegt. Probleme entstehen dann, wenn die Zielvereinbarung nicht zustande kommt.

 

Rz. 349

Nach Ansicht des BAG können die Arbeitsvertragsparteien eine Rahmenvereinbarung über Zielvereinbarungen zunächst grds. stillschweigend aufheben und damit bewusst von der Festlegung von Zielen absehen (BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07).

 

Rz. 350

In Rspr. und Literatur war es lange umstritten, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe dem Arbeitnehmer im Fall einer unterlassenen Zielvereinbarung ein Bonus zusteht oder dieser Anspruch auf Schadensersatz hat.

 

Rz. 351

Teilweise wurde eine ergänzende Vertragsauslegung befürwortet (LAG Köln v. 14.3.2006 – 9 Sa 1152/05; LAG Hamm v. 24.11.2004 – 3 Sa 1325/04; LAG Köln v. 1.9.2003 – 2 Sa 471/03; LAG Köln v. 23.5.2002 – 7 Sa 71/02; Hümmerich, NJW 2006, 2294, 2298; Schmiedl, BB 2004, 329, 331; Behrens/Rinsdorf, NZA 2003, 364 ff.). Nach a.A. sei § 315 BGB (entsprechend) anzuwenden (LAG Hessen v. 29.1.2002 – 7 Sa 836/01; ArbG Düsseldorf v. 13.8.2003 – 10 Ca 10348/02; Behrens/Rinsdorf, NZA 2006, 830, 835; Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785, 791; Brors, RdA 2004, 273, 277; Annuß, NZA 2007, 295), während wiederum andere auf den in § 162 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass niemand aus seinem treuwidrigen Verhalten Vorteile ziehen darf, zurückgriffen (LAG Köln v. 22.8.2007 – 3 Sa 358/07; LAG Baden-Württemberg v. 18.10.2006 – 13 Sa 55/05; LAG Düsseldorf v. 28.7.2006 – 17 Sa 465/06; LAG Köln v. 23.5.2002 – 7 Sa 71/02; Röder, FS ARGE Arbeitsrecht im DAV, S. 148; Bauer, FA 2002, 295, 296; Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882).

 

Rz. 352

Nach Auffassung des BAG ist die Frage, ob ein Arbeitnehmer bei nicht getroffener Zielvereinbarung einen Schadensersatzanspruch wegen der ihm entgangenen erfolgsabhängigen Vergütung hat, unter Berücksichtigung der Gründe für das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu entscheiden (BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07 unter Hinweis auf BSG v. 23.3.2006 – B 11a AL 29/05 R). Oblag es dem Arbeitgeber, die Initiative zur Führung eines Gespräches mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung zu ergreifen und hat er ein solches Gespräch nicht anberaumt, hat er eine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Diese Pflichtverletzung kann einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen (BAG v. 13.10.2021 – 10 AZR 729/19; BAG v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20; BAG v. 12.5.2010 – 10 AZR 390/09; BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07; LAG Rheinland-Pfalz v. 15.12.2015 – 8 Sa 201/15; LAG München v. 25.6.2020 – 3 Sa 620/19). Ist in der Rahmenvereinbarung keine derartige Initiativpflicht geregelt und führt auch die Auslegung der Bonusregelung nicht zu einer alleinigen Pflicht des Arbeitgebers, die Verhandlungen über die Zielvereinbarung einzuleiten, ist nach dem BAG bei einer nicht zustande gekommenen Zielvereinbarung nicht stets davon auszugehen, dass nur der Arbeitgeber die Initiative zu ergreifen und aufgrund seines Direktionsrechtes ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über mögliche Ziele und deren Gewichtung anzuberaumen hat. Beruht das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung auf Gründen, die sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer zu vertreten haben, ist ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach dem BAG gleichwohl wegen der entgangenen erfolgsabhängigen Vergütung nicht ausgeschlossen. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Arbeitgeber nicht erst durch eine Mahnung des Arbeitnehmers mit den von ihm zu führenden Verhandlungen über die Zielvereinbarung in Verzug gerät, sondern die Zielvereinbarung nach der arbeitsvertraglichen Regelung vor Beginn der Zielperiode abzuschließen ist oder für den Abschluss der Zielvereinbarung eine andere Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Soll eine Zielvereinbarung bis zum Abschluss einer Folgevereinbarung fortgelten, bleibt die Verpflichtung des Arbeitgebers, für das Folgejahr dem Arbeitnehmer ein neues Angebot zu unterbreiten und über eine neue Zielvereinbarung zu verhandeln, regelmäßig bestehen (BAG v. 12.5.2010 – 10 AZR 390/09). Dem Arbeitnehmer steht auch dann ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Zielvereinbarungsprozess seitens des Arbeitgebers ohne Widerspruch des Arbeitnehmers über lange Zeit so praktiziert wurde, dass der Arbeitgeber eine einseitige Zielvorgabe vorgenommen hat, wenn die Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung scheiterten und eine solche Zielvorgabe dann nicht erfolgt (Hessisches LAG v. 30.4.2021 – 14 Sa 606/19, Ls. 1). Trifft auch den Arbeitnehmer ein Verschulden daran, dass eine Zielvereinbarung unterblieben ist, ist dieses Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 BGB angemessen zu berücksichtigen (BAG v. 17.12.2020 – 8 AZR 149/20; BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07). Freilich ist zudem die Kausalitätsfrage zu klären, ob bei erfolgter Zielvereinbarung ein Bonus hätte entstehen können (z.B. verneint im Fall BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12). Das Risiko einer u...

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