Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch wegen fehlender Zielvorgabe durch Arbeitgeber. Pflicht zur einseitigen Zielvorgabe nach jahrelanger Praxis. Anspruch auf entgangenen Gewinn bei Nichterteilung der Zielvorgabe durch Arbeitgeber. Schadensersatz bei späterer Zielvorgabe

 

Leitsatz (amtlich)

Wurde der Zielvereinbarungsprozess seitens des Arbeitgebers ohne Widerspruch des Arbeitnehmers über lange Zeit so praktiziert, dass der Arbeitgeber eine einseitige Zielvorgabe vorgenommen hat, wenn die Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung scheiterten und erfolgt eine solche Zielvorgabe dann nicht, steht dem Arbeitnehmer dem Grunde nach gegen den Arbeitgeber ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, 3 BGB, §§ 283, 252 BGB zu.

Dies gilt auch wenn die Zielvorgabe zwar nachgeholt wird, aber erst zu einem Zeitpunkt zu dem die Freistellung des Arbeitnehmers erfolgt ist oder unmittelbar bevor steht.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, §§ 283, § 249 ff., § 280 Abs. 3, §§ 252, 254; ZPO §§ 97, 287

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.03.2019; Aktenzeichen 19 Ca 6561/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des – teilweise abgeändert und die Klage auch abgewiesen, soweit dem Kläger ein über 23.378,85 € brutto nebst Zinsen hinausgehender Betrag nebst Zinsen zugesprochen worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 47 % und die Beklagte 53 % zu tragen.

Die Revision wird nur für die Beklagte beschränkt auf den Anspruchsgrund zugelassen. Betreffend die Anspruchshöhe wird die Revision für keine der Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch um Ansprüche des Klägers auf variable Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen nicht festgelegter Ziele für das Geschäftsjahr 2018.

Der Kläger ist seit dem 15. Januar 2014 bei der Beklagten auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 2. Dezember 2013 (Bl. 5 ff. der Akte) als Business Development Director beschäftigt.

Der Arbeitsvertrag lautet unter Ziff. 2.4 auszugsweise:

„Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer jährlich einen erfolgsabhängigen Bonus i.H.v. 43.970 € brutto (in Worten dreiundvierzigtausendneunhundertsiebzig Euro) entsprechend 100 % Erreichung der festgelegten Ziele. Die Zahlung des Bonus ist davon abhängig, welcher Zielerreichungsgrad erlangt wird. Die Modalitäten zur Zieldefinition und -erreichung werden gesondert im Rahmen des individuellen 'Total Rewards Sales Compensation Plan' vereinbart (…)“

Im Rahmen des jährlichen Zielvereinbarungsprozesses bei der Beklagten werden zu Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahres die für die Mitarbeiter für dieses Wirtschaftsjahr vorgesehenen Ziele und Zielgewichtungen in einem „FY Total Rewards Sales Compensation Plan“ (künftig: Bonusplan) festgehalten und von der Beklagten an die betroffenen Mitarbeiter verschickt. Anschließend wird der Bonusplan von der Beklagten mit dem jeweiligen Arbeitnehmer erörtert sowie bei Bedarf gegebenenfalls angepasst. Durch die Unterzeichnung des Bonusplans erklärt sich der Mitarbeiter mit den dort getroffenen Regelungen einverstanden und wird Bonusplanteilnehmer.

Im Wirtschaftsjahr 2015 betrug der Zielerreichungsgrad des Klägers 84 %, im Wirtschaftsjahr 2016 80 % und im Wirtschaftsjahr 2017 25 %. Die insofern in den Bonusplänen enthaltenen Ziele waren nach Auffassung beider Parteien angemessen. Die Auszahlungsquote entsprach in den genannten Jahren nicht der Zielerreichungsquote, sondern der dem jeweiligen Zielerreichungsgrad entsprechenden Auszahlungsanteil wurde jedes Jahr neu festgelegt.

Im Juni 2017 wies die Beklagte dem Kläger einen geänderten Aufgabenbereich zu, der insbesondere verstärkt Neukundengeschäft zum Gegenstand hatte. Wegen der Einzelheiten der ihm zugewiesenen Aufgaben wird auf Seite 3 der Klageschrift (Bl. 3 der Akte) Bezug genommen.

Das Geschäftsjahr 2018 der Beklagten begann am 1. September 2017 und endete am 31. August 2018.

Mit Schreiben vom 14. November 2017 (Bl. 13 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte auf, mit ihm in Verhandlungen über einen Bonusplan für das Jahr 2018 einzutreten. Spätestens am 29. Januar 2018 übersandte die Beklagte ihm einen Bonusplan für das Jahr 2018. Der von der Beklagten übersendete Plan (Anlage CMS 5 des Anlagenbandes) sieht insoweit eine Annahmefrist von 30 Tagen nach Eingang beim Arbeitnehmer vor.

Im Rahmen der folgenden Verhandlungen gelang eine Einigung der Parteien nicht. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Bis zu seiner Freistellung war der Kläger im Rahmen einer Matrixstruktur Teil des bei der A GmbH angesiedelten Vertriebsteam des Herrn B, der auch für die Vereinbarung bzw. Festlegung der für den Kläger in Bezug auf die variable Vergütung maßgeblichen Ziele zuständig war.

Unter dem 13. März 2018 versendete Herr B eine E-Mail an den Kläger, wonach der Bonusplan „nun als abgeschlossen und vereinbart“ angesehen werd...

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