Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatzanspruch eines Arbeitnehmers aufgrund einer verspätet erfolgten Zielvorgabe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erfolgt eine Zielvorgabe erst zu einem derart späten Zeitpunkt innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, ist sie so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Ein derart später Zeitpunkt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen ist.

2. Eine Anreizfunktion wird nicht per se dadurch ausgeschlossen, dass die unterlassene Zielvorgabe unternehmensbezogene Ziele betrifft.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, 3, §§ 283, 252; ZPO § 287 Abs. 1; BGB § 280 Abs. 1 S. 1, 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 23.11.2022; Aktenzeichen 12 Ca 2958/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.11.2022 - 12 Ca 2958/20 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 16.035,94 Euro zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadenersatz aufgrund einer verspätet erfolgten Zielvorgabe für das Jahr 2019.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 18.07.2016 bis zum 30.11.2019 als Head of Advertising am Standort K tätig. Der Kläger war Mitarbeiter mit Führungsverantwortung. Der Arbeitsvertrag vom 31.03.2016 (Anl. K1, Bl. 9-12 d.A.) regelt in § 4 unter der Überschrift "Vergütung" auszugsweise Folgendes:

"4.1 Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit ein Jahreszielgehalt in Höhe von € 95.000 (i. W. fünfundneunzigtausend) bei 100% Zielerreichung. Das Zielgehalt setzt sich aus einem Bruttofixgehalt in Höhe von € 66.500 (i. W. sechsundsechzigtausendfünfhundert) und einer variablen Vergütung in Höhe von brutto € 28.500 (i. W. achtundzwanzigtausendfünfhundert) bei 100% Zielerreichung zusammen.

4.2 Die Ziele werden zunächst zeitnah nach Antritt der Beschäftigung und im Folgenden zu Beginn eines jeden Kalenderjahres vom Vorgesetzten definiert die Zieldefinition diesem Arbeitsvertrag spätestens 4 Wochen nach Arbeitsaufnahme als Anlage hinzugefügt.

4.3 Eine Unter- oder Übererfüllung der Ziele wird anteilig berechnet. Eine Übererfüllung der Ziele wird bis zu 200 % vergütet. Die Zahlung der variablen Vergütung erfolgt jährlich nach Abschluss eines Geschäftsjahres, spätestens im Februar des Folgejahres.

[...]"

Das Geschäftsjahr der Beklagten entspricht dem Kalenderjahr.

Mit Schreiben vom 28.09.2017 (Anl. K2, Bl. 13 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich dessen Bruttojahreszielgehalt ab dem 01.10.2017 auf 102.125,00 Euro belaufe, welches sich aus einem Fixgehalt iHv. 71.488,00 Euro und einer variablen, erfolgsabhängigen Vergütung iHv. 30.637,00 Euro bei 100 % Zielerreichung zusammensetze.

Ausweislich der sog. MBO-Karte (MBO = Management By Objectives) für 2017 (Anl. K7, Bl. 73 d.A.) war dem Kläger für dieses Jahr als unternehmensbezogenes Ziel nur ein E-Ziel mit einer Gewichtung von 20 % der Gesamtzielbewertung vorgegeben, welches er zu 200 % erfüllte. Ausweislich der MBO-Karte für 2018 setzte die Beklagte das Unternehmensziel für den Kläger mit 60 % der Gesamtzielbewertung an, wobei je 30 % auf E-Ziel und Umsatzziel verteilt waren (Anl. K8, Bl. 74 d.A.). Der Kläger erreichte das E-Ziel zu 169 % und das Umsatzziel zu 107 %.

Unter dem 12.03.2019 schlossen die Beklagte und der bei ihr am Standort K gebildete Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über das Vergütungsmodell für alle Mitarbeiter der [Beklagten] ausgenommen Vertriebs-Mitarbeiter am Standort K" (im Folgenden: BV; Anl. K3, Bl. 14-18 d.A.). Die BV sieht unter B Vergütungsmodelle für Mitarbeiter ohne und unter C für Mitarbeiter mit Führungsverantwortung vor.

Für Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung regelt B II Abs. 1 BV die Zahlung eines sog. Company-Bonus iHv. bis zu 4 % einer Bruttojahresvergütung, der unabhängig von der persönlichen Leistung des Mitarbeiters ist. Nach B II Abs. 2 BV besteht dieser Company-Bonus aus einer hälftigen Komponente, die sich nach der Erreichung des E-Unternehmensziels richtet, sowie einer hälftigen Komponente, die sich nach der Erreichung des Umsatz-Unternehmensziels richtet; das Unternehmensziel wird spätestens bis zum Abschluss des ersten Quartals des Jahres definiert.

Unter C II BV heißt es für Mitarbeiter mit Führungsverantwortung unter der Überschrift "Verteilung Fixum/Variable":

"Das Bruttojahreszielgehalt wird in ein Fixgehalt von 90 % und einen variablen Gehaltsbestandteil von 10 % aufgeteilt, wobei das Fixgehalt in 12 gleichen Teilen monatlich, jeweils zum Monatsletzten, und der variable Gehaltsbestandteil jährlich jeweils im Februar zur Auszahlung gelangt. Etwaige abweichende arbeitsvertragliche Regelungen bleiben bestehen. Ausnahmen dürfen individuell verhandelt, jedoch nicht einseitig vom Arbeitgeber vorgegeben werden (keine AGB)."

Unter C III BV heißt es unter der Überschrift "Variable Vergütung":

"1. Der Mitarbeiter erhält bis zum 01.03. des Kale...

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