Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Schätzung der Schadenshöhe des Arbeitnehmers bei unterbliebener Zielvereinbarung der Arbeitsvertragsparteien

 

Leitsatz (amtlich)

Ist nach einer Rahmenvereinbarung neben der Festlegung der konkreten Ziele für einen Bemessungszeitraum auch die Höhe des Zielbonus einer jährlich abzuschließenden Vereinbarung überlassen, ist der Schaden und die Schadenshöhe gem. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO durch das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu bestimmen. Anknüpfungstatsachen sind u.a. die Regelungen der Parteien in der Vergangenheit sowie entsprechend dem Rechtsgedanken des § 612 Abs. 2 BGB mit anderen vergleichbaren Arbeitnehmern getroffene Zielvereinbarungen oder an sie geleistete Bonuszahlungen.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1, 3, § 283 S. 1, §§ 249, 252 S. 2; ZPO § 287; BGB § 612 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 03.09.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1868/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 03.09.2019 - 3 Ca 1868/19 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 24.864,33 brutto zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die erstinstanzlichen Kosten haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 80/100 und der Kläger 20/100.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer variablen Vergütung.

Der Kläger war seit dem 01.10.2015 als Regional Sales Manager für das Vertriebsgebiet Bayern beschäftigt. Ergänzend zur Zahlung des monatlichen Grundgehalts enthielt der Arbeitsvertrag vom 05.08.2015 (Anlage K1 = Bl. 8 ff. d. A.) folgende Regelung:

"§ 4 Gehalt

...

4. Für 2015 wird ein Zielgehalt von 120.350,00 € bezogen auf das Gesamtjahr anteilig garantiert.

Für 2016 wird ein Zielgehalt von 120.350,00 € festgelegt, das Maximalgehalt beträgt 136.662.50 €, bezogen auf das Gesamtjahr. Einzelheiten zum Gehaltsmodell 2016 sind dem angehängten Excel-Sheet zu entnehmen. Die auf ein gesamtes Geschäftsjahr bezogenen Angaben zum Minimalgehalt, Zielgehalt und Maximalgehalt werden bei vorzeitigem Ausscheiden anteilig gekürzt

5. Jeweils vor Beginn eines Kalenderjahres werden Berechnungsbasis und Höhe der Provision und evtl. Prämien bezogen auf die dann vorhandenen Rahmenbedingungen überprüft und gegebenenfalls mit Wirkung ab 01. Januar des darauffolgenden Jahres neu festgesetzt. Hierbei werden die gegebenen und im Vorjahr auch erreichten Zielvorstellungen bezüglich der Vergütungsgesamthöhe berücksichtigt.

Prämienhöhe und Kriterien von Prämien, deren Gewährung im Ermessen der Geschäftsführung liegen, sind in der Zielvereinbarung für das jeweilige Jahr festgelegt.

..."

Die Parteien schlossen für 2017 eine Zielvereinbarung (vgl. Anlage B2 = Bl. 54 d. A.). Danach sollte der sog. "Maximal Bonus for full year" 42.625,00 € brutto und der sog. "Core Bonus" 26.231,00 € brutto betragen. Bei Erreichung bestimmter Unternehmenszahlung errechnete sich die zu zahlende variable Vergütung nach dem sog. "Individual Performance Coefficient" von 70 bis 130%, der sich nach der persönlichen Zielerreichung des Klägers bestimmte.

Mit Wirkung zum 01.07.2017 wurde der Kläger als Project Manager beschäftigt. Mit Schreiben vom 13.07.2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich § 2 des Anstellungsvertrags vom 05.08.2015 "Tätigkeit und Arbeitsort" ändere.

Für das Jahr 2018 trafen die Parteien keine Zielvereinbarung. Der Kläger mahnte dies mündlich im März 2018 und per Email vom 16.08.2018 an. Auch für das Jahr 2019 kam es nicht zu einer Zielvereinbarung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund Eigenkündigung des Klägers zum 28.02.2019.

Die Beklagte zahlte an drei ebenfalls als Projektmanager beschäftigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverträge gleichfalls die Zahlung einer Provision vorsahen, 20, 23 bzw. 29 % des "Maximal Bonus" (vgl. Anlage B3 = Bl. 55 d. A.). Dem Kläger wurden 50% der im Vorjahr 2017 gezahlten variablen Vergütung, d. h. 6.400,00 € brutto angeboten, mit der er sich nicht einverstanden erklärte.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Zahlung der Provisionen für 2018 und anteilig 2019 auf Basis der Zahlung bei Übererfüllung für 2017 geltend gemacht. Dieser Anspruch stehe ihm nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei unterbliebener Zielvereinbarung zu. Gemäß § 4 Ziffer 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrags seien jedes Jahr neue Ziele zu vereinbaren.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Bonus für das Jahr 2018 in Höhe von 42.624,56 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Bonus für das Jahr 2019 in Höhe von 7.104,09 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

Die Klage abzuweisen,

und die Auffassung vertreten, das nach § 4 Ziffer 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrags die Ziele nur "gegebenenfalls" neu festzusetzen ...

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