Entscheidungsstichwort (Thema)

Variable Vergütung. unterlassene Zielvereinbarung. ergänzende Vertragsauslegung. unzulässige Rechtsausübung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unterbleibt die für die Bemessung einer variablen Vergütung relevante Zielvereinbarung, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln sein, welche Zielsetzungen und welche Leistungshöhe bei welchem Leistungsgrad die Parteien festgesetzt hätten (abweichend von LAG Köln, Urteil vom 23. Mai 2002 – 7 Sa 71/02 –).

2. Die Ziele, die die Parteien festgelegt hätten, können nur aus dem arbeitsvertraglichen Aufgabengebiet hergeleitet werden. Dabei versteht es sich, dass nicht jede Aufgabe rein nach quantitativen Gesichtspunkten bewertet werden kann. Dies ist z. B. bei Verwaltungstätigkeiten regelmäßig nicht möglich.

3. Bei einer Sachbearbeiterin in der Finanzbuchhaltung, der die buchhalterische Bearbeitung der Geschäftsvorfälle sowie Zuarbeiten und Mitwirken bei Monats-, Quartals- und Jahresabschlüssen übertragen ist, ist davon auszugehen, dass die Parteien die Sicherstellung einer hohen Datenqualität bei der Vornahme der Buchungen und die Mitwirkung bei der termins- und qualitätsgerechten Erstellung der Abschlüsse als Ziele vereinbart hätten.

4. Ist in einer geltenden Betriebsvereinbarung eine Bewertungsskala zur Ermittlung von Leistungsstufe und der sich danach berechnenden Leistungshöhe für variable Vergütungsbestandteile durch nachträgliche Beurteilungen vereinbart, so kann diese im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auch für die Bemessung einer variablen Vergütung auf der Grundlage einer Zielvereinbarungsabrede herangezogen werden.

5. Einer Sachbearbeiterin der Finanzbuchhaltung muss auch bei unterbliebener Zielvereinbarung klar sein, dass für sie folgende Hauptanforderungen gelten: Datenqualität, termingerechtes Verbuchen der Belege und das Vermeiden von Buchungsrückstau, die Mitwirkung bei einer termin- und qualitätsgerechten Erstellung der Abschlüsse und ggf. auch die Einarbeitung eines Mitarbeiters.

6. Ein Arbeitnehmer handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er für einen zurückliegenden Zeitraum rügt, die Zielvereinbarung sei unterblieben, in der Vergangenheit der Bemessung seiner variablen Verfügung aufgrund von nachträglichen Beurteilungen aber nicht widersprochen hatte.

 

Normenkette

BGB §§ 157, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 15.06.2005; Aktenzeichen 7 Ca 3687/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 15. Juni 2005 – 7 Ca 3687/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer von der Beklagten an die Klägerin für das Jahr 2003 zu zahlenden Jahresprämie.

Die Klägerin ist seit dem 1. März 2001 als Sachbearbeiterin Finanzbuchhaltung bei der Beklagten zu einem monatlichen Festgehalt in Höhe von derzeit EUR 3.909,56 brutto beschäftigt. Sie ist beauftragt mit der Bearbeitung aller Geschäftsvorfälle in der Finanzbuchhaltung, dem Zuarbeiten und der Mitwirkung bei Monats-, Quartals- und Jahresabschlüssen sowie der Erledigung von Sonderaufgaben im Bereich des Finanz- und Rechnungswesens.

In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 25./26. Januar 2001 ist bestimmt, dass sie neben dem Festgehalt eine variable Jahresprämie nach folgenden Grundsätzen erhält:

„Die Gesellschaft zahlt unter Berücksichtigung quantitativer und/oder qualitativer Zielsetzungen, die Bestandteil einer jährlich neu zu treffenden schriftlichen Zielvereinbarung sind, pro Geschäftsjahr/Kalenderjahr eine Variable, deren Höhe maximal 2 Monatsgehälter gemäß § 3 Abs. 1 dieses Vertrages beträgt. Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis während des Kalenderjahres, so erhält Frau Becker die Variable anteilig. Die Auszahlung der Variablen erfolgt als Jahresprämie im ersten Quartal des Folgejahres. Ein Anspruch auf die Variable besteht nicht für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis während oder zum Ende der Probezeit gemäß § 1 Abs. 3 gekündigt wird. Wird das Anstellungsverhältnis über die Probezeit hinaus fortgesetzt, dann besteht der Anspruch auf die Variable auch für die ersten 6 Monate des Anstellungsverhältnisses.”

In einer am 22. August 2000 abgeschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung über variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2001/2001 bestimmten die Beklagte und der bei ihr bestehende Gesamtbetriebsrat, dass ihre Vereinbarung für alle Beschäftigten der Beklagten galt, in deren Arbeitsvertrag die Zahlung einer leistungsabhängigen variablen Vergütung in Höhe von maximal ein bzw. zwei Bruttomonatsgehältern vorgesehen war. Sie regelte die Bemessung und die Zahlung der leistungsabhängigen variablen Vergütung für die Geschäftsjahre 2000 und 2001. Jeder Beschäftigte war durch den zuständigen Vorgesetzten zum Ende des Geschäftsjahres nach Maßgabe eines vorgegebenen Formblatts „Leistungsbewertung” zu beurteilen. Dem Arbeitnehmer, der das ausgefüllte Formblatt erhielt, war die Leistungsbeurteilung zu eröffnen und zu begründen.

Nach dem Formblatt waren zu b...

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