Rz. 809

Weil der Arbeitnehmer eingebunden ist in die Arbeitsorganisation, die der Arbeitgeber bestimmt, entzieht sich die Lage der Arbeitszeit weitgehend der individualvertraglichen Festlegung (hierzu Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 132). Gleichzeitig ist aber an das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu denken. Zudem greift der Tarifvorrang nach Maßgabe des Eingangssatzes des § 87 BetrVG zumeist nicht ein, weil die Lage der Arbeitszeit im Allgemeinen nicht durch Tarifverträge geregelt wird.

 

Rz. 810

 

Hinweis

I.R.d. betriebsüblichen Arbeitszeiten kann der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechtes oder Weisungsrechtes die wöchentliche Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilen und darüber hinaus Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit festlegen (Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rn 468).

 

Rz. 811

Der Arbeitgeber kann auch einen Schichtwechsel anordnen (LAG Hamm v. 30.6.1994, LAGE § 611 BGB – Direktionsrecht, Nr. 17). Eine Vereinbarung der Geltung der jeweils betriebsüblichen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag verstößt weder gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB noch würde es eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellen (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 132).

 

Rz. 812

Dabei ist aber zu beachten, dass bei Abschluss eines Arbeitsvertrages die Bezugnahme auf die in diesem Zeitpunkt im Betrieb geltende Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage keine eigenständige, individuelle Arbeitszeitvereinbarung enthält, die ggü. einer späteren Veränderung der betriebsüblichen Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung Bestand haben würde. Ein Arbeitnehmer, der z.B. aus persönlichen Gründen an einer bestimmten, von der betriebsüblichen Arbeitszeit unabhängigen Lage der Arbeitszeit Interesse haben würde, muss dies gesondert mit seinem Arbeitgeber vereinbaren (BAG v. 23.6.1992, AP Nr. 1 zu § 611 BGB – Arbeitszeit).

 

Rz. 813

Der Arbeitgeber ist insb. dann befugt, durch einseitige Weisung die Lage der Arbeitszeit einseitig festzulegen, wenn weder ein Tarif- noch ein Einzelarbeitsvertrag eine Regelung über die Lage der Arbeitszeit enthält (BAG v. 19.6.1985, DB 1986, 132; BAG v. 23.9.2004, NZA 2005, 359; Preis, Der Arbeitsvertrag, II A 90 Rn 148). Dazu gehört nicht nur die Bestimmung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Festlegung der Pausen, sondern auch die Einführung der Schichtarbeit sowie die Aufstellung von Dienstplänen oder die Anzahl der infolge zu leistenden Nachtschichten (BAG v. 11.2.1998, AP Nr. 54 zu § 611 BGB – Direktionsrecht). Dies würde auch dann gelten, wenn in der Vergangenheit über einen mehrjährigen Zeitraum anderweitig verfahren worden ist (LAG Berlin v. 29.4.1991, LAGE § 611 BGB – Direktionsrecht Nr. 9; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 816). Des Weiteren soll der Arbeitgeber aufgrund einer arbeitsvertraglichen Abrede befugt sein, den Arbeitnehmer entsprechend der jeweiligen Anordnung der Betriebsleitung im Ein- bis Drei-Schicht-Betrieb arbeiten zu lassen, kraft seines Direktionsrechtes von der Nachtschicht in die Tagesschicht zu versetzen, auch wenn seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer über zehn Jahre lang ausschließlich in der Nachtschicht gearbeitet hat (LAG Düsseldorf v. 23.10.1991, LAGE § 611 BGB – Direktionsrecht Nr. 1). Insgesamt müssen aber bei der Ausübung des Bestimmungsrechtes im Hinblick auf die Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber die Grundsätze des billigen Ermessens gewahrt werden (BAG v. 28.11.1984, AP Nr. 1 zu § 4 TVG – Bestimmungsrecht; Schaub/Link, ArbRHB, § 45 Rn 69; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 134). Sollten mehrere Arbeitnehmer von einer Änderung der Lage der Arbeitszeit betroffen sein, so gelten bei dem Auswahlprozess des Arbeitgebers die Grundsätze der sozialen Auswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung nicht (BAG v. 23.9.2004, EzA Nr. 1 zu § 106 GewO). Darüber hinaus wird auch angenommen, dass der Arbeitgeber bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit im Rahmen seines Direktionsrechtes keine betrieblich zwingenden Anordnungen treffen darf, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verhindern (ArbG Hamburg v. 4.12.1995 – 21 Ca 290/95, AuR 1998, 297 f.). Zu beachten bleibt in diesem Zusammenhang auch, dass die Festlegung der Lage der Arbeitszeit entweder durch eine betriebliche Übung begründet wird oder aber eine stillschweigende Vertragsergänzung, nämlich in Form der Konkretisierung geschieht (näher hierzu Hennige, NZA 1999, 281, 286). Auch der Umstand, dass ein Arbeitnehmer rund zehn Jahre die Arbeitszeit vormittags ausgeübt hat, führt nicht dazu, dass sich das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf diese Arbeitsbedingung darauf konkretisiert hätte, und der Arbeitgeber eine Weisung bezogen auf die Lage der Arbeitszeit nicht mehr aussprechen könnte. Eine solche Einschränkung oder gar ein Verzicht auf die Ausübung des vertraglichen Weisungsrechtes kann nur d...

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