Rz. 132

Die Rspr. hat die Haftung bei schuldhafter Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten bejaht, z.B. Warn- und Hinweispflichten, insb. ab Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, aber auch bei falschen Prospektangaben. Der Geschäftsführer muss selbst Träger solcher Pflichten sein. Das ist anzunehmen bei Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens in besonderem Maße sowie bei wirtschaftlichem Eigeninteresse (sog. "Sachwalter").[546] Maßgebliche Beteiligung sowie Herrschaftsmacht, z.B. beim Einmann-Gesellschafter, begründen als solche keine eigenen Schutzpflichten.[547] Ein Geschäftsführer haftet aber z.B., wenn er Anlageinteressenten für eine kapitalsuchende Gesellschaft persönlich mit dem Anspruch gegenübertritt, sie über die für ihre Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zu informieren[548] (vgl. auch Rdn 130).

[546] Frühere Rspr. erheblich eingeschränkt wegen des Wertungswiderspruchs der Eigenhaftung zu § 13 Abs. 2 GmbHG. Voraussetzung der Haftung ist, dass Geschäftsführer Verhandlungen (oder Vertragsschluss) im unmittelbaren eigenen wirtschaftlichen Interesse (herbei)geführt oder dadurch, dass er ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat, erheblich beeinflusst hat, vgl. BGH ZIP 1990, 659; vgl. BGH NJW 1994, 2220; BGH ZIP 1995, 733; BGH ZIP 2005, 1327; BAG ZIP 2014, 1976, 1978 Rn 21 (nach Rn 22 ff. genügt für Haftung nicht das eigenwirtschaftliche Interesse des Geschäftsleiters am Erhalt seiner Position). Ebenso OLG Düsseldorf v. 6.10.2015 – I-21 U 70/15, WM 2017, 532 (es genügt nicht, dass Geschäftsführer für Geschäftsabschluss besondere Provision oder Gewinne erhält, ebensowenig genügt, wenn er seine eigene Kompetenz herausstellt; er müsse vielmehr in besonderem Maße Vertrauen in Anspruch nehmen und dadurch die Vertragsverhandlungen erheblich beeinflussen; das müsse für den Dritten eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für Seriösität und Erfüllung des Geschäfts oder Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen begründen).
[547] Vgl. zur nicht einheitlichen, zunehmend restriktiven Rspr. (vgl. z.B. BGHZ 126, 181, 184; BGH DStR 2002, 1541) die weiteren Nachw. bei Baumbach/Hueck/Beurskens, § 43 Rn 127 f.; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn 3.109 ff., forderte nach der Ausweitung der Haftung des Geschäftsführers in der Unternehmenskrise, die Rspr. nicht mehr fortzuführen.
[548] BGHZ 177, 25. Vgl. zu dieser Entscheidung auch Frisch, EWiR 2008, 643, der die Entscheidung mit gutem Grund als "Paukenschlag" bezeichnet. Vgl. in Abgrenzung dazu OLG Stuttgart v. 23.2.2016 – 1 U 97/15, GmbHR 2016, 1200.

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