Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenhaftung des Verhandlungsgehilfen. stillschweigender Abschluss eines Auskunfts- oder Beratungsvertrages. Beweiskraft des Tatbestandes

 

Leitsatz (amtlich)

  • eine (Quasi-) vertragliche Eigenhaftung des Vertreters oder Vermittlers wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses am Zustandekommen des Geschäfts setzt bei wertender Betrachtung der Umstände des Vertragsschlusses und der diesbezüglichen Beiträge des Dritten voraus, dass dieser quasi als wirtschaftlicher Herr des Geschäfts oder als eigentlich wirtschaftlicher Interessenträger angesehen werden kann; ein bloß mittelbares wirtschaftliches Interesse an dem Geschäft z.B. in Form von Provisionen oder Gewinnen für den Fall des Abschlusses des Geschäftes ist regelmäßig (noch) nicht ausreichend;
  • stellt ein mit der Vermarktung und der Vermittlung von Erwerbsverträgen betrautes Unternehmen gegenüber potentiellen Kaufinteressenten die eigene Kompetenz im Bereich der erfolgreichen Vermarktung von Immobilienobjekten heraus, kann hieraus nicht auf ein relevantes wirtschaftliches Eigeninteresse oder auf eine so enge Beziehung zum eigentlichen Vertragsgegenstand, die eine Eigenhaftung des Vermittlers nach § 311 Abs. 3 BGB begründen konnte, geschlossen werden;
  • eine Eigenhaftung des Dritten kann ausnahmsweise auch dann begründet sein, wenn er in besonderem Maße für sich Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat. Der Dritte muss eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäfts oder für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen, die für den Willensentschluss des anderen bedeutsam gewesen sind, geboten haben oder er muss dem anderen Teil in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt haben, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der andere Teil dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut oder sein Verhandlungsvertrauen sich als nicht gerechtfertigt erweist.
  • Zu den Voraussetzungen, unter denen von einem stillschweigenden Abschluss eines Auskunftsvertrages und damit von einer vertraglichen Haftung des Auskunftsgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft ausgegangen werden kann. Die Sachkunde des Auskunftsgebers und die Bedeutung der Auskunft für den Empfänger ist für die Annahme eines stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrages allein nicht ausreichend. Es müssen weitere Umstände und Indizien außerhalb der Sachkunde des Auskunftsgebers und der Bedeutung seiner Auskunft für den Empfänger vorliegen, die für einen Verpflichtungswillen des Auskunftgebers sprechen können.
  • Zur Beweiskraftwirkung des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils.
 

Normenkette

BGB § 311 Abs. 3; ZPO § 314

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 10.12.2014; Aktenzeichen 10 O 439/13)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 10.12.2014 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Duisburg - 10 O 493/13 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in selber Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A) Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit der Vermittlung einer von ihnen erworbenen Eigentumswohnung. Dem liegt folgender Fall zu Grunde:

Die Beklagte ist eine hundertprozentige Tochter der Sparkasse M.. Im geschäftlichen Verkehr tritt sie als "Der Immobilien-Makler ihrer Sparkasse" auf.

Die S-GmbH (nachfolgend: Verkäuferin) war Eigentümerin eines rund 5261 m2 großen Grundstücks in M., auf dem sich ursprünglich eine Malzfabrik befand. Über eine Gewerbeerlaubnis nach § 34c GewerbeO verfügte die Verkäuferin nicht. Sie ließ das auf dem Grundstück vorhandene Gebäude umbauen, zusätzlich einen weiteren Baukörper erstellen, so dass letztlich 13 Eigentumswohnungen und vier Büroeinheiten nebst Parkmöglichkeiten entstanden. Finanziert wurde das Projekt für die Verkäuferin von der Sparkasse G.. Die Beklagte erstellte zum Vertrieb der Wohnungs- und Büroeinheiten ein Exposee, in dem die Verkäuferin nicht erwähnt wurde. Entgegen den Angaben in diesem Exposee waren die dort erwähnte Wohnung Nr. 11 sowie das Büro Nr. 13 nicht bereits verkauft, sondern lediglich reserviert für den Geschäftsführer der Verkäuferin. Mit notariellem Vertrag vom 13.10.2008 erwarben die Kläger die Eigentumswohnung Nr. 12 für 565.000 EUR. Am 8.9.2010 stellte die Verkäuferin beim AG Essen einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Durch Beschluss des AG Essen vom 1.12.2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt N. zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Kläger und andere Erwerber schlosse...

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